Start-up-Wettbewerb Mit KI gegen den Weltraumschrott – das sind die besten Ideen des Weconomy-Wettbewerbs

Luisa Buinhas und ihr Start-up Vyoma will Künstliche Intelligenz einsetzen, um den Satellitenbetrieb zu automatisieren und Missionskosten zu senken.
Berlin Trümmerteile schwirren auf der Leinwand durchs All – groß genug, um einen Satelliten bei einer Kollision schwer zu beschädigen. Der Müll im All, erklärt Gründerin Luisa Buinhas bei ihrer Präsentation, sei eines der größten Probleme bei Weltraumfahrten heutzutage.
„Ständig müssen aktive Satelliten dem Schrott ausweichen, verbrauchen dabei viel Kraftstoff und müssen ihre Mission oft tagelang abbrechen, um zu manövrieren.“ Mit ihrem Start-up Vyoma will sie für Ordnung bei Satellitenoperationen sorgen und teure Ausfälle vermeiden.
Vyoma ist nur eines von 20 Start-ups, die am Dienstag in Berlin ihre Ideen auf der Bühne des diesjährigen Weconomy-Wettbewerbs präsentierten. Fünf Minuten hatten sie Zeit, um die Jury zu überzeugen.
Für Buinhas reicht das: Sie hat mit ihren Mitgründern eine Software entwickelt, die mit Algorithmen Bilder aus dem Weltraum auswertet, um dann Wege und Ausweichmanöver für aktive Satelliten zu planen. „Heutzutage sind etwa 4500 Satelliten im All in Betrieb, in diesem Jahrzehnt sollen es bis zu 100.000 werden“, erklärte sie der Jury.
Sensorsysteme sollen Trümmerteile, aktive Satelliten und andere Teile lokalisieren. „Schließlich sollen die Manöveranweisungen dann in den Betrieb des Satelliten integriert werden, damit kann man Satelliten vollautomatisieren.“ Sie erzählt, dass Vyoma bereits an Projekten der Europäischen Weltraumagentur und der Europäischen Kommission arbeitet und Investoren wie Atlantic Labs gewinnen konnte.
Eine der Start-up-Investorinnen, Daria Saharova, ist sofort überzeugt: „Ich hatte schon viel mit dem Bereich zu tun. Es ist wirklich ein Problem im All.“
Seit 15 Jahren organisiert das Stiftungs- und Unternehmensnetzwerk Wissensfabrik mit Kooperationspartnern den Wettbewerb. Am Ende urteilt eine Jury aus Investorinnen und Beratern der Branche. Neben dem Start-up Accelerator UnternehmerTUM ist auch das Handelsblatt Partner des Wettbewerbs.
In der Jury beraten sich neben Daria Saharova unter anderem auch Catharina van Delden von innosabi, einer Software für Innovationsmanagement, Claudia Frey von UnternehmerTUM, Ingmar Hoerr, Gründer von Curevac, und Axel Krieger vom Growth Equity Fund Digital+ Partners.
Iris Liliana Bleck, CEO von FintechX, übernahm dieses Jahr den Juryvorsitz. Wer als junges Unternehmen bei Weconomy gewinnt, wird von einer Mentorin oder einem Mentor aus der Investoren- oder Start-up-Branche ein Jahr lang begleitet. Die Mentoren sollen ihre Erfahrungen weitergeben und bei Fragen der Unternehmensentwicklung helfen. Sie können erklären, wie man ein Team aufbaut, wie man skaliert, wie Job und Freizeit balanciert werden können.
Keine Start-ups ohne Frauen
Luisa Buinhas hat die Jury überzeugt und war mit ihrem Start-up für Nachhaltigkeit im Weltall eine von zehn Gewinnerinnen des Events. Tatsächlich werden Start-ups, die Lösungen für Probleme im Weltall bauen, auch immer wichtiger. In einer erst vor wenigen Monaten veröffentlichten Studie des BDI, wächst die Branche namens „New Space“ überdurchschnittlich.
Laut der Studie sammelte die Branche allein im Jahr 2020 rund 308 Millionen Euro an Kapital ein, fast doppelt so viel wie im Jahr davor. „Das Weltall ist ein immer wichtigeres Thema der Wirtschaft, und vor allem Frauen sollten in diesem Feld gefördert werden“, sagte Investorin Daria Saharova.
Nicht nur bei Vyoma stand ein weibliches Teammitglied auf der Bühne: Wie schon beim Wettbewerb im vergangenen Jahr, hatte die Weconomy auch dieses Jahr einen „Female Focus“. Teilnehmen durften nur Start-ups mit mindestens einer weiblichen Gründerin.
Fast alle Start-ups wurden von einer Gründerin vorgestellt, nur etwa vier Männer stellten die Ideen ihrer gemischten Teams vor. Auch die Jury hat sich verändert, merkte Steffi Blumentritt an. Sie ist die Leiterin der Sparte Unternehmertum bei der Wissensfabrik, organisiert Weconomy mit und erhofft sich durch den Frauenfokus ein klares Zeichen für die Zukunft und ein Umdenken in der Start-up- und Investorenriege. Mehr Frauen als Männer sitzen seit diesem Jahr in der Jury.
„Nur etwas mehr als 15 Prozent der Start-ups in Deutschland haben Frauen in der Führung„, erklärt sie, „Sie sind also viel zu unterrepräsentiert, um in der Gesellschaft eine Bühne für gute Ideen zu haben. Denn diese werden ja auch von Frauen gesteuert.“ Aus Blumentritts Sicht sind die Zahlen so niedrig, weil zu wenige Frauen technische Berufe in den Universitäten lernen. Darum müssten Anreize geschaffen werden.
Außerdem sei Deutschland immer noch eher technologiefeindlich als offen für Innovationen. „Das müssen wir wenden – eine Technikfreundlichkeit und -begeisterung hinbekommen, auch bei Mädchen in der Schule.“ Auch die anderen Start-ups der Gewinner-Top-10 haben teils mit Deep Tech, Digital Health und Algorithmen die Jury überzeugt.
„Wir freuen uns, dass wir Start-ups aus den Bereichen Space, Gesundheitstechnologien und Immobilien auswählen und nun unterstützen werden“, erklärte Investorin Saharova im Nachgang. Zahlreiche junge Unternehmen, die teilnahmen, zeigten eine Technologie mit Künstlicher Intelligenz, Algorithmen und automatisierten Prozessen.
Sourcing-Software Alpas lässt mit KI schneller einkaufen
So etwa auch das Start-up Alpas von Isabell Poppek: Das Unternehmen findet mit einer Sourcing-Software weltweit Lieferanten und deren Bewertungen. Basierend auf einer Künstlichen Intelligenz sucht sich die Software, wie Poppek es auf der Bühne erklärt, die Informationen aus Online- und Offline-Quellen zusammen und gibt dann datengesteuerte Empfehlungen.
„Wir konzentrieren uns auf Industrieunternehmen, die elektrische und maschinelle Bauteile einkaufen wollen“, sagt die Unternehmerin, die früher in der Private Equity gearbeitet hat. „Mit dem Sourcing der Daten können 20 bis 40 Prozent Einkaufsvolumina eingespart werden und die Einkaufszeit um 60 Prozent reduziert werden.“
Ebenfalls beim Einkaufen, aber für Endkunden, kann etwa die Unternehmensidee von Trinh Le-Fiedler angewendet werden. Ihr Start-up Nomitri hat eine visuelle Künstliche Intelligenz entwickelt, die beim „intelligenten Shopping“ zum Einsatz kommen soll. Le-Fiedler will eine KI „für jeden, immer und überall“ einsetzbar machen.

Die Gründerin zeigt eine Disc, mit welcher genaue Hautdiagnostik erfolgen kann.
Wer den Shoppingassistenten nutze, müsse sich nicht mehr an der Kasse anstellen. „Supermarktkunden laden unsere App herunter, und anhand einer intelligenten Erkennung versteht der Assistent, welche Produkte man in den Einkaufswagen legt“, so die Unternehmerin. Bereits 2,5 Millionen Euro konnte sich Le-Fiedler an Finanzierung sichern. Ihr neues Ziel: weitere zwei Millionen Euro, um in den nächsten 24 Monaten ihre Geschäftsidee weiterzuentwickeln.
Auf eine Finanzierungsrunde hofft auch Christina Mauer, Gründerin des Start-ups Einwert. Bis jetzt hat sie das junge Unternehmen für Immobiliengutachten komplett mit dem eigenen Geld finanziert. Sie wolle allerdings den Markt mit der Immobilienbewertung revolutionieren, viel effizienter gestalten, sagt die Unternehmerin.
„Wertgutachten dauern analog bis zu sechs Wochen, wir können es mit unserem Algorithmus in unter einer Woche schaffen“, pitcht Mauer. In ihrer Dissertation an der Universität habe sie einen eigenen Algorithmus entwickelt, auf Basis von Marktdaten zu Immobilien.
Nach der Vorstellung hakt die Jury erst einmal nach: „Bei einem Preis für etwa 7500 Euro für ein Gutachten wären Sie aber nicht viel günstiger als die 5000 bis 15.000 die ein Gutachter auch jetzt nimmt. „Erst muss jemand in dieser hochregulierten Branche eben das Problem lösen, einen Mehrwert zu schaffen. Das ist erst mal wichtiger als der Preis“, kontert die Unternehmerin. Am Ende überzeugt auch sie die Jury.
Med Tech dieses Jahr besonders beliebt
Neben vielen Start-ups, die mit einer Lösung mittels Künstlicher Intelligenz oder Algorithmen überzeugen wollten, traten einige Naturwissenschaftler mit digitalen Medizin-Start-ups vor die Jury.
Eines davon war das Unternehmen Dermagnostix von der Dermatologin Natalie Garzorz-Stark. „Ein Drittel der Bevölkerung leidet an mindestens einer Hauterkrankung“, erklärt die Medizinerin, „meistens wird noch keine Molekulardiagnostik bei ihnen angewendet, und wenn, ist diese durch das manuelle Anwenden fehleranfällig.“
In der Hand hält sie ein weißes Objekt in Form einer CD. „Wir haben deshalb einen automatisierten Prozess entwickelt, bei dem Gewebe in eine Disc eingelegt wird.“ Diese Disc könne man dann in ein Gerät legen, welches das Gewebe in der Disc zentrifugiert. Drei Millionen Euro konnte Dermagonstix bereits in der Vorgründungs- und Pre-Seedphase einsammeln. „Ich finde gut, dass die Technologie nur objektive Marker diagnostiziert, eine smarte Idee“, urteilt die Beraterin Christiane Zedelius aus der Jury.
Ähnlich „smart“ fand die Jury auch das Start-up Cytolytics, vorgestellt von Can Pinar. Der Gründer erklärte seine Webapp, mithilfe welcher die Zytometrie, eine Diagnosemethode für Krebs, vollautomatisch in fünf Minuten erfolgen kann. „Normalerweise benötigen unsere Kunden dafür drei Stunden“, erklärt Pinar.
Juror Ingmar Hoerr, der 2007 mit der heute durch die mRNA-Impftechnologie bekannt gewordenen Firma CureVac unter den Weconomy-Gewinnern war, beurteile beide Medizin-Start-ups als „sehr überzeugend“. „Man sieht, es ist eine selbstbewusste neue Generation an Gründern unterwegs. Das war so post-Corona nicht zu erwarten.“
Für alle Gewinner geht es im Oktober zu einem Treffen mit bekannten Managerinnen und Managern, die sich mit den Start-ups austauschen sollen. So auch für die Space-Start-up-Gründerin Buinhas und ihr Team. Von Weconomy erhofft sie sich ein breiteres Netzwerk und noch mehr Kontakt zum New-Space-Markt, besonders zu den großen Unternehmen der Branche.
Erst muss sich ihr Start-up mit den Partnerunternehmen um das Design und die Komponenten für die Weltraumkameras kümmern. Aber dann kann sie sich auch Gespräche mit Elon Musks SpaceX vorstellen. „Zwischen uns gibt es große Synergien.“
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