Start-ups Professoren als Investment-Scouts: So will Investor Earlybird die besten Uni-Ausgründungen finden

Die Unternehmer haben den Sprung von der Universität zur eigenen Firma geschafft.
Düsseldorf Es könnte der Anfang einer großen Erfolgsgeschichte werden: Als Studenten in Potsdam haben Jerome Lange, Marco Trippler und Lasse Steffen seit zwei Jahren gemeinsam eine Software für Großbaustellen entwickelt. Diese soll Bauprojekte datenbasiert deutlich beschleunigen.
Das erschien ihrer Professorin für IT-Unternehmertum am Hasso-Plattner-Institut (HPI), Katharina Hölzle, als aussichtsreiche Idee. Sie begleitete ihre Studenten als Beirätin bei der Ausgründung ihrer Firma Koppla und stellte den Kontakt zu Investoren her – mit Erfolg.
Nun steckt die Wagniskapitalfirma Earlybird gemeinsam mit dem Investor Coparion 1,6 Millionen Euro in das Start-up, wie am Donnerstag bekannt wurde. So müsste es aus Sicht von Christian Nagel viel häufiger laufen. „Es ist wirklich ein Musterbeispiel“, sagt der Gründungspartner bei der Wagniskapitalfirma Earlybird.
Das Besondere: Die Potsdamer Firma ist die erste, die aus einem speziellen Fonds für Ausgründungen finanziert wird. Mit Uni-X stellt Earlybird insgesamt 75 Millionen Euro für ganz junge und forschungsnahe Technologie-Firmen bereit, die im Universitätsumfeld entstehen.
Dazu wird ein Netzwerk von 45 Professoren an Technischen Universitäten in ganz Europa aufgebaut, die fast wie Talentscouts Ausschau nach spannenden Projekten halten sollen.
Ob eine Idee wirklich auf dem innovativsten Stand ist, sei schwer herauszufinden
Im sogenannten Deeptech-Bereich sei oft schwer herauszufinden, ob eine Idee wirklich auf dem innovativsten Stand ist, sagt Earlybird-Partner Frédéric du Bois-Reymond. Zudem seien die Unterlagen, die unerfahrene Gründer hier vorlegten, oft nicht so perfekt, wie Wagniskapitalgeber es gewöhnt sind.

Der Investor Earlybird will ein Netzwerk von 45 Professoren an Technischen Universitäten in ganz Europa aufbauen.
Das könne ein Grund sein, warum Investoren nicht genauer hingucken. „Wir wollen mit Professoren direkt zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass wir es mit einem wirklich interessanten Projekt zu tun haben, und können mehr Aufwand betreiben“, sagt du Bois-Reymond.
Es gibt drei Perspektiven, aus denen dieser neue Fonds und der Ansatz des Münchener Investors spannend ist.
1. Ungenutztes Innovationspotenzial
In Deutschland steht eine große Zahl von Patenten einer relativ kleinen Zahl an Ausgründungen gegenüber. Mit eigenen Datenanalysen hat Earlybird ermittelt, dass an Europas Spitzenuniversitäten jedes Jahr zwischen 45.000 und 60.000 neue Technologien und Innovationen in den verschiedensten Deeptech- und Hightech-Bereichen entwickelt werden.
Doch nur um die Hälfte dieser Ideen würde ein Unternehmen gegründet. Davon strebte wiederum nur die Hälfte auch eine Kapitalisierung an. Stand heute gingen also 75 Prozent des Innovationspotenzials verloren, schlussfolgert die Firma.
Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey bestätigt die Analyse. „Tatsächlich weist Deutschland im Ländervergleich Defizite auf“, sagt Partnerin Graciana Petersen. Zwar sei Deutschland stark in der Grundlagenforschung und habe eine verhältnismäßig große Zahl an „Weltklassepatenten“ vorzuweisen. Dennoch würden konzeptionelle Ergebnisse zu wenig in konkrete Anwendungsfälle übersetzt. Das sei „eine verpasste Chance für Gründungen“, aus denen erfolgreiche Start-ups mit Milliardenbewertungen werden könnten.
Die USA sind nach einer McKinsey-Analyse zwar schon bei der Zahl der Patente pro Einwohner besser als Deutschland. Dort werden 1,2-mal so viele Weltklassepatente angemeldet wie in Deutschland – also ein Plus von 20 Prozent. Doch der Unterschied bei der unternehmerischen Aktivität in der Frühphase ist ungleich höher: Hier erreichen die USA knapp das 2,3-Fache des deutschen Niveaus.
„Wir sehen unglaubliche Technologien mit einer Riesen-Innovationskraft, aber viel weniger Unternehmergeist als etwa an amerikanischen Universitäten“, sagt auch Philipp Semmer. Er ist ein weiterer Earlybird-Partner hinter dem neuen Uni-X-Fonds und verantwortet das Investment in Koppla. Er hofft: „Die gründungsaffinen Professoren in unserem neuen Netzwerk haben einen Überblick über die Projekte ihrer Postdocs und Studenten und wissen auch, wo ein unternehmerischer Geist weht.“
McKinsey-Partnerin Petersen hat auch untersucht, in welchen Bereichen das Potenzial besonders groß ist: „Gemessen an den Weltklassepatenten für Zukunftstechnologie ist Deutschland in den Bereichen Automatisierung, Materialien 2.0 und nachhaltige Energie international gut positioniert.“
2. Klarheit bei Schutzrechten schaffen
Viele Ausgründungen scheitern in Deutschland noch immer häufig an Streitigkeiten um die Schutzrechte. Hat eine Universität oder ein Forschungsinstitut etwa ein Patent angemeldet, können später horrende Forderungen an wissenschaftliche Mitarbeiter gestellt werden, die darauf ein Unternehmen aufbauen wollen.
Der neue Earlybird-Fonds hat das Potenzial, hier Standards zu setzen und mit zunehmender Erfahrung und Erfolgsbeispielen an der Hand in Verhandlungen zu treten.
3. Chance für Wagniskapitalgeber
Im mittlerweile sehr hitzigen Wettbewerb auf dem Wagniskapitalsektor will Gründungspartner Christian Nagel Earlybird als besonders technologieaffin positionieren. Neben immer mehr europäischen Firmen konkurrieren längst auch Investoren aus den USA und Asien um die aussichtsreichsten Deals. Das gilt zunehmend auch schon für ganz junge Firmen.
Je früher der Kontakt zu lokalen Gründern hergestellt wird, desto besser für die hiesigen Investoren. Selbst beim Teambuilding könne bei aussichtsreichen Themen noch unterstützt werden, sagt Philipp Semmer. Gemeinsam könnte auch nach Lösungen gesucht werden, wie ein sehr stark wissenschaftlich aufgestelltes Team zusätzlich um kaufmännische Expertise ergänzt werden kann.
Nach den Ausgründungsfinanzierungen will Earlybird das jeweilige Ökosystem der Universität weiter nutzen – wie im Fall von Koppla, wo Professorin Hölzle nun im Beirat mitwirkt. „Das Start-up findet wunderbar Mitarbeiter am Hasso-Plattner-Institut, und auch die Produktentwicklung kann dort im akademischen Umfeld sehr gut weiterlaufen“, sagt Philipp Semmer.
Erklärtes Ziel von Koppla-Chef Jerome Lange ist, das Konzept des schlanken Managements auf die Baustelle zu bringen und langwierige Großprojekte zu beschleunigen. Die Software werde an die jeweils größte Baufirma vertrieben, die alle Auftragnehmer verpflichte, ihren Arbeitsfortschritt zu dokumentieren, erklärt der Jungunternehmer.
So könnten schnellstmöglich Anschlussarbeiten umgesetzt werden. Die Software sei schon auf 25 Großbaustellen im Einsatz, das frische Wagniskapital will er für die Produktentwicklung nutzen.
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