Start-up Oqmented Diese Gründer könnten einen Durchbruch für autonome Fahrzeuge und Virtual Reality erreichen

2018 haben die beiden Oqmented gegründet, um ihre Ideen sprichwörtlich „auf die Straße“ zu bringen.
Düsseldorf Eine kleine Vakuumkapsel soll große Fortschritte bringen – zuerst bei Virtual-Reality-Brillen (VR), dann beim autonomen Fahren. Jahrelang haben Ulrich Hofmann und Thomas von Wantoch am Fraunhofer-Institut an Lösungen für Probleme mit optischen Sensoren geforscht. Dann wollten sie ihre Ergebnisse nicht wieder in der Schublade verschwinden lassen, sondern sie sprichwörtlich „auf die Straße“ bringen. 2018 gründeten sie Oqmented.
Das Fraunhofer-Spin-off könnte eine der wenigen erfolgreichen Ausgründungen aus deutschen Forschungsinstituten werden. Wie das Handelsblatt erfuhr, hat das Start-up bereits vor einigen Wochen etwa fünf Millionen Euro eingesammelt.
Autobauer und Zulieferer wollen strategische Partnerschaften mit dem Start-up schließen, Unternehmen aus dem Silicon Valley sollen Interesse an einer Beteiligung haben. Die Forscher haben eine Technologie entwickelt, die gleich auf zwei wichtigen Märkten ein Gamechanger werden könnte – ein Durchbruch, der die Spielregeln ändert.
Hofmanns und von Wantochs Expertise sind die Ablenkung von Laserstrahlen und die Entwicklung sogenannter MEMS-Spiegel, Hofmann hat seine Forschung schon Mitte der 90er-Jahre begonnen. „Das sind millimeterkleine, aus Silizium rausgeätzte Spiegelplatten, die dank dünner Federn bis zu 100.000-mal pro Sekunde hin- und herschwingen können“, erklärt er. Das ließe sich nutzen, um in der erweiterten und virtuellen Realität Bilder auf die Retina zu projizieren, Einblendungen auf der Windschutzscheibe zu erzeugen und um Objekte in der Umgebung zu erkennen und Abstände zu messen.
Das Besondere: Oqmented verbaut diese Technologie in einer Vakuumkapsel, die Leistungsfähigkeit und Produktlebensdauer steigert.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg prognostiziert, dass AR-Brillen (Augmented Reality oder „erweiterte Realität“) noch in diesem Jahrzehnt das Smartphone als wichtigstes technisches Gerät ablösen werden. Damit könnten Nutzern zum Beispiel individuell passende Sonderangebote eines Geschäfts eingeblendet werden, an dem sie gerade vorübergehen.
Augmented Reality: Große Technik soll in kleine Brillen passen
Doch bislang ist die Technik noch zu klobig, zu schwer und zu leistungsschwach. „Niemand will mit zentimeterdicken Brillengläsern aus den 80er-Jahren rumlaufen“, sagt Benedikt Kläs, der Vertriebschef von Oqmented. Er ist bei dem Deep-Tech-Start-up derjenige, der die wissenschaftlichen Innovationen einfach für die Allgemeinheit greifbar macht. Die Hololens von Microsoft etwa sei „helmartig“.

Eine spezielle Innovation des Unternehmens ermöglicht es, schnell erscheinende Objekte in bewegten Bildern darzustellen und optische Projektionen auf beiden Augen gleichzeitig darzustellen.
„Durch die Vakuumtechnologie kann man den Projektor ganz, ganz winzig bauen, und er kommt mit wenig Leistung zurecht“, sagt von Wantoch. Die Spiegel ließen sich praktisch ohne Reibungsverlust betreiben. Das sei der Schlüssel zu alltagstauglichen „Smartglasses“.
Ganz allgemein ermöglichen die MEMS-Spiegel hier, beliebige Oberflächen in Videodisplays zu verwandeln. „Wenn man ein dreifarbiges Lasermodul nutzt, kann man mit den Spiegeln über eine Fläche scannen und ein farblich codiertes Video darstellen“, sagt von Wantoch. Eine spezielle Innovation der Oqmented-Gründer ist die „Lissajous-Spiegel-Bewegung“. Sie ermöglicht einen elliptischen Bildaufbau und damit, schnell erscheinende Objekte in bewegten Bildern darzustellen und optische Projektionen auf beiden Augen gleichzeitig darzustellen – auch wenn der Brillenträger den Kopf bewegt.
Noch weiter in der Zukunft dürften Anwendungen beim autonomen Fahren liegen. Eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg dorthin ist Lidar, die Lasertechnologie zur Objekterkennung.
Die bei Testflotten eingesetzten Systeme sind laut von Wantoch für den Dauerbetrieb ungeeignet. „Sie kosten viel Geld, sind sehr voluminös, lassen sich nicht ins Auto integrieren und werden überwiegend auf dem Autodach installiert“, sagt er.
Die verkapselten MEMS-Spiegel von Oqmented ließen sich dagegen unsichtbar im Außenspiegel oder Scheinwerfermodul verbauen. Noch wichtiger ist hier laut Hofmann aber: „Es kann kein Gas dran, keine Feuchtigkeit, es gibt keine Teilchenkontamination, weil die Bauteile nicht mit der Umgebung in Berührung kommen.“ Die Lebensdauer könne so deutlich gesteigert werden.
Lidar: Der Markt für autonomes Fahren allein ist zu ungewiss
Doch die Gründer sagen selbst: Beim autonomen Fahren ist schon viel versprochen, aber nur wenig gehalten worden. Deshalb setzen sie auch auf die AR-Anwendungen, die schon 2023 oder 2024 den Marktdurchbruch feiern könnten.
Langfristig könnte Oqmented auf zwei Milliardenmärkten Millionenumsätze machen. Zudem gibt es bereits einen Markt für industrielle Anwendungen von 3D-Kameras, der für Oqmented adressierbar ist.
Dieser Ansatz hat auch Deep-Tech-Investor Herbert Mangesius überzeugt. Seine Wagniskapitalfirma Vsquared Ventures führte die aktuelle Finanzierungsrunde an. Der Automobilmarkt sei interessant, aber langsam, sagt er. Aber: „Für Apple, Facebook und Co. sind die AR-Anwendungen strategisch so wichtig, dass sie jetzt schon Multi-Millionen-Euro-Projekte machen müssen, um ihre Forschungs- und Entwicklungspläne aufzustellen.“
Er setzt darauf, dass Oqmented zu einem großen Unternehmen wird oder schnell von einem Zulieferer oder Tech-Konzern aufgekauft wird. Nach Handelsblatt-Informationen haben bereits Apple, Facebook und Snapchat sowie bekannte asiatische Produzenten von technischen Geräten bei den Itzehoern Interesse angemeldet – die Gründer bestätigen das aber nicht.
Nach der neuen Finanzierungsrunde beläuft sich das eingesammelte Kapital jetzt insgesamt auf etwa sechs Millionen Euro, mit denen auch Fraunhofer Venture rausgekauft wurde. Solange das Start-up in dem Institut verankert war, galt es Wagniskapitalgebern als nicht finanzierbar.
Neben Vsquared sind unter anderem Helmut Jeggle, Aufsichtsratschef von Biontech, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein und die Baltic Business Angels Schleswig-Holstein investiert. Perspektivisch muss das Start-up auf Grundlage einer Lizenzvereinbarung zwar noch einen Teil der Gewinne an Fraunhofer abführen, aber nur zu einem kleinen Prozentsatz.
Von den Beziehungen zu Fraunhofer profitieren die Gründer noch bei der Produktion von Prototypen – und natürlich profitieren sie vom guten Ruf des Instituts: „Der Name Fraunhofer ist weltweit sehr anerkannt, speziell im asiatischen Raum“, sagt Hofmann. „Die Chinesen fahren darauf total ab.“
Mitarbeit: Roman Tyborski
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