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5G-Mobilfunkauktion

Seit fast zwölf Wochen bieten die Unternehmen auf die Frequenzblöcke.

(Foto: dpa)

Netzbetreiber Der Streit um die 5G-Auktion eskaliert

Netzbetreiber versuchen, die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur zu schwächen – oder ihr gar die Zuständigkeit für die Frequenzvergabe zu entziehen.
11.06.2019 - 04:00 Uhr 1 Kommentar

Düsseldorf Ein Knopfdruck sollte die Zukunft einläuten. Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur, ließ am 19. März mit dem symbolischen Druck auf die Stoppuhr die Versteigerung der Frequenzen für den 5G-Mobilfunk anlaufen. Neben ihm stand während der Zeremonie in den Räumen der Behörde in Mainz auch Abteilungsleiter Rüdiger Hahn. Er ist es, der bislang jede der sieben Auktionen in Deutschland verantwortet hat.

Die Behörde wollte einen Schlussstrich unter das monatelange Gerangel zwischen Unternehmen, Politik und Regierung um die Details der Vergabe ziehen. Doch drei Monate nach dem Start der Stoppuhr wird klar: Der Streit ist noch lange nicht vorbei – und Hahn ist einer der Gründe dafür.

Hinter den Kulissen ist der Streit um die Zukunft des Mobilfunks in Deutschland regelrecht eskaliert. Die 5G-Auktion ist dafür nur der Anlass. Die Mobilfunkkonzerne nutzen handwerkliche Schwierigkeiten, um die Stellung der Bundesnetzagentur zu schwächen.

Sie hoffen, dass das Bundesverkehrsministerium mehr Kompetenzen bekommt – künftig vielleicht sogar die Vergabe von Frequenzen ohne die Netzagentur organisiert. In der Bundesnetzagentur wiederum gibt es Sorgen, dass die 5G-Auktion die letzte Versteigerung ist, welche die Behörde noch selbst beaufsichtigen darf.

Experten warnen, dass ein Entzug der Kompetenzen für die Agentur dem Mobilfunkmarkt Deutschland schaden könnte. Eine zentrale Frage lautet: Wer hat künftig die Macht über die Mobilfunklandschaft in Deutschland? Der vordergründige Anlass für die Eskalation ist die lange Dauer der aktuellen Versteigerung.

Auch zwölf Wochen nach Beginn bieten die Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) sowie der Herausforderer United Internet (1&1 Drillisch) weiter auf die 41 Frequenzblöcke. Erst dann, wenn keine Gebote mehr abgegeben werden, wird die Versteigerung beendet. Aber danach sieht es nicht aus. Zum Ende von Runde 481 am Freitag betrug die Summe der abgegebenen Höchstgebote 6,37 Milliarden Euro.

Erst am vergangenen Mittwoch sah sich die Bundesnetzagentur als die zuständige Behörde für das Verfahren zu einem bislang im deutschen Mobilfunk einmaligen Schritt gezwungen: Sie hob in einem laufenden Frequenzverfahren die Mindestgebote an. Seitdem müssen Firmen die Höchstgebote der Konkurrenten auf einen der Frequenzblöcke um mindestens 13 Millionen Euro überbieten.

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Zuvor hatte die Vorgabe bei zwei Prozent der Höchstgebote gelegen, was einem Betrag von weniger als drei Millionen Euro entsprach. Prompt stellte daraufhin Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter das ganze Verfahren infrage. „Man verändert in einer laufenden Auktion das Auktionsdesign. Das ist ein Zeichen, dass es nicht so ideal läuft“, sagte er auf der Branchenmesse Anga Com. Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner legte nach und bezeichnete die Summe der Höchstgebote als „absolut katastrophal für Deutschland“.

Ausgerechnet in dieser Situation verabschiedet sich Rüdiger Hahn bei der Bundesnetzagentur. Zum 1. Juli geht er aus Altersgründen in den Ruhestand, hat aber aufgrund von Resturlaub bereits seine operativen Aufgaben abgegeben, wie ein Sprecher der Behörde zugab. „Die Verantwortung für die Durchführung der 5G-Auktion in Mainz liegt bei einem Auktionatorenteam“, sagte er.

Schwierige Suche nach Nachfolger

Noch gibt es keinen Nachfolger für Hahn. „Die Stelle des Abteilungsleiters wird zeitnah intern ausgeschrieben. Es ist beabsichtigt, eine zügige Nachbesetzung zu gewährleisten“, sagte der Sprecher. Zum 1. Juli werde Birgit Neeb mit der Leitung der Abteilung beauftragt. Sie sei „seit Gründung der Behörde mit der Konzeption, Planung und Durchführung von Frequenzauktionen betraut“.

Vor Beginn der Auktion in diesem Jahr hatte Hahn noch gesagt: „Für uns ist der Verlauf der Auktion nicht prognostizierbar.“ In einem Interview in einem Magazin der Bundesnetzagentur hatte Hahn noch ergänzt: „Die kürzeste Versteigerung war 1999 die Versteigerung der 900 MHz-Frequenzen, sie hat einen Tag gedauert. Die längste Auktion hat sich über sechs Wochen hingezogen. Das war 2010.“ Vermutlich hatte Hahn seinerzeit damit gerechnet, die 5G-Auktion selbst noch zum Abschluss zu bringen.

Die Netzbetreiber nutzen den Abgang von Hahn nun auch, um in Berlin heftige Vorwürfe gegen die Bundesnetzagentur zu erheben. Nach Handelsblatt-Informationen haben sich die Unternehmen beim Bundesverkehrsministerium sowie dem Bundeswirtschaftsministerium beschwert. Die Firmen werfen der Bundesnetzagentur handwerkliche Fehler bei der 5G-Auktion vor. Darüber hinaus bringen sie sich in Stellung, um künftig auf ein anderes Vergabeprozedere für Frequenzen zu drängen.

Es gibt gute Gründe für die Kritik, meint zum Beispiel Ökonom und Telekommunikationsmarkt-Experte Jens Böcker von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Die Auktion ist so wichtig für Deutschland, dass nichts schiefgehen darf. Wichtige Spieler dürfen nicht einfach das Team verlassen“, kritisiert er.

Die Netzagentur habe absehen können, dass Hahn in den Ruhestand geht, der Abgang hätte in die Vorbereitungen einfließen müssen. „Da muss man sich zu Recht fragen, ob die Bundesnetzagentur ausreichend auf das Verfahren vorbereitet war“, sagt Böcker. „Ich kann verstehen, dass es Unruhe bei den Netzbetreibern gibt.“

Im vergangenen Jahr hatten Telekom, Vodafone und Telefónica für die Idee geworben, Frequenzen nicht zu versteigern, sondern sie in einer Art „Schönheitswettbewerb“ an Unternehmen im Gegenzug für weitreichende Ausbauverpflichtungen zu verteilen. Die Idee dahinter: Wer freiwillig das Netz in Deutschland ausbauen will, soll dafür mit besonders üppigen Frequenzpaketen belohnt werden. Je weitreichender die Versprechen gehen, desto größer sollten die Pakete werden.

Unabhängigkeit in Gefahr

Für die Organisation eines solchen Verfahrens sieht sich das Bundesverkehrsministerium als die richtige Einrichtung. Bei Treffen zwischen Hahn und Vertretern des Bundesverkehrsministeriums soll es mehrmals zu Konflikten in der Vorbereitung der 5G-Auktion gekommen sein, wie das Handelsblatt erfuhr. Dabei gibt es schon seit Jahren ein Gerangel zwischen Ministerium und Bundesnetzagentur um die Verteilung von Kompetenzen.

Die lange Dauer der 5G-Auktion, die hohen Erlöse sowie der Abgang von Abteilungsleiter Hahn werden nun im Hintergrund als Gründe angeführt, um die Position der Bundesnetzagentur zu schwächen. Auf Anfrage lehnten die drei Netzbetreiber sowie United Internet eine Stellungnahme zu den Vorgängen ab. Aufgrund der laufenden 5G-Auktion wollten sich die Unternehmen nicht äußern, hieß es unisono.

Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas sagte dem Handelsblatt: „Ohne Versteigerung hätte Deutschland Asien und die USA bei 5G übertreffen und mit dem Geld stattdessen rund 60.000 Antennen bauen können.“ Der CEO kritisierte außerdem: „Wir haben als Wirtschaftsnation hier eine große Chance vertan, Deutschland in die Poleposition zu bringen. Das ist tragisch, da es im Vorfeld genug Warnungen seitens der Industrie gegeben hat.“

Innerhalb der Bundesnetzagentur gibt es Sorge, dass der Streit um die 5G-Auktion genutzt werden könnte, der Behörde die Zuständigkeit für den Telekommunikationssektor zu nehmen – vielleicht sogar, die Agentur zu zerschlagen. Es ist auch nicht einfach, einen Nachfolger für Hahn als Abteilungsleiter zu finden.

Denn innerhalb der Behörden ist klar, dass der künftige „Abteilungsleiter Rechtsfragen der Regulierung Telekommunikation, Frequenzordnung“ vielleicht gar keine Auktionen mehr selbst organisieren darf. Damit könnte der Job um eine seiner derzeit zentralen Aufgaben beschnitten werden.

In Fachkreisen wird vor einem Vorgehen gegen die Bundesnetzagentur gewarnt. „Es wäre falsch, nur Herrn Hahn die Verantwortung für die Schwierigkeiten zuzuschieben“, sagt zum Beispiel Spieltheoretiker Stephan Knapek von der Beratungsgesellschaft TWS Partners, die Unternehmen bei vorherigen Frequenzauktionen beraten hat.

Die Behörde habe in den Verfahren handwerkliche Fehler gemacht, urteilt Knapek. So hatte die Netzagentur bereits nach drei Wochen die Höhe der Zusatzzahlung – „Mindestinkrement“ genannt – auf das Mindestniveau von zwei Prozent abgesenkt. Sie wollte damit verhindern, dass die Summe der Höchstgebote zu stark steigt. Schließlich hatten die Netzbetreiber davor gewarnt, dass das Geld sonst für den Netzausbau fehlen würde. Doch aufgrund der geringen Zusatzentgelte zog sich die Auktion immer länger hin.

Das sei ein Fehler gewesen, sagte Knapek. „Es muss in der Zukunft darum gehen, die Auktionsregeln zu verbessern, und nicht darum, die Idee der Auktion zu begraben“, fordert er. „Wenn Knappheit herrscht, dann ist und bleibt eine gut gewählte Auktion der Königsweg zur Vergabe von begrenzten Mobilfunkfrequenzen.“ Alternative Wege seien wenig sinnvoll. „Andere Verfahren, wie zum Beispiel ein ,Schönheitswettbewerb‘, leiden unter gravierenden Mängeln, vor allem der Möglichkeit starker politischer Einflussnahme auf die Entscheidungskriterien“, warnte Knapek.

Auch die Telekommunikationsexperten der Unternehmensberatung Arthur D. Little plädierten in einer Stellungnahme für das Handelsblatt weiterhin für Auktionen statt einer direkten Zuteilung von Frequenzen. „Wir sind der Meinung, dass Spektrumsauktionen auch weiterhin das volkswirtschaftlich effizienteste Vergabeverfahren bleiben“, lautet das Fazit.

Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die Erlöse der Auktion auch zurück in den Netzausbau fließen. Die Bundesregierung hatte angekündigt, die Einnahmen aus der 5G-Versteigerung für die Förderung des Breitbandausbaus in Deutschland zu verwenden.

Zwar befinden auch die Experten von Arthur D. Little: Ja, die Auktion hätte sich beschleunigen lassen, wenn die Bundesnetzagentur früher die Mindestgebote hochgeschraubt hätte. Das hätte jedoch keinen Einfluss auf den Gesamtpreis der Auktion gehabt. So hätte es bereits bei einer Gesamtsumme der Höchstgebote von 3,2 Milliarden Euro vor einigen Wochen fast eine Einigung gegeben, dann aber hätten die Firmen den Deal im letzten Moment doch platzen lassen.

Mobilfunker tragen Mitverantwortung

Die Telekommunikationsexperten sehen daher die Verantwortung für die besonders langwierige 5G-Auktion auch bei den Unternehmen. Schließlich sind sie es, die Runde für Runde neue Gebote abgeben. Die Versteigerung ist vorbei, sobald keine Firma mehr neue Höchstgebote macht.

Die Idee, die Bundesnetzagentur zu schwächen oder sogar das Verkehrsministerium mit einem „Schönheitswettbewerb“ für die Vergabe von Frequenzen zu betrauen, stößt zwar bei einigen Experten auf Ablehnung. Professor Jens Böcker hält die Idee jedoch nicht grundsätzlich für abwegig.

Der Streit um die 5G-Auktion könnte auch genutzt werden, für die nächsten Frequenzvergaben ein verbessertes Verfahren zu entwickeln. „Ich finde es gut, attraktive Lösungen zum Netzausbau zu belohnen“, sagte Böcker. Einige Branchenkenner befürchten, dass die Unternehmen bei einem Wechsel in der Zuständigkeit über ihre Lobbyisten viel stärker Einfluss auf das Bundesverkehrsministerium nehmen könnten, als sie es bisher bei der Bundesnetzagentur konnten. Dieser Sorge schließt sich Böcker an. „Die Gefahr einer politischen Einflussnahme ist beim Verkehrsministerium größer als bei der Netzagentur.“

Der Streit um die richtige Verteilung von Mobilfunkfrequenzen dauert bereits Jahrzehnte an. Nicht nur die Telekom, Vodafone und Telefónica treten seit langer Zeit für andere Vergabewege für Frequenzen ein. Dabei war es auch in den meisten Ländern der Welt bis in die 1990er-Jahre üblich, Frequenzen Unternehmen zuzuteilen. Aufgrund der Gefahr der Einflussnahme und der Sorge wegen ineffizienter Verteilungsprozesse rückten aber fast alle Staaten davon ab und führten Auktionen als Methode ein.

Ökonom Peter Cramton von der University of Maryland untersuchte schon Anfang der 2000er-Jahre einmal in einer größer angelegten wissenschaftlichen Studie die Frequenzauktionen und kam zu dem Schluss: „Versteigerungen sind äußerst erfolgreich. Sie geben Frequenzen in die Hände derer, die sie am besten einsetzen.“

Dass der Streit um die richtige Verteilung von Frequenzen in diesem Jahr erneut losbricht, hat ‧einen weiteren Grund: Die Umstellung auf den nächsten Mobilfunkstandard 5G ist mit großen Hoffnungen verbunden. Dank der neuen Technik sollen erstmals Datenübertragungen nahezu in Echtzeit möglich sein. Besonders die Industrie hofft, dass die Technik als Turbo für die Industrie 4.0, also die vernetze Produktion, fungieren wird.

Mehr: China zieht den 5G-Ausbau vor und verteilt die Frequenzen. Europa droht dabei weiter zurückzufallen, meint Handelsblatt-Reporter Stephan Scheuer.

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1 Kommentar zu "Netzbetreiber: Der Streit um die 5G-Auktion eskaliert "

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Handwerkliche Fehler, welche dem Scheuerischen Lobbyverein natürlich nicht passieren.
    Das wäre etwas für die Heuteshow oder dem Postillion.

    Würden die Mobilfunkanbieter nicht schon seit Jahrzehnten hinter ihren Werbeversprechen hinterherhinken, würde auch eine ganz andere Vertrauensbasis vorliegen und ein anderes Vergabeverfahren. Aber so heißt es weiter in der Hauptstadt: Nur weil LTE angezeigt wird heißt es nicht, dass man Datenaustausch betreiben kann.

    Nichtsdestotrotz hat die Bundesnetzargentur alle Zeit der Welt, da Huawei gerade als Lieferant wegfällt, und Alternativen rar gesäht sind.

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