Softwarekonzern Warum so viele SAP-Kunden bei S/4 Hana noch zögern

er Softwarekonzern tut einiges, um die Einführung von S/4 Hana zu erleichtern.
Düsseldorf Wie wichtig S/4 Hana für SAP ist, lässt sich an den Quartalsberichten ablesen. Der Softwarehersteller informiert immer genau, wie viele Firmen einen Vertrag für die Software abgeschlossen haben, und hebt prominente Namen vor – solche Details nennt er bei anderen Produkten in der Regel nicht. Das Signal an die Investoren: Das Programmpaket, das bei der Steuerung von Geschäftsprozessen zum Einsatz kommt, ist ein voller Erfolg.
Die Realität ist komplizierter. Tatsächlich hat SAP der der Einführung vor vier Jahren mehr als 11.500 Kunden gewonnen. Allerdings läuft das Programm bislang erst bei 3180, wobei ein Teil von ihnen es wohl nur in einzelnen Geschäftsbereichen oder Landesgesellschaften nutzen dürfte. Weitere 3500 führen die Software derzeit ein, wie der Anbieter mitteilt. Knapp die Hälfte hat bislang nur die Lizenzen erworben, teils zu einem symbolischen Preis.
Ein Großteil der SAP-Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz plant zwar laut einer Umfrage mit S/4 Hana, will sich aber noch Zeit lassen – so wollen 39 Prozent den Umstieg in den nächsten drei Jahren vollziehen, weitere 30 Prozent erst danach.
Die Gründe fürs Zögern sind vielfältig. So haben andere Projekte wie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle derzeit höhere Priorität, hört Ralf Peters, Vorstandsmitglied bei der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), häufig von Mitgliedern. Die Erhöhung der Produktivität, wie sie das System verspricht, mag wichtig sein – aber andere Dinge sind derzeit noch wichtiger.
Hinzu kommt: Die IT-Chefs und Vorstände haben Respekt vor der Umstellung. „Viele Kunden bemerken gerade, dass sie bei solchen Projekten größer denken müssen“, erklärt DSAG-Vorstand Peters. So gelte es vor der Einführung der neuen Software, die eigenen Geschäftsprozesse zu überprüfen und den Datenbestand zu sortieren.
Geschieht das nicht, kann die Einführung ins Chaos führen – die gescheiterte Einführung eines Warenwirtschaftssystems beim Discounter Lidl gilt als warnendes Beispiel.
Ein weiterer Faktor: Es ist offenbar nicht so leicht, einen geeigneten Dienstleister zu finden, der das komplexe Projekt begleitet. „Wir sehen am Markt einen hohen Bedarf nach S/4-Hana-Implementierungen“, berichtet Stephan Hutter, der bei Deloitte als Partner den Bereich „Enterprise Applications“ leitet, zu dem auch das SAP-Geschäft zählt.
Die Technologie hat für Deloitte hohe Priorität, weltweit werden intensiv Mitarbeiter geschult. Sie hat nach eigenen Angaben mittlerweile 18 000 Berater, die sich mit S/4 Hana auskennen. Auch andere IT-Dienstleister investieren massiv ins Personal. Nach einer Studie des Analysehauses Gartner stehen weltweit mehrere Zehntausend Spezialisten bei IT-Dienstleistern bereit – beispielsweise rund 11 000 bei Accenture, 18 000 bei IBM und mehr als 5.000 bei SAP selbst.
Die hohen Zahlen täuschen allerdings. „Der Markt ist eng“, sagt DSAG-Vorstand Peters. „Gute Berater, die die strategische Entwicklung beherrschen, sind nicht so häufig.“ Das gelte besonders für S/4 Hana, das sich von der Vorgängerversion R/3 deutlich unterscheide. „Es gibt viele, die einen Kurs gemacht haben, aber damit ist es nicht getan. Man darf nicht unterschätzen, was Erfahrung bedeutet.“
Bei SAP ist das Problem bekannt. Der Softwarekonzern tut einiges, um die Einführung von S/4 Hana zu erleichtern. Er bündelt seit 2018 über das Programm „Movement“ verschiedene Werkzeuge, Dokumentationen und Beratung, um Kunden und Partnern zu helfen. Ein „Transformation Navigator“ erklärt beispielsweise, welche Schritte bei der Einführung zu tun sind. Und bei der Anpassung von Systemen können sich Unternehmen an Modellen für verschiedene Branchen orientieren.
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