Strategische Partnerschaft Google und Telekom verbünden sich und entwickeln „souveräne Cloud“

T-Systems und Google haben eine strategische Zusammenarbeit für Deutschland vereinbart.
Düsseldorf Viele IT-Chefs befinden sich in einem Dilemma: Bei der Digitalisierung geht es nicht ohne die Cloud – doch Datenschutz und Datensicherheit erschweren den Einsatz von Speicherplatz, Rechenleistung und Software aus der Datenwolke. Viele Unternehmen in Deutschland befürchten einen unerlaubten Zugriff auf ihre Daten und beklagen Unsicherheit wegen der Rechtslage.
Google und die Telekom-Tochter T-Systems wollen die zögerlichen Unternehmenslenker und Behördenchefs jetzt mit einer neuen Lösung überzeugen: Die beiden Unternehmen entwickeln in einer strategischen Partnerschaft gemeinsam eine nach ihren Angaben „souveräne Cloud“, wie sie am Mittwoch ankündigten.
Geschäftskunden sollen die Infrastruktur des amerikanischen Konzerns nutzen, Betrieb und Kontrolle jedoch dem deutschen Unternehmen übertragen können. Eine erste Version soll ab Mitte 2022 in Deutschland zur Verfügung stehen, zudem gibt es Überlegungen für ein Angebot für Österreich und die Schweiz.
Das Portfolio biete Kunden die Leistungsfähigkeit der Google Cloud, aber gleichzeitig die volle Kontrolle über die Daten, die Software und den Betrieb, betonte T-Systems-Chef Adel Al-Saleh. Anders gesagt: Der deutsche IT-Dienstleister aus dem Telekom-Konzern soll das Vertrauen in den amerikanischen Technologiespezialisten gewähren.
„Die Lösung für die souveräne Cloud mit T-Systems eröffnet uns gemeinsam neue Marktchancen“, sagte Google-Cloud-Chef Thomas Kurian, dessen Unternehmen das Geschäft in Europa gerade massiv ausbaut.
Potenzial sehen die Unternehmen im öffentlichen Sektor und in bestimmten regulierten Branchen wie der Finanzindustrie, die hohe Anforderungen an den Datenschutz haben. Auch mit der Bundesregierung sei man in Gesprächen.
Problemzone Datenschutz
Der Datenschutz ist für europäische Unternehmen seit Jahren eine Problemzone. Whistleblower Edward Snowden hatte 2013 enthüllt, dass die amerikanischen Geheimdienste großen Aufwand betreiben, um das Internet zu überwachen – und damit auch die Aktivitäten von Bürgern und Unternehmen aus Übersee.
Angesichts dieser Erkenntnisse erklärte der Europäische Gerichtshof mit den Schrems-Urteilen wichtige rechtliche Grundlagen für den Datentransfer von Europa in die USA für ungültig. Nach Ansicht des EuGH existiert in den USA kein vergleichbares Datenschutzniveau wie in der EU. Die Unsicherheit in der Wirtschaft ist seitdem groß. Auch und gerade, wenn es um die Cloud geht.
Das lässt sich an einer Umfrage von KPMG und Bitkom ablesen: So erklären 60 Prozent der Unternehmen, dass rechtliche und regulatorische Bestimmungen gegen die Public Cloud sprechen, also Angebote, bei denen der Dienstleister die Daten auf seinen Servern speichert. Sogar 67 Prozent beklagen Unklarheiten.
Auf diese Bedenken wollen die beiden Unternehmen nun eingehen. „Wir wissen, dass Datenschutz, Sicherheit und Kontrolle für deutsche und europäische Unternehmen bei der Digitalisierung wichtig sind“, sagte Google-Cloud-Chef Thomas Kurian zur Begründung. Das Ziel sei, gemeinsam mit T-Systems deren Anforderungen zu erfüllen.
Das Angebot sieht vier Stufen vor. In der Grundkonfiguration soll T-Systems sowohl den physischen als auch den virtuellen Zugang zu den Servern kontrollieren, die in den deutschen Rechenzentren von Google stehen. Zudem kann der IT-Dienstleister das Verschlüsselungsmanagement übernehmen, wenn Unternehmen sich nicht selbst darum kümmern wollen.
Das höchste Schutzniveau sieht vor, dass T-Systems die Software von Google in einer komplett abgetrennten Umgebung betreibt – entweder in einem Rechenzentrum des amerikanischen IT-Konzerns oder direkt beim Kunden. Dieses Szenario eigne sich „für sehr geheime Prozesse“, sagte Al-Saleh.
Lernen aus den Fehlern
Das Konzept der souveränen Cloud ist nicht neu. Bereits ab 2015 kündigte Microsoft an, mehrere Dienste aus zwei deutschen Rechenzentren anzubieten, bei denen T-Systems als Treuhänderin den Zugang überwachen sollte. Das Prestigeprojekt, das nach Einschätzung von Insidern einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet haben dürfte, scheiterte jedoch.
Durch die Abschottung der Rechenzentren war die Einführung neuer Dienste mit einigem Aufwand verbunden, was zu Verzögerungen führte. Zudem verlangten die beiden Unternehmen im Vergleich zum regulären Cloud-Portfolio durchschnittlich 25 Prozent Preisaufschlag. Das Fazit in der IT-Branche: Das Angebot sei technologisch rückständig und teuer gewesen.
Diesen Fehler wollen Google und T-Systems vermeiden. In Sachen Funktionalität dürfe das Angebot nicht schlechter sein als die Konkurrenz, sagte Al-Saleh. „Wir bringen die Innovationen von Google so schnell wie möglich an den Markt“, versprach er daher. Zudem könne man keinen hohen Aufschlag verlangen: „Der Preis muss wettbewerbsfähig sein.“
Nach Ansicht von Marktbeobachtern könnte das neue Angebot auf Interesse stoßen. „Durch die Diskussionen über digitale Souveränität in den vergangenen Monaten ist der Markt reifer als vor einigen Jahren“, urteilt René Büst, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Gartner.
Sowohl im öffentlichen Sektor als auch in Branchen mit hohen Regulierungsanforderungen seien Datenschutz und Kontrolle ein wichtiger Hygienefaktor. „Google kommt mit dem neuen Angebot den Bedürfnissen der Kunden entgegen.“
Die Begrifflichkeit hinterfragt der Cloud-Spezialist aber: „Ob das Angebot volle digitale Souveränität bietet, stelle ich infrage.“ Bei drei der vier Sicherheitsstufen seien die Daten weiterhin in einem Rechenzentrum von Google gespeichert. Es gebe daher Abhängigkeiten, sofern man nicht das höchste – und mutmaßlich teuerste – Sicherheitsniveau wähle. Büst spricht daher von „Souveränität light“.
Die Erfolgsaussichten könne man jedoch noch nicht bewerten, sagt der Analyst – ein entscheidender Faktor seien die Kosten. Die wollen die beiden Unternehmen erst später aufschlüsseln. Die Frage, so der Cloud-Experte: „Auch der Treuhänder will etwas verdienen. Sind die Kunden bereit, diesen Aufschlag zu zahlen?“
Konkurrenz zu Microsoft
Die Telekom arbeitet bei der souveränen Cloud exklusiv mit Google zusammen und tritt damit in Konkurrenz zum Partner Microsoft. Der Windows-Konzern plant eine Cloud-Plattform für die Bundesverwaltung, die ein deutsches Unternehmen betreiben soll.
Microsoft sei „in einem kontinuierlichen Austausch mit Vertretern der Bundesregierung, insbesondere hinsichtlich einer Überführung der bestehenden IT-Infrastruktur in eine auf Microsoft-Technologie basierende Cloud-Lösung für die öffentliche Hand“, erklärte Marianne Janik, Chefin der Landesgesellschaft, im März. Auch bei Microsoft soll Datenschutz kein Hindernis mehr sein.
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