Quartalszahlen Diese Schwächen zeigt Facebook

Facebook hat im vergangenen Quartal die Marke von 2,5 Milliarden aktiven Nutzern erreicht.
Düsseldorf Andere Unternehmen würden sich freuen, wenn sie ein Umsatzwachstum von 25 Prozent für ein Quartal bekanntgeben könnten. Für Facebook ist es ein Alarmsignal. Noch nie seit dem Börsengang vor acht Jahren hat der Digitalkonzern in einem Quartal so schwach zugelegt. Bei der Vorstellung der Zahlen für das Schlussquartal 2019 warnte Facebook-Finanzchef David Wehner zudem, der Zuwachs werde sich in diesem Jahr weiter verlangsamen.
Jahrelang hat Facebook Anleger, Kunden und Investoren begeistert. Nun brechen schwierigere Zeiten an. Der Konzern mit den Diensten Facebook, Messenger, Instagram und WhatsApp wächst zwar weiter. Ende 2019 loggten sich 2,89 Milliarden Nutzer mindestens einmal im Monat in einen der Dienste ein – neun Prozent mehr als im Vorjahr. Aber es offenbaren sich immer mehr Schwächen.
Aufgrund gleich mehrerer Datenskandale gehen Behörden strenger gegen Facebook vor. Lange ignorierte Firmengründer und CEO Mark Zuckerberg die Folgen der Skandale. Heute gesteht er selbst ein, dass die strengere Beobachtung der Regierungen unmittelbare Auswirkungen auf das Geschäft des Unternehmens haben werde.
Der Konzern verdient sein Geld bisher fast ausschließlich mit personalisierter Werbung. Dieses Geschäft dürfte in den nächsten Jahren deutlich schwieriger werden.
Zuckerberg hat schwierige Monate vor sich. Amerikanische Geheimdienste halten es für erwiesen, dass sich Russland mittels Manipulationen in den sozialen Netzwerken in die Präsidentenwahl von 2016 eingemischt hat.
Facebook sei nun stark auf die Integrität der Wahlen fokussiert, sagte Zuckerberg. „Ich bin stolz auf den Fortschritt, den wir bei der Prävention von ausländischer Einflussnahme gemacht haben“, sagte er. 2016 sei Facebook im Rückstand gewesen, räumte Zuckerberg ein.
Nicht nur die Reaktionen der Behörden sind ein Problem für Facebook. Auch das Geschäftsmodell zeigt Schwächen. Facebook büßt bei vielen Nutzern an Bedeutung ein, im Kernprodukt gelingt es der Firma kaum noch, jüngere Kunden zu erreichen, und ausgerechnet in den besonders lukrativen Märkten sinkt das Wachstum.
Nutzungsdauer sinkt
Neue Nutzer gewinnt Facebook vor allem in Schwellenländern wie Indien, Indonesien und den Philippinen – und weniger in Europa, den USA und Kanada, sagte Zuckerberg.
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Laut dem Marktforschungsinstitut eMarketer schrumpft schon heute die Facebook-Nutzung in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Japan und Südkorea.
Das Problem: Für Facebook sind nicht alle Nutzer gleich viel wert. In den Industrieländern lässt sich mehr Geld mit Werbung verdienen. So machte Facebook im vergangenen Jahr einen Erlös von durchschnittlich 41,41 Dollar pro Nutzer in den USA. Über ganz Europa hinweg lag die Kennziffer lediglich bei 13,21 Dollar, wobei sie für Westeuropa näher am US-Niveau zu verorten sei, sagte Finanzchef David Wehner am Dienstag.
Wie viel Geld sich pro Nutzer verdienen lässt, hängt auch von der Zeit ab, die sie auf Facebook verbringen. Auch zu dieser relevanten Kennziffer hält sich das Unternehmen selbst allerdings bedeckt, während die Analysten von eMarketer negative Entwicklungen beobachten: 33,9 Minuten pro Tag haben Facebook-Nutzer in den USA demnach 2019 auf der Plattform verbracht, 36,29 Minuten waren es im Jahr zuvor – ein Rückgang um 6,6 Prozent.
Kosten steigen
Für das Schlussquartal und das Gesamtjahr 2019 fielen die Konzernzahlen bei alledem allerdings noch leicht besser aus als von den Analysten erwartet. So meldete Facebook für das Schlussquartal einen Umsatz von 21,1 Milliarden Dollar (etwa 19 Milliarden Euro). Für das Gesamtjahr konnte Facebook einen Umsatz von 70,7 Milliarden verzeichnen. Der Gewinn stieg im vierten Quartal auf 7,3 Milliarden – ein Plus von sieben Prozent im Vorjahresvergleich.
Bei der operativen Rendite musste Facebook Abstriche machen, die Kosten steigen auch durch einen großen Bedarf an neuen Mitarbeitern. Zum Jahresende waren knapp 45.000 Menschen bei Facebook beschäftigt, 26 Prozent mehr als noch Ende 2018.
Die Anleger reagierten prompt: Der Aktienkurs fiel im nachbörslichen Handel zunächst um mehr als sieben Prozent. Mit den Quartalszahlen gab Facebook auch bekannt, dass es im US-Bundesstaat Illinois 550 Millionen Dollar zahlt, um eine Verbraucher-Sammelklage beizulegen. Die Kläger hatten Facebook vorgeworfen, biometrische Daten der Nutzer ohne deren Wissen erhoben zu haben. Das verstoße gegen das Gesetz.
Ärger mit seinen Nutzern kann Facebook sich eigentlich nicht mehr erlauben. Der Nutzungsrückgang in fünf wichtigen Ländern setze die Plattform „noch mehr unter Druck, wertvolle Nutzer in den Industrieländern zu halten und gleichzeitig dort zu wachsen, wo es in den Entwicklungsländern noch möglich ist“, sagte eMarketers Hauptanalystin Debra Aho Williamson. Und vor allem bei jungen Menschen ist Facebook längst nicht mehr so angesagt.
Wenn der Facebook-Konzern Instagram nicht hätte, würde er im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. Auch das geht zwar nicht aus den Konzernzahlen, wohl aber aus den Ergebnissen der Marktforschung hervor: Nach eMarketer-Schätzungen wird Facebook zwischen 2019 und 2023 in den USA jeweils 1,2 Millionen Nutzer zwischen zwölf und 17 Jahren sowie in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen verlieren. Noch hat das Netzwerk dort 9,9 Millionen beziehungsweise 20 Millionen Nutzer in diesen Altersgruppen.
Zwar wandern diese Nutzer laut den Marktforschern einfach zu Instagram weiter. Doch für Entspannung sorgt das nicht. Um die jüngsten Nutzer herrscht nämlich tatsächlich Wettbewerb: Das Netzwerk Snapchat werde bei den Nutzern dieser Altersgruppen mit Abstand die beliebteste Plattform bleiben, schätzt Analystin Williamson. Und auch TikTok erfreut sich immer größerer Beliebtheit.
Mit den Nutzern wandern auch die Anzeigenkunden. Deshalb muss sich Facebook vor allem Gedanken machen, wie es auf Instagram Geld verdienen kann. Während das Geschäft mit personalisierter Werbung unattraktiver wird, versucht sich Facebook auf Instagram in einem noch recht neuen Feld. In dem Netzwerk, in dem Nutzer vor allem Bilder und kleine Videos posten, können Anzeigenkunden ihre Produkte direkt verlinken.
In den USA wurde im vergangenen Jahr eine Funktion getestet, über die Nutzer diese Produkte mit einem Klick bestellen konnten: Sie werden nicht mehr auf die Seite des Anbieters weitergeleitet, sondern geben ihre Zahlungsdaten direkt bei Instagram ein und können dort auch den Versandprozess verfolgen. Das begünstigt Affektkäufe.
Hoffnung Onlineshopping
Ergebnisse aus diesen Versuchen wurden von Analysten mit Spannung erwartet. Viel erfuhren sie allerdings nicht. Es sei noch zu früh, um über Erkenntnisse zu sprechen, sagte Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Man arbeite hart daran, das Produkt zu verbessern und es auch auf mehr Unternehmen auszudehnen – aber sehr, sehr langsam.
In Zeiten, in denen Facebook von Kartellaufsehern weltweit unter die Lupe genommen wird und scharfe Kritik an seiner Idee zu einer globalen Internetwährung erfahren hat, könnte das auch eine sehr bewusste Entscheidung sein.
Laut den Schätzungen von eMarketer hat Facebook 2019 bis zu 15,01 Milliarden Dollar seines Nettoerlöses mit Werbung auf Instagram erzielt. Das entspricht bereits 4,5 Prozent des weltweiten Digitalwerbemarktes. Über alle Kanäle hält Facebook nach Schätzungen von eMarketer ein Fünftel am Online-Werbegeschäft.
Allerdings ist es dem Konzern bisher nicht gelungen, den Chatdienst WhatsApp mit Anzeigen zu bespielen. Die Pläne dazu liegen offenbar auf Eis. Im laufenden Jahr muss sich Facebook also einiges einfallen lassen.
Mehr: Wie Facebook und die anderen Techkonzerne gegen die Vertrauenskrise ankämpfen.
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