Özkan Akkilic von Elopage „Morgen stampfe ich die Firma ein“: Auf Fast-Pleite folgt Millioneninvestment

Im Jahr 2015 fanden die beiden Elopage-Gründer zum heutigen Geschäftsmodell ihres Unternehmens, 2018 erreichten sie die Gewinnschwelle.
Berlin „Achtung, hier ist noch Baustelle“, sagt Özkan Akkilic, als der 47-jährige Gründer über den mit Abdeckvlies verklebten Flur vorausläuft. Er will die neu entstehenden Büros zeigen und die riesige Dachterrasse hoch über Berlin-Charlottenburg. 2500 Quadratmeter hat Elopage sich schon mal gesichert, dabei braucht die junge Firma aktuell gerade einmal die Hälfte davon für ihre gut 70 Mitarbeiter. „Baustelle passt auch als Metapher sehr gut zu uns“, sagt Diana Styles, die neue Personalchefin, und folgt Akkilic lachend. Das Start-up hat gerade 32 Millionen Euro Wagniskapital bekommen. Bis Ende des Jahres soll die Firma auf mindestens 150 Mitarbeiter anwachsen.
Einerseits ist das Unternehmen von Özkan Akkilic nur eines von vielen, die im aktuellen Wagniskapitalboom von Investoren mit Millionen versorgt werden. Andererseits ist seine Geschichte doch eine besondere. Und sie zeigt auch, wie viele Menschen und Unternehmungen vom Digitalisierungsschub betroffen sind, von dem seit anderthalb Jahren durch Corona immer wieder die Rede ist.
Elopage hilft Selbstständigen und Unternehmen, digital Produkte zu verkaufen: Onlinekurse und Webinare, E-Tickets und Software zum Beispiel. Nach Angaben von Akkilic ist die Zahl der Elopage-Kunden während der Pandemie um 25.000 auf nun 40.000 Anbieter gestiegen. Bei manchen geht es noch um den Versuch, sich ein digitales Geschäftsmodell oder zumindest einen zusätzlichen Vertriebskanal zu erschließen. Aber es sind auch Medienplattformen unter den Nutzern. Die größte soll 40 Millionen Euro Jahresumsatz machen. Die bekanntesten sind der Burda-Verlag und die Plattform Sport1.
Das Start-up bietet ihnen beispielsweise die nötige Software, um Zahlungen abzuwickeln, Ratenzahlung zu ermöglichen, die digitalen Produkte zuzustellen und Kunden über neue Angebote zu informieren. Das Prinzip von Elopage: Die Nutzer sollen sich nur um ihre eigenen Inhalte kümmern müssen. Abgerechnet wird dann einerseits pro Transaktion, zudem fällt bei einer stärkeren Software-Nutzung eine monatliche Gebühr an.
An den langfristigen Geschäftserfolg glauben nun mehrere Wagniskapitalgeber. Der Großteil der Millionenfinanzierung kommt von Target Global mit Hauptsitz in Berlin, gefolgt von Partech Ventures aus Frankreich und dem amerikanischen Geldgeber Avid Ventures. Sie gehen davon aus, dass in dem von ihnen als „Creator-Wirtschaft“ bezeichneten Segment bereits ein Umsatz von mehr als 32 Milliarden Euro gemacht wird. Auch die Verpflichtung von Diana Styles ist Zeugnis großer Ambitionen: Die Managerin war HR-Bereichsleiterin bei Adidas und zuletzt Personalchefin bei der Neobank N26.
„Hör auf mit deiner Fantasie, und mach wieder, was du kannst“
In anderen Weltregionen sind ähnliche Anbieter wie Elopage schon deutlich größer. Kajabi in den USA hat im Mai umgerechnet fast 470 Millionen Euro eingesammelt und wird mit etwa 1,7 Milliarden Euro bewertet. Zu Beginn der Pandemie wurde die Plattform Teachable, die vor allem in Südamerika erfolgreich ist, Medienberichten zufolge für eine Viertelmilliarde Dollar (213 Millionen Euro) vom Amsterdamer Hotmart gekauft.
„Für mich ist das kein Winner-takes-it-all-Markt“, sagt die Target-Investorin Bao-Y van Cong zu ihrer Investmenthypothese. Es gehe um einen sehr großen Markt, der rasant wachse. Elopage hebe sich zudem unter anderem durch seine Konformität mit der Datenschutzgrundverordnung und der Expertise bei hiesigen Steuerbestimmungen ab. Bis 2025, so die Erwartung der Investoren, sollen eine Million Unternehmer auf Elopage aktiv sein.
Solche Prognosen bedeuten auch eine fast unglaubliche Wendung im Leben von Özkan Akkilic. Viele Jahre hatte der in Moabit aufgewachsene Unternehmer mit seinem Bruder Tamer Akkilic zahlreiche Gastronomien in Berlin gemanagt. Aber: „Ich habe mich nie dafür interessiert, welche Gerichte wir anbieten“, sagt der Elopage-Gründer heute. Sein Fokus habe auf den Kassensystemen gelegen, auf der Interaktion mit den Kunden, auf der Optimierung der Prozesse. Ab 2012 startete er den ersten Versuch, eine neue Tech-Firma aufzubauen. Eine App sollte Nutzern ermöglichen, sich gegenseitig unkompliziert Geld zu überweisen. Aber Akkilic kam mit seinen Ideen immer etwas zu spät im Vergleich mit dem US-Anbieter Paypal. Investoren gaben ihm keine Chance. 2015 war sein Erspartes aufgebraucht.
„Meine Frau hat gesagt: Hör auf mit deiner Fantasie, und mach wieder, was du kannst“, erzählt Akkilic. Am Bett seines kleinen Sohns habe ihn immer wieder das schlechte Gewissen gepackt. „Dann dachte ich, du willst ihm ein guter Papa sein, morgen stehe ich auf und stampfe die Firma ein.“ Doch am nächsten Morgen sei der Glaube an die eigenen Ideen wieder da gewesen.
Im Jahr 2015 fand er zusammen mit Elopage-Mitgründer Tolga Önal zum heutigen Geschäftsmodell, 2018 erreichten sie die Gewinnschwelle. „Bei unserer ersten Transaktion 2016 habe ich meinen Papa angerufen und gesagt: Wir haben die ersten 50 Cent verdient“, sagt Akkilic. Er hofft, dass seine Kunden mithilfe von Elopage ähnliche Erfahrungen machen können.
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