Orca Security Vom Angreifer zum Verteidiger: So will Avi Shua die Cloud-Nutzung sicherer machen

Seine Karriere im Cyber-Themengebiet begann der Gründer bei der militärischen Eliteeinheit 8200, die für Cybersicherheit und digitale Spionage zuständig ist.
Tel Aviv Avi Shua ist ein Senkrechtstarter. Sein vor zwei Jahren gegründetes Cybersecurity-Start-up Orca Security, das soeben seine C-Finanzierungsrunde ausgeweitet hat und jetzt mit 1,8 Milliarden Dollar bewertet ist, hat die Einnahmen in diesem Jahr bis September um 800 Prozent gesteigert. Im vergangenen Jahr waren es 1000 Prozent.
„Wir sind das am schnellsten wachsende Cyberunternehmen“, sagt der Israeli im Zoom-Interview mit dem Handelsblatt. Das rasante Wachstum ist natürlich zunächst einmal auf den Basiseffekt zurückzuführen: Wenn die anfänglichen Einnahmen gering sind und dann wachsen, fällt der prozentuale Zuwachs schnell sehr hoch aus.
Aber auch in absoluten Zahlen ist das Wachstum bei Orca beachtlich. Immerhin hat das junge israelisch-amerikanische Unternehmen inzwischen mehr als 200 Arbeitnehmer unter Vertrag, vor einem Jahr waren es erst 30.
Die Firma, schätzt Shua, sei beim Marktanteil global bereits unter den Top 7. Zu seinen „weit über 100 Kunden“ zählt er in Deutschland unter anderem den Autozulieferer ZF Friedrichshafen, in den USA die New York Times und das Medienkonglomerat News Corp. In Deutschland und Österreich, so der 39-Jährige, wolle Orca künftig „dramatisch schnell“ wachsen. Bis Ende 2022 sollen zehn lokale Mitarbeiter verpflichtet werden.
Der nächste Wachstumsschritt sei ein Börsengang, meint Shua. Der IPO stehe aber nicht unmittelbar bevor. Denn derzeit verfüge die Firma über genügend Mittel auf dem Bankkonto und habe ausreichend Zugang zu Kapital.
Datenschutz wird in Clouds oft vernachlässigt
Weil immer mehr Aufgaben in Clouds verlagert werden, steigen die Anforderungen an die Datensicherheit sprunghaft. Fast zwei Drittel der sensiblen Unternehmensdaten finden sich laut einem Report von McAfee in Business-Anwendungen wie Office 365, Salesforce oder bei Cloud-Anbietern wie AWS respektive Microsoft Azure.
Der Schutz der Daten wird dabei oft vernachlässigt: Bei über 80 Prozent der Unternehmen gibt es mindestens einen über das Internet zugänglichen Cloud-Workload – also eine Serviceeinheit –, bei dem das Betriebssystem ungesichert oder veraltet ist, heißt es im „2020 State of Public Security Report“ von Orca Security.
Die Autoren des Berichts haben mehr als 300.000 Public-Cloud-Instanzen auf Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud Platform gescannt. In fünf Prozent der untersuchten Fälle war mindestens ein Workload lediglich mit einem schwachen oder geleakten Passwort abgesichert. In 19 Prozent der Fälle verwendeten Angestellte private E-Mail-Konten, um auf Firmenressourcen in der Cloud zuzugreifen.
Shua nimmt für sich in Anspruch, diese Sicherheitsprobleme lösen zu können. Der Umgang mit Orca-Produkten solle für Kunden so einfach sein wie das Nutzen einer App auf einem Smartphone, sagt Shua, der Computer-Science und Philosophie studiert hat. „Unsere Technologie erfordert keine Softwareinstallationen in der Cloud-Umgebung, die in den allermeisten Fällen in Unternehmen nicht ordnungsgemäß installiert sind.“
Orca biete innerhalb von Minuten einen vollständigen Schutz – im Gegensatz zu anderen Produkten auf dem Markt, bei denen es mehrere Wochen dauere, bis der Schutz funktioniere. Orcas Lösung überlaste das System nicht, da sie Tausende von Sicherheitswarnungen priorisiere und filtere, um die kritischsten zu finden.
„Große Firmen tun sich schwer mit einem Paradigmenwechsel“
Seine Karriere im Cyber-Themengebiet begann Shua bei der militärischen Eliteeinheit 8200, die für Cybersicherheit und digitale Spionage zuständig ist. Beim israelischen Gegenstück zur NSA war er zehn Jahren lang in Schlüsselpositionen im „offensiven Teil“ (Shua) von 8200. „Heute mache ich im Zivilleben genau das Gegenteil“, sagt Shua: „Ich greife nicht an, sondern verteidige vor Cyberangriffen.“
Bevor er Orca mitgründete, war Shua Cheftechnologe bei Check Point, dem israelisch-amerikanischen Anbieter von Software sowie kombinierten Hardware- und Softwareprodukten für IT-Sicherheit. Dort entwickelte und skalierte er Cybersicherheitslösungen, die bis heute Zehntausende von Unternehmen schützen.
Aber mit dem Aufkommen der Clouds stellte er fest, dass in der neuen Umgebung die verfügbaren Lösungen nicht genügten. Sie seien kompliziert und die Installation zeitaufwendig gewesen. Sie sandten zudem laut Shua viele irrelevante Warnmeldungen aus: „Man kann keine Eindringlinge finden, wenn die Meldung unter Millionen von irrelevanten Meldungen begraben ist.“
Bei Check Point sei es schwierig gewesen, dem Trend zur Cloud Rechnung zu tragen, sagt er: „Große Firmen tun sich schwer mit einem Paradigmenwechsel.“ Orca Security verspricht, Sicherheitsrisiken zu priorisieren, damit sich der Schutz vor Hackern aufs Wesentliche konzentrieren könne.
Sein Unternehmen hat Shua nach dem Schwertwal benannt, weil dieser mit seinen hochsensiblen Sensoren die Umgebung auskundschaftet, ohne sie zu berühren. Und Orcas, meint Shua, seien ihm aus einem weiteren Grund Vorbild: Sie können in allen Ozeanen der Welt unterwegs sein.
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