Soziales Netzwerk zum Hören Clubhouse: Was steckt hinter der neuen Hype-App?

Christian Lindner hat schon mitdiskutiert und die als Start-up-Investoren engagierten Fußballprofis Mario Götze und André Schürrle haben sich auch bereits registriert: Die neue Trend-App Clubhouse ist jetzt auch in Deutschland angekommen.
San Francisco, Düsseldorf Die deutsche Gründer- und Venture-Capital-Szene (VC) ist am Wochenende binnen weniger Stunden ins Clubhouse eingezogen. In den sozialen Netzwerken entstand große Aufregung um die Smartphone-App, die bisher allerdings nur für das iPhone verfügbar ist und darüber hinaus viele Menschen ausschließt: Denn man kommt nur mit Einladung rein – ein Teil des Erfolgsgeheimnisses.
Das Programm eines Start-ups aus San Francisco ist eine soziale Audio-Plattform, auf der Menschen in sogenannten Räumen live diskutieren können – eine Mischung aus Radio-Talkshow und Twitter-Diskussion. Investoren wie Frank Thelen, bekannt aus der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“, und Politiker wie FDP-Chef Christian Lindner haben sich dort bereits an Gesprächen beteiligt.
In den deutschsprachigen Rede-Runden ging es vor allem um Tipps für die Investorensuche, das Verhältnis zwischen Gründern und Geldgebern und die besten Finanzierungsmodelle. Dabei schwankte die inhaltliche Qualität zwischen weiterführenden Diskussionen und Selbstbeweihräucherung.
Für viel Aufmerksamkeit in der Start-up-Szene und darüber hinaus sorgte Sonntagabend der „VC-Talk – Insights in die europäische VC-Szene“, dem zwischenzeitlich rund 700 Menschen zuhörten – darunter die als Start-up-Investoren engagierten Fußballprofis André Schürrle und Mario Götze und Fernsehmoderator Joko Winterscheidt.
Auf dem Panel diskutierten unter anderem die Gründer des Erotikshops Amorelie, Lea-Sophie Cramer und Sebastian Pollok, die heute beide als Investoren tätig sind, und der Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups und Eventures-Investor, Christian Miele.
Bis vor knapp zwei Wochen gab es so gut wie keine deutschsprachigen Runden auf der Plattform. Besonders in der Gründerszene wurde Clubhouse während der vergangenen Woche allerdings schlagartig populär. Dort wurde fleißig für das Portal geworben. Am Wochenende erhielt die Plattform dann sehr großen Zulauf in Deutschland. Konkrete Nutzerzahlen sind noch nicht bekannt.
Clubhouse: Rein kommt man nur mit Einladungs-Code
Auch einige Politiker entdeckten Clubhouse am Wochenende für sich. Ganz vorne mit dabei: Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU). Sie diskutierte unter anderem mit dem Gründer von About You, Tarek Müller, und Tijen Onaran, Chefin des Netzwerks Global Digital Women, zu der Frage: „Wird 2021 das Diversity-Jahr?“
Dabei ist es nicht besonders einfach, die im März 2020 gestartete App überhaupt zu nutzen. Aktuell ist sie nur in Apples App Store verfügbar, zudem muss ein neuer Nutzer von einem anderen Nutzer ins Clubhouse eingeladen werden.
Doch das ist zugleich Teil des Erfolgskonzepts. Einerseits hat die App einen exklusiven und elitären Charakter. Andererseits werden die Mitglieder sowohl von den Machern von Clubhouse als auch von den Moderatoren einzelner Gruppen angehalten, ihre Profile auf anderen Plattformen zu verknüpfen und dort die Inhalte der Gespräche zu kommentieren. So entsteht bei vielen Menschen in Netzwerken wie LinkedIn, Twitter und Instagram der Wunsch, schnellstmöglich auch Teil der Gemeinschaft zu werden und mitreden zu können.
Bei Ebay-Kleinanzeigen wurden die Einladungen teilweise für 50 Euro gehandelt. Denn aktive Mitglieder dürfen nur eine kleine Anzahl neuer Kontakte hinzufügen. Auf Twitter kursieren öffentliche Listen, in denen sich deutsche Interessenten für regional aufgeteilte Telegram-Gruppen eintragen können, um einen Einladung zu erhalten. Dafür werden sie dann gebeten, den nächsten auf der Liste einzuladen.

Der Diskussionsrunde „VC-Talk – Insights in die europäische VC Szene“ hörten am Sonntag zwischenzeitlich rund 700 Menschen zu.
Daniel Stammler, Gründer des Gaming-Start-ups Kolibri, ist seit Samstag registriertes Mitglied. Als Konsument könne man „sehr leicht durchzappen wie im TV“, man treffe sehr nette Leute in einem ungezwungenen Umfeld.
Die Begeisterung erklärte er auch mit der besonderen Situation nach Monaten mit Corona-Beschränkungen. Es gebe „aufschlussreiche Runden mit Menschen aus der deutschen und internationalen Techszene“, die er Pandemie-bedingt lange nicht gesehen habe. Er selbst sprach auf einem Panel über seine Gründungserfahrung und die Herausforderungen beim schnellen Wachstum seiner Firma.
Im Silicon Valley ist Clubhouse bei Unternehmern und Investoren seit dem Start im März populär: Marc Andreessen, der legendäre Gründer der Investmentfirma Andreessen Horowitz, schaut regelmäßig in Chats vorbei, auch einige Partner von Peter Thiels Founders Fund sind Stammgäste.
Das Wettrennen der Risikokapitalgeber, bei der Clubhouse-Mutterfirma Alpha Exploration einzusteigen, entschied Andreessen Horowitz für sich und führte im Mai eine Zwölf-Millionen-Dollar-Finanzierungsrunde für die Hype-App an.
Im Laufe des Jahres wuchs Clubhouse über die Start-up-Szene hinaus. Auch Musik-Manager wie der Justin-Bieber-Manager Scooter Braun, und einige bekannte Rapper diskutieren häufig auf der Plattform.
Clubhouse greift Adressbücher ab und fertigt Mitschnitte an
Der Erfolg von Clubhouse wird von großen Bedenken um Datenschutz begleitet. Für die Anmeldung zu der Plattform ist eine Telefonnummer nötig. Nach dem Einloggen werden Nutzer aufgefordert, der Anwendung Zugriff zu ihrem Adressbuch mit allen Kontaktdaten zu gewähren. „Damit kann du sehen, welche deiner Freunde auf Clubhouse sind“, begründet die Plattform den Schritt.
Zwar können Nutzer diesen Zugriff ablehnen. Aber ohne Zugriff auf das komplette Adressbuch verweigert die Plattform das Verschicken von Einladungen – einer Kernfunktion.
Der Deutsche Journalistenverband warnte: „Datenschutz scheint bei Clubhouse ein Fremdwort zu sein. Die App verlangt Zugriff auf das komplette Adressbuch und Gespräche werden anscheinend mitgeschnitten.“ Denn die Datenschutzrichtlinie von Clubhouse sieht explizit vor, Mitschnitte von Gesprächen anzufertigen - zur Qualitätskontrolle. Nutzern ist es hingegen ausdrücklich untersagt, ohne Einverständniserklärung der anderen Teilnehmer Aufnahmen zu erstellen.
Bei der Verwendung der Adressbücher bleiben die Formulierungen von Clubhouse sehr vage, das Unternehmen hält sich hier viele Möglichkeiten offen. Über das Wochenende könnte die Firma einen Großteil der Adresslisten der deutschen Start-up-Landschaft abgegriffen haben.
Wer Clubhouse dienstlich nutzen möchte, muss sehr vorsichtig sein. Das Teilen von Kontaktdaten aus dem eigenen Adressbuch verlang die Zustimmung der anderen Personen. Wer per Clubhouse Adressdaten von Geschäftspartnern weitergibt, verletzt dabei unter Umständen Datenschutzrechte.
Da die Adressbücher dazu genutzt werden, Freundeslisten in Clubhouse aufzustellen, kam es zu skurrilen Situationen. Die ADAC Pannenhilfe habe am Wochenende bereits rund 3000 Freunde gezählt, schrieb der Kommunikationsberater Stephan Dörner auf Twitter. Der Grund dafür war vermutlich, dass viele Nutzer die Nummer in ihrem Smartphone gespeichert und sie anschließend mit Clubhouse geteilt hatten.
Kritik an Umgang mit Rassismus
Die Plattform steht auch aus anderen Gründen regelmäßig in der Kritik: Zum einen wegen ihrer Inhalte. Sie werden von weißen Männern dominiert wie die Tech-Szene, der Clubhouse entstammt.
Allerdings auch, weil die Macher rassistische oder antisemitische Aussagen weder moderierten noch entsprechende Mitglieder vor die Tür setzten. „In einem Clubhouse-Raum wird gerade diskutiert, warum es okay ist, Juden zu hassen, und ich habe jetzt fürs Erste genug von dieser App“, twitterte die Unternehmerin Sara Mauskopf im September.
Für Clubhouse-Gründer Paul Davison ist das kein neues Problem. Der Stanford-Absolvent arbeitete bis vor einigen Jahren bei dem sozialen Netzwerk Pinterest. Ein neues Feature, das unter seiner Ägide entwickelt wurde, ließ Nutzer Beiträge kommentieren, ohne dass auf problematische Inhalten überprüft wurde. Prompt wurden sie mit Pornografie und Hasskommentaren überflutet. Trotzdem ignorierten Davison und sein Mitgründer Rohan Seth das Problem in ihrem neuen Start-up Clubhouse, bis es Kritik hagelte.
Anfang Oktober kündigte das Unternehmen in einem Blogbeitrag an, die Moderation auf ihrer Plattform zu verbessern. In anderen Netzwerken übliche Funktionen, wie einzelne Nutzer blockieren zu können, und Schulungen für Moderatoren, sollen seitdem helfen, dass sich alle Nutzer sicher auf Clubhouse fühlen. Davon wird der weitere Erfolg von Clubhouse abhängen. Und davon, ob sich die App aus ihren wenigen Nischen heraus zu einem breiten sozialen Audio-Netzwerk entwickelt.
In San Francisco, der Heimat von Clubhouse, gab es dazu vergangenen Donnerstag ein interessantes Experiment: Als in einem Raum zwei Investoren des Founders Fund über die angeblich hohe Kriminalität in der Stadt und den verantwortlichen Bezirksstaatsanwalt schimpften, tauchte dieser spontan in dem Clubhouse-Raum auf und beantwortete die Fragen seiner verdutzten Kritiker. Eine spontane politische Radio-Talkshow mit Hörer-Beteiligung – das Format könnte in Deutschland im Wahljahr Anhänger finden.
Mehr: WhatsApp schiebt Einführung der neuen Datenschutzregeln auf.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.