Tech-Riese Microsoft startet Hardware-Offensive – das sind die neuen Smartphones, Tablets und Notebooks

Der Software-Riese will sich auch bei Hardware mehr zutrauen.
San Francisco Im „Gebäude 87“, auf dem weitläufigen Microsoft-Campus im Bundesstaat Washington arbeiten rund 100 Mitarbeiter an immer neuer Hardware. Nur wenige schaffen es durch die streng bewachte Eingangstür ins Innere. Auf rund 9000 Quadratmetern wird hier an geheimen Produkten gearbeitet. Sind Reparaturen am Dach fällig, werfen Wachleute nach Apple-Manier schwarze Planen über die wenigen Oberlichter, um Einblicke ins Allerheiligste des Konzerns zu verhindern.
Bald dürfte die ganze Welt wissen, woran die Microsoft-Entwickler im vergangenen Jahr gearbeitet haben. Microsoft bringt eine Reihe neuer Geräte auf den Markt, darunter das Smartphone Duo 2. Zwar scheiterte der Tech-Konzern aus Redmond mehrfach im Smartphone-Markt, wie etwa 2013 bei der desaströsen Nokia-Übernahme. Im vergangenen Jahr zeigte Microsoft bereits das Klapp-Smartphone Duo mit zwei Bildschirmen, das ebenfalls nur mäßigen Erfolg verbuchen konnte.
Doch diesmal will der Konzern mit dem neuen Gerät den Durchbruch schaffen. Versprochen wird stärkere Technik, ein verbessertes Klappscharnier, dazu läuft der Nachfolger des Flops auf dem neuesten Android-11-Betriebssystem. Auf dem Smartphone sind nicht nur die wichtigsten Microsoft-Apps installiert, sondern auch die von Google.
Mit dem Neustart platziert sich Microsoft nun im besonders umkämpften Bereich der Konsumelektronik. Das Gerät bekommt mindestens acht Gigabyte Arbeitsspeicher und einen Snapdragon-888-Prozessor, wie er auch in den Flaggschiffen der Konkurrenz von Samsung und Co. verbaut ist. Das Microsoft-Smartphone bekommen darüber hinaus drei Linsen, heute bereits Standard in Premiumgeräten der Konkurrenz. Es gibt eine Porträt-, Normal- und Weitwinkel-Linse.
In den USA wird das Duo 2 bei rund 1500 Dollar starten und somit direkt gegen die teuersten iPhone-Modelle von Apple antreten. Obwohl die Prozessorplattform auch den 5G-Funkstandard beherrscht, ist dieser zunächst nur in den USA verfügbar.
Erfolg von Surface
Es war der Erfolg der Surface-Notebooks, der CEO Satya Nadella überzeugte, mit dem Duo dem Smartphone eine weitere Chance zu geben. Auch das Surface Book hatte in der ersten Generation Probleme und wurde mit dem zweiten Modell immer erfolgreicher.
Die Surface-Sparte, gegründet 2012, hatte dem Konzern intern und extern lange Sorgen bereitet. Nach Abschreibungen in Milliardenhöhe wegen unverkaufter Geräte der ersten Generation, stand das Projekt bereits 2013 vor dem Aus. Analysten und Investoren forderten, den Verlustbringer zu schließen. Doch der damalige CEO Steve Ballmer und danach sein Nachfolger Nadella hielten am Hardware-Chef Panos Panay und seinem Team fest.
2016 wurde dann erstmals der Umsatz von einer Milliarde Dollar im Quartal mit Surface-Notebooks übersprungen. Im Sommer 2020 waren es schon 1,74 Milliarden Dollar, bevor die weltweite Chipkrise Probleme bereitete: Im vierten Quartal des Finanzjahres 2021, Ende Juli, wurde mit Smartphones gut 20 Prozent weniger Umsatz erwirtschaftet.
Neues im Einsteigersegment
Der Markt für Tablets, Notebooks und auch Premium-Smartphones boomt dank eines enormen Nachfrageschubs durch die weltweite Pandemie und das Homeoffice. Die mit Abstand größten Gewinner waren bei den Laptops prozentual und in absoluten Zahlen die Anbieter von preisgünstigen Geräten mit Googles Chrome-Betriebssystem.
Da will Microsoft mithalten. Im Einsteigersegment gibt es das neue Surface Go 3, bestehend aus Tablet und Notebookersatz mit abnehmbarer Tastatur und ausklappbarem Standfuß. Es startet in den USA bei 399 Dollar. Mit dem Preis und dem 10,5-Zoll-Bildschirm soll es in erster Linie in Schulen eine Alternative für die beliebteren Chromebooks von Google und Apples iPads bieten. Es ist mit Mittelkasse-Prozessoren von Intel ausgestattet.
Einen Aufpreis kostet beim Go 3 der größere Speicher und Hauptspeicher, LTE-Verbindung oder auch die Tastatur. Voll ausgebaut kommt das Microsoft-Gerät in Preis- und Leistungsklassen von Apples Macbook Air.
Surface Pro mit mehr Leistung
Holger Müller, Analyst bei Constellation Research im Silicon Valley, zeigt sich beeindruckt vom Surface. Der Vorstoß geht seiner Meinung nach in die richtige Richtung. Das Wachstum von Notebook mit dem Google-Betriebssystem sei mit 75 Prozent im zweiten Quartal 2021 großartig. „Wann hat es das das letzte Mal gegeben?“
Für Hersteller, die nicht am Chromebook-Boom partizipieren, wie etwa Dell, könnte das zum Problem werden. Während Samsung oder HP im Quartalsvergleich 324 und 115 Prozent bei Chromebooks zugelegt haben, sah Dell ein Minus von 8,7 Prozent.
Die kommende Version Surface Pro 8 wird nach eigenen Aussagen von Microsoft doppelt so schnell wie der Vorgänger sein und 74 Prozent mehr Grafikleistung bringen. Der 13-Zoll-Berührungsbildschirm soll eine 10,8 Prozent höhere Auflösung bringen. Der neue Slim-Pen-2-Zeichenstift bietet höhere Genauigkeit und geringere Verzögerung bei der Signalübertragung. In der Variante für Privatnutzer wird Windows 11 Home mitgeliefert, für Unternehmen gibt es Windows 11 oder auf Wunsch auch Windows 10 Pro.
Maus aus Plastikmüll
Die Spannbreite bei Prozessoren geht von Intels I3 bis I7, es gibt LTE gegen Aufpreis, und die SSD-Platten sind reparaturfreundlich austauschbar. Entsprechend variieren die Preise. Beim Hauptspeicher gibt es statt vier Gigabyte in der Einstiegsversion jetzt acht Gigabyte. Preise starten in den USA bei 1099 Dollar vor Steuern, ohne Tastatur oder Stift.
Kleinere Verbesserungen bekommen auch Surface Pro X und Surface Studio. Das Pro X läuft auf einem Microsoft-eigenen Prozessor auf ARM-Basis, und hier wird eine „Wifi-only“-Variante angefügt, um den Einstiegspreis unter 900 Dollar zu drücken. Beim Surface Studio ab 1600 Dollar soll ein neues Hightech-Gelenk den Wechsel zwischen den verschiedenen Modi wie Tablet, Laptop und Studio geschmeidiger und nahtlos machen.
Bei den Pens wählt Microsoft einen selbstbewussten Preis von 129 Dollar pro Stück. Microsoft verspricht aber, dass die Zeichen-Pens der Vorgängergenerationen auch die neuesten Geräte bedienen werden. Wobei natürlich manche Features wie das Laden und Aufbewahren im Gerät nicht unterstützt werden.
Und auch für umweltbewusste Kunden gibt es News aus Redmond. Eine neue Maus ist aus recyceltem Plastikmüll hergestellt, der an Stränden angespült wird. Wahrlich kein Durchbruch in der Klimarettung, aber eine willkommene Geste.
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