Raumfahrt „Viele haben das damals belächelt“ – Weltraumbahnhof in Nordsee gewinnt erste Kunden

Von einem umgerüsteten Schiff können kleinere Raketen in den Weltraum geschickt werden.
Düsseldorf Großes Kino beim Bund Deutscher Industrie in Berlin (BDI): An diesem Montag haben Wirtschaftsminister Peter Altmaier und BDI-Chef Siegfried Russwurm den Startschuss für eine Raketenplattform in der deutschen Nordsee gegeben.
Die German Offshore Spaceport Alliance (Gosa) betreibt den Nordsee-Weltraumbahnhof. Die Allianz schloss Kundenverträge mit vier Raketenfirmen: Neben den deutschen Firmen Rocket Factory Augsburg und Hyimpulse wollen auch T-Minus aus den Niederlanden und Skyrora aus Großbritannien die Plattform nutzen.
Das ist ein wichtiger Schritt für ein Vorhaben, das noch vor zwei Jahren bei der Vorstellung für einige Skepsis gesorgt hatte. „Viele haben das damals belächelt“, sagte Russwurm, „und ich gebe zu, dass ich damals auch die Augenbrauen hochgezogen habe.“
Die Plattform ist allerdings weniger „Science-Fiction“, als man denkt. Die Idee wird in China oder von der amerikanischen Weltraumfirma Space X bereits umgesetzt. Ein Raketenstart auf dem Meer ist aus technischen und rechtlichen Gründen deutlich einfacher durchzuführen.
Die vorgestellten Kunden sind alle sogenannte Microlauncher. Sie stellen relativ kleine Raketen her, die pro Flug Lasten von 500 bis 1000 Kilogramm Gewicht, und somit etwa Kleinsatelliten, in den Weltraum tragen können. Zum Vergleich: Die kleinste Falcon-Rakete des US-Unternehmens SpaceX von Elon Musk befördert 23 Tonnen pro Flug.
Grünes Licht steht noch aus
Allerdings fehlen noch die Genehmigungen für den Betrieb der Plattform. Die Anwesenheit von Altmaier zeigte das Wohlwollen der Bundesregierung, wenn auch nicht das Bundeswirtschaftsministerium über eine Genehmigung entscheidet. Die Plattform muss sowohl grünes Licht vom Bundesluftfahrtamt als auch dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie einholen. Beide Ämter liegen beim Bundesverkehrsministerium.
„Die Industrie hat ihre Hausaufgaben gemacht“, sagte Russwurm. „Jetzt liegt es an der Politik, diese einmalige Chance zu ergreifen und Mut und Engagement der Wirtschaft aktiv zu flankieren, besonders durch Aufträge an die Unternehmen.“
Die deutsche Raumfahrtfirma OHB ist eines der Unternehmen, die den Plan maßgeblich vorantreiben. Die anderen Firmen in der Gosa-Allianz sind die Reederei Harren & Partner, der Telekomdienstleister Media Mobil GmbH, der Offshore-Experte Tractebel DOC, das Versicherungsunternehmen Lampe & Schwartze und die Logistikfirma BLG Logistik. OHB-Chef Marco Fuchs sagt: „Startplätze auf dem Meer haben den großen Vorteil, dass sie weniger Risiken für Mensch und Material bedeuten.“
So entfallen beispielsweise aufwendige Exportgenehmigungen, die deutsche Raketenhersteller selbst für einen Start im EU-Ausland einholen müssen. Auch gibt es in Deutschland kaum noch Gebiete, die so dünn besiedelt sind, dass Anwohner bei einem Raketenstart nicht gestört würden.
Der „Weltraumbahnhof“ soll nach den Plänen der Gosa ein umgerüstetes Schiff sein, das als mobile Startrampe dient. Erfahrungen aus dem Transport und dem Aufbau von Offshore-Windrädern in der Nordsee will das Konsortium nutzen.
Interesse an den Orbits nimmt deutlich zu
Ein Raketenstart würde so funktionieren: Die 20 bis 30 Meter langen Raketen werden mit einem umgerüsteten Schiff aus Bremerhaven an die Startposition am Rande der deutschen Außenwirtschaftszone gebracht werden. Die Strecke ist ungefähr 460 Kilometer lang.
Dort können die Raketen Satelliten in sogenannte polare Umlaufbahnen befördern, die synchron zur Sonne kreisen. Das Interesse an den Orbits nimmt deutlich zu, Unternehmen und Länder platzieren dort auf einer relativ niedrigen Höhe von 500 bis 700 Kilometern Kommunikations- und Beobachtungssatelliten, sogenannte Konstellationen.
Diesen Markt bedienen die Microlauncher. Allerdings können sie bislang Kleinsatelliten nur von den altbekannten Startplätzen in den USA, Russland und Französisch-Guayana ins All befördern. Die Hersteller müssen auf den jeweils nächsten Start einer Ariane- oder Falcon-Rakete warten und ihre Satelliten dann als Zuladung anbringen.
Das ist teuer und aufwendig, auch weil für das Verschicken der Satelliten an die weit entfernten Auslandsstartplätze Exportgenehmigungen für sicherheitssensible Güter nötig sind. Zudem fliegen die Großraketen meist nicht die polaren und sonnensynchronen Plätze im Orbit an.
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