Start-up-Programm Weconomy: So tüfteln KI-Start-ups mit Top-Managern an ihren Geschäftsmodellen

Ihr Start-up Vyoma will mit Künstlicher Intelligenz den Satellitenbetrieb zu automatisieren.
Stuttgart Bevor Trinh Le-Fiedler ihren Einkaufswagen mit einer Nusspackung, Brokkoli und Äpfeln füllt, spannt ihr Mann Max sein Smartphone an eine Halterung am Griff des Wagens ein. Dann geht alles automatisch: Die Artikel, die sie in den Wagen legen, werden von der Handykamera gescannt, und die App listet die Produkte automatisch auf. Schlange stehen an der Kasse ist dann nicht mehr nötig.
Die Fiedlers erledigen gerade nicht ihren Wocheneinkauf, sondern sie stehen mit dem Einkaufswagen im Robert-Bosch-Campus in Renningen bei Stuttgart.
„Wir haben eine embedded AI entwickelt“, erklärt Le-Fiedler dem Manager Oliver Maassen vom Technologieunternehmen Trumpf, der die Technologie ihres Start-ups Nomitri auf dem Einkaufswagen nickend betrachtet.
„Das ist eine visuelle Künstliche Intelligenz, die durch neuronale Netze erkennt, welche Produkte man in den Einkaufswagen legt, und sie automatisch auflistet.“ Embedded Artificial Intelligence, übersetzt eingebundene Künstliche Intelligenz, funktioniere nur kombiniert in Geräten – in Nomitris Fall in einer Kamera als Sensor. Über die eigene App eines Lebensmittelhändlers könnten Kunden mit der Smartphone-Kamera dann ihre Waren schnell und selbst scannen, erklärt das Gründer-Paar.
Oliver Maassen ist der erste Mentoring-Partner von Trinh und Max Fiedler an diesem Tag und soll sie zu ihrem Geschäftsmodell beraten und Praxistipps geben. „Wir haben bei uns in der Logistik auch Sensor-Geräte, da könnte so etwas wie eure Technologie gut dazu passen.“ Trumpf habe bereits Erfahrungen mit einem Start-up für Geräuschsensoren gemacht, sagt Maassen.
Künstliche Intelligenz im Fokus
So wie die Fiedlers sind auch noch zehn andere Start-up-Gründerteams an zwei Tagen bei der Auftaktveranstaltung des Weconomy-Programms mit dabei. Beim Gründerwettbewerb Weconomy wählt eine Jury jedes Jahr bis zu zehn Start-ups aus, die dann zu einem Mentoring-Programm mit Managern aus etablierten Unternehmen eingeladen werden.
Veranstaltet wird Weconomy von der Wirtschaftsinitiative Wissensfabrik und UnternehmerTUM. Der Preis des Wettbewerbs ist kein Investment oder Geld, sondern sind Gespräche und das Netzwerken mit Managern von Trumpf, Bosch, SAP, Mercedes, KPMG, B. Braun und anderen großen Unternehmen.
Dieses Jahr überzeugten vor allem Start-ups mit Künstlicher Intelligenz oder Algorithmen die Jury. Neben Nomitri gehört auch das Start-up Orbem zu den Gewinnern. Das Start-up bietet Magnetresonanztomografie (MRT) in Kombination mit Künstlicher Intelligenz an, um etwa in der Lebensmittelindustrie das Qualitätsmanagement zu verbessern und zu beschleunigen.
„Mit unserer Technologie können das Geschlecht oder Krankheiten eines Kükens festgestellt werden, während es noch im Ei liegt“, sagt Co-Gründerin Maria Laparidou. Dabei wird die MRT mit Methoden des maschinellen Lernens, also Künstlicher Intelligenz, verknüpft und so innerhalb von Sekunden das Innere des Eis analysiert, erklärt Laparidou.
Das Start-up DearEmployee hingegen bietet eine Plattform für Gesundheitsmanagement in Unternehmen. Die Gründerinnen Amelie Wiedemann und Felicia Arndt treffen in einer ihrer Mentoring-Runden am Bosch-Campus auf Sabine Kohleisen, Mitglied des Vorstands von Mercedes-Benz.
Sie zeigen ihr am Computer, wie Mitarbeiter eines Unternehmens Online-Befragungen auf ihrer Plattform anwenden können und wie sie dann auswertet, ob und welches Gesundheitsrisiko, wie etwa Burnout, am Arbeitsplatz besteht.
Auch Med-Tech-Unternehmen überzeugten
KI-basiert könnte die Plattform dann direkt Handlungsempfehlungen für Mitarbeiter geben, etwa welches Coaching oder welche Gesundheitsprogramme ihnen helfen können. „Gerade durch die Pandemie ist Mitarbeitergesundheit und Zufriedenheit sehr wichtig geworden“, meint dazu die Managerin Kohleisen. „Vor allem für große Unternehmen in Deutschland, die viele remote Mitarbeiter bei Tochterunternehmen im Ausland haben, kann so eine Auswertung sehr interessant sein.“
Seit dem ersten Weconomy-Wettbewerb 2007 konnten 140 Start-ups das Mentoring-Programm nutzen. Unter den frühen Gewinnern des Wettbewerbs befindet sich auch der Outdoor-Navigations-Anbieter Komoot sowie der Hersteller der Ergobag-Taschen.
Auch das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac, welches an mRNA-Impfstoffen für Corona arbeitet, war unter den Gewinnern des ersten Weconomy-Wettbewerbs. Auch dieses Jahr waren Medizintechnik-Start-ups vor Ort. Eines davon war Cytolytics aus Tübingen, gegründet von Can und Serina Pinar. Mithilfe von maschinellem Lernen werten sie digital medizinische Daten aus, um etwa Krebs früh zu erkennen. Ihre Vision: In zehn Jahren wollen sie die Sterberate durch Krebs um 50 Prozent gesenkt haben.
Mehr: Sechs Milliarden Dollar Bewertung: Personio wird zum zweitwertvollsten deutschen Start-up.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.