Personalsoftware Sechs Milliarden Dollar Bewertung: Personio wird zum zweitwertvollsten deutschen Start-up

2015 hat Renner das Start-up gegründet.
München Erst im Januar hatte das Personalsoftware-Start-up Personio den Aufstieg zu einem Einhorn mit einer Milliardenbewertung geschafft. Jetzt gelang Gründer Hanno Renner der nächste Meilenstein: In einer neuen Finanzierungsrunde sammelte die Münchener Firma weitere 270 Millionen Dollar ein und wurde mit einer Bewertung von mehr als sechs Milliarden Dollar zum zweitwertvollsten deutschen Start-up hinter Spitzenreiter Celonis.
Das Kapital aus der Finanzierungsrunde von Anfang des Jahres hat Personio dabei längst noch nicht ausgegeben. „Wir haben nun aber die Sicherheit, unsere Geschäftsstrategie bis 2023 ohne Ablenkung in Ruhe umsetzen zu können“, sagte Renner dem Handelsblatt.
Er kündigte zudem eine Erweiterung des Geschäftsmodells an. Personio will künftig auch Prozesse wie Krankschreibungen und Einstellungen über die Personalabteilung hinaus automatisieren.
Seit der Gründung vor sechs Jahren hat Personio nun mehr als eine halbe Milliarde Dollar eingesammelt. Die Finanzierungssituation ist derzeit für hoffnungsvolle Start-ups sehr gut, weil viel Geld im Markt unterwegs ist.
Celonis hatte Mitte des Jahres eine Milliarde Dollar eingeworben. Der Process-Mining-Spezialist kam damit als erstes deutsches Start-up auf eine Bewertung von mehr als zehn Milliarden Dollar und trägt nun den Titel eines Decacorns. Demnächst könnte zudem N26 in Sachen Bewertung Personio wieder vom zweiten Platz verdrängen, wenn die jüngste Finanzierungsrunde offiziell bekanntgegeben wird.
Eine Art SAP für Personaler im Mittelstand
Personio hat eine Standardsoftware für die Personalverwaltung von kleinen und mittelständischen Unternehmen entwickelt. Ziel ist es, eine Art SAP für Personaler in Firmen mit bis zu 2000 Mitarbeitern zu werden. Als potenzielle Kunden sieht Personio 1,7 Millionen Firmen in Europa.
„Im laufenden Jahr haben wir das Wachstum noch einmal um 30 Prozent beschleunigt“, sagt Renner. 2020 hatten sich die Erlöse laut Branchenschätzungen auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in etwa verdoppelt.
In diesem Jahr könnte das Wachstum also etwa 130 Prozent betragen. 2022 will Personio dann die 100-Millionen-Euro-Marke durchbrechen. „Wir bedienen mit unserem Bestand von 5000 Kunden gerade einmal 0,3 Prozent des potenziellen Marktes“, sagt Renner. „Es gibt keinen Grund, warum wir die Erlöse nicht noch einmal verzehnfachen sollten.“
Es gibt zwar Konkurrenten wie zum Beispiel HRworks. Doch bietet der Markt allen Anbietern große Chancen, weil viele Mittelständler noch gar keine Softwarelösungen haben und zum Beispiel mit Excel-Tabellen arbeiten. „Personio hat einen gewissen Hype in das Marktsegment gebracht. Dadurch wird sichtbar, wie attraktiv die Branche ist“, sagt Markus Schunk, CEO von HRworks.
Das sehen Investoren ähnlich und stehen daher Schlange, um beim Marktführer Personio einzusteigen. Die Series-E-Runde wurde nun von Greenoaks Capital Partners angeführt.
Weiteres Kapital kommt von Altimeter Capital und Alkeon Capital. Auch die bisherigen Geldgeber wie Index Ventures, Accel, Meritech, Lightspeed, Northzone and Global Founders Capital beteiligten sich ebenfalls an der Finanzierungsrunde.
Greenoaks-Gründer Neil Mehta sagt, kleine und mittlere Unternehmen seien zu lange von den etablierten Anbietern vernachlässigt worden. „Personio demokratisiert Technologie, die bislang Großunternehmen vorbehalten war.“
Top Ten in Europa
Im Januar war Personio noch mit 1,7 Milliarden Dollar bewertet worden, nun waren es 6,3 Milliarden Dollar. Damit dürfte die Firma auch zu den Top Ten in Europa gehören. Die hohe Bewertung hilft nach Einschätzung Renners insbesondere bei der Wahrnehmung durch junge Talente.
An die Betriebssysteme von Personio lassen sich auch andere Softwaremodule andocken. Im Kern geht es um cloudbasierte Lösungen zum Beispiel für das Bewerbermanagement und die Urlaubsplanung.
Zu den Kunden gehören auch andere Start-ups. „Wenn wir uns die HR-Prozesse bei – insbesondere schnell wachsenden – Start-ups heute ansehen, ist Personio nicht mehr wegzudenken“, sagt Carsten Rudolph, Geschäftsführer des Investorennetzwerks BayStartup. Effizienz gerade im Recruiting sei für diese extrem wichtig.
Nach der neuen Finanzierungsrunde will Personio mit der neuen Softwarekategorie „People Workflow Automation“ die Funktionalität deutlich erweitern. Es soll kleineren Unternehmen ermöglichen, bislang manuell ausgeführte Prozesse wie Beförderungen, Kündigungen oder Krankschreibungen zu automatisieren und Status und Verzögerungen über ein Workflow Hub im Blick zu behalten.
Wenn sich ein Mitarbeiter zum Beispiel per App krankmeldet, können seine Termine im digitalen Kalender gleich gestrichen und der Vorgesetzte informiert werden. Gibt es nach einer Bewerbung grünes Licht für eine Einstellung, wird automatisch ein Vertragsentwurf erstellt und dem Zuständigen für die digitale Unterschrift zugestellt.
„Projekte, die bislang aus diversen manuellen Aufgaben über Abteilungsgrenzen hinweg bestanden, können so von HR-Teams ganz einfach gemanagt werden“, heißt es bei Personio. In die neue Softwareplattform werden Lösungen wie Slack und MS Teams integriert.
Personio stockt selbst Führungsriege auf
In den vergangenen anderthalb Jahren hatte Personio auch seine Führungsriege aufgestockt: So wechselte Ross Seychell als neuer „Chief People Officer“ von Transferwise zu Personio. Als „Chief Revenue Officer“ kam die Ex-Dropbox-Europachefin Geraldine MacCarthy dazu. Und den Posten des Finanzvorstands übernahm Birgit Haderer, zuvor bei Zalando.
Renner hatte das Unternehmen 2015 gemeinsam mit Roman Schumacher, Ignaz Forstmeier und Arseniy Vershinin gegründet. Das Start-up entstand aus einem Programm des Center for Digital Technology and Management (CDTM) der TU und der LMU München heraus. Der sportliche Manager – in diesem Sommer fuhr er mit dem Mountainbike über die Alpen, nun freut er sich auf die Skitourensaison – hofft, trotz der immer neuen Größendimensionen den Charakter des Start-ups bewahren zu können.
Zwar habe das Unternehmen inzwischen 1000 Mitarbeiter. Doch versuche man, die Hierarchien flach zu halten. „Neue Kolleginnen und Kollegen sagen, es fühlt sich noch stark nach einem Start-up an“, sagt Renner.
Mittelfristig hat Personio einen möglichen Börsengang im Visier. „Das wird aber nicht vor 2023 passieren, und auch dann ist es nur eine Option“, so Renner. Die neuen Investoren seien sehr langfristig orientiert und hätten keinen Druck für einen schnellen Exit.
Ob ihm angesichts der hohen Bewertung nicht manchmal schwindlig wird? Das Unternehmen habe bislang viel Stabilität gezeigt und die Prognosen immer eingehalten oder übererfüllt. „Die neue Bewertung setzt uns nicht unter Druck.“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.