Technologiekonzern Facebook-Chef Zuckerberg geht zum Gegenangriff über – und sieht sich als Opfer der Medien

Der Facebook-Chef sieht seinen Konzern als Opfer einer Medienkampagne.
San Francisco, Düsseldorf Mark Zuckerberg ist zum Gegenangriff übergegangen. Wochenlang hatte sich der Facebook-Chef nach den Enthüllungen einer Whistleblowerin in der Öffentlichkeit zurückgehalten. Immer neue Medienberichte schürten die Kritik an Facebooks Unternehmenskultur.
Doch bei der Vorlage der jüngsten Quartalszahlen konnte sich Zuckerberg den kritischen Fragen der Analysten nicht mehr entziehen – und drehte den Spieß schlichtweg um: Der 37-Jährige machte seinerseits den Medien Vorwürfe.
Gut gemeinte Kritik helfe Facebook dabei, besser zu werden, sagte Zuckerberg am Montag. „Doch was wir hier sehen, ist eine koordinierte Aktion, bei der geleakte Dokumente gezielt dazu genutzt werden, ein falsches Bild unseres Unternehmens zu zeichnen.“
Dabei wiegen die Vorwürfe schwer, mit denen der Konzern konfrontiert ist. Die ehemalige Facebook-Managerin Frances Haugen hatte unter anderem offenbart, dass Facebook um die negativen Auswirkungen auf junge Nutzerinnen der Foto-Plattform Instagram weiß, diese aber verheimlicht. Zudem zeigen durch Haugens veröffentlichte Dokumente, dass der Konzern es bewusst toleriert, wenn Prominente seine Nutzungsregeln verletzen.
Das Fazit vieler Kritiker: Facebook, das für fast die Hälfte der Weltbevölkerung die Diskussionsregeln im Internet festlegt, verhält sich höchst problematisch. Und der Konzern zeigt keine Änderungsbereitschaft. Erst am Montag hatten weitere Medienberichte, in denen aus vertraulichen Dokumenten zitiert wurde, für Unruhe gesorgt.
Zuckerberg hatte zuletzt andere Manager vorgeschickt, um Facebook aus der Schusslinie zu bekommen. Umso schärfer reagierte er jetzt – und sieht sich selbst als Opfer der Medien. Schließlich stehen der Konzern und sein Chef selbst gleich an mehreren Fronten unter Druck.
Auch das Geschäft schwächelt, die Quartalszahlen für die Monate Juli bis September fielen enttäuschend aus. Mit einem Umsatz von rund 29 Milliarden US-Dollar lagen die Erlöse knapp unter dem vergangenen Quartal. Analysten hatten mit einem Umsatz zwischen 29,6 und 30,2 Milliarden Dollar gerechnet.
Aber auch für die aktuelle wirtschaftliche Lage und die unsichere Entwicklung in der näheren Zukunft machte Zuckerberg einen Schuldigen aus: Smartphone-Hersteller Apple, der es Facebook mit einem Software-Update erschwert, viele Nutzungsdaten von iPhone-Besitzern weiterhin zu sammeln und für individualisierte Werbung zu nutzen.
Trotz allem konnte Facebook aber mehr Profit machen als erwartet: Dank einer operativen Marge von 36 Prozent schloss der Konzern das Quartal mit einem Gewinn von rund 9,1 Milliarden Dollar ab. Für das kommende vierte Quartal stellte Finanzchef Dave Wehner einen Umsatz zwischen 31,5 und 34 Milliarden Dollar in Aussicht – eine bewusst breit gehaltene Spanne.
KI soll Abhilfe schaffen
Denn noch ist unklar, wie sich das Apple-Update genau auf das Weihnachtsgeschäft auswirkt, in dem Facebook typischerweise viel Geld mit Anzeigen verdient. Zudem leiden viele Kunden in der aktuellen Konjunkturlage unter Materialmangel, was sich ebenfalls negativ auf das Anzeigenvolumen auswirken dürfte.
Um wieder Herr der Lage zu werden, will Facebook im Fall des Apple-Updates mithilfe etwa von Künstlicher Intelligenz (KI) zusätzliche Erkenntnisse über seine Nutzer gewinnen. So könnte die Genauigkeit bei zielgruppenspezifischen Werbeanzeigen wieder erhöht werden. Dabei handle es sich aber um ein Langzeitprojekt, sagte Facebooks Chief Operating Officer Sheryl Sandberg.
Die größte Bedeutung hat für Zuckerberg vor allem auf lange Sicht aber ein anderes Vorhaben. Der Firmenchef will in den kommenden Jahren ein „Metaversum“ bauen und das Unternehmen für dieses Ziel neu ausrichten. Dafür entwickelt Facebook auch seine eigene Hardware wie Virtual-Reality-Brillen, die es unabhängiger machen könnte von Software-Updates der Gerätehersteller. Dabei bekommt auch die Tochterfirma Oculus eine wachsende Bedeutung.

Facebook sieht die Zukunft im „Metaverse“.
Schon jetzt kündigte Zuckerberg milliardenschwere Investitionen in das Projekt an und entsprechende Auswirkungen auf die Profite. Im laufenden Jahr soll sich der Gewinn deshalb um rund zehn Milliarden Dollar reduzieren. „Wir werden die Investitionen in den darauffolgenden Jahren erhöhen“, sagte Zuckerberg. Allein in Europa sollen dadurch 10.000 neue Jobs entstehen.
An diesem Donnerstag werden weitere Details zu dem Projekt erwartet. Dann soll laut Medienberichten auch ein neuer Name für den Konzern bekannt gegeben werden.
Vorwürfe über geschönte Nutzerstatistiken
Das Metaversum ist für Facebook die zentrale Strategie, langfristig seine Marktmacht im Internet zu wahren. Zuletzt hatte der Konzern vor allem bei jüngeren Nutzern mit starker Konkurrenz etwa durch die Plattformen Tiktok und Snapchat zu kämpfen.
Noch sind die Zahlen bei Facebook insgesamt mit rund 3,58 Milliarden Nutzern, die sich nach Unternehmensangaben mindestens einmal im Monat auf Facebook, Instagram oder WhatsApp einloggen, allerdings beispiellos.
Der größte Teil davon entfällt weiterhin auf die Mutterplattform, die auf rund 2,9 Milliarden monatliche (und rund 1,9 Milliarden tägliche) Nutzer kommt. Mit diesen Nutzern verspricht Facebook den Werbetreibenden, die das Geschäftsmodell finanzieren, nach wie vor eine ungeheure Reichweite.
Allerdings werden Fake Accounts und Doppelanmeldungen einzelner Nutzer mitgezählt. Facebook selbst gibt den Anteil dieser für Werbung im Prinzip wertlosen Nutzer mit zehn Prozent an. Doch einige Analysten vermuten eine Untertreibung.
So war im Zuge der Veröffentlichungen durch die Whistleblowerin Frances Haugen bekannt geworden, dass die Zahl der täglichen Nutzer im Alter von 18 bis 24 Jahren schon seit mehreren Jahren erodiert. Auch die Zahl der wertlosen Nutzer soll deutlich höher sein als offiziell angegeben, was das Unternehmen selbst dementiert.
Die Lage ist bedrohlich
Und es wäre nicht das erste Mal, dass Facebook im Nachhinein Fehlverhalten eingestehen müsste. So zahlte der Konzern 2019 bereits rund 40 Millionen Dollar als Vergleichssumme an Anzeigenkunden, weil die Statistiken für Videoansichten teilweise um 900 Prozent übertrieben waren.
Die Entwicklung ist bedrohlich – und die Sorge groß, dass Facebook seine Bedeutung als größtes soziales Netzwerk der Welt verlieren könnte. Schon andere Online-Riesen haben vor dem Social-Media-Konzern nach einem kometenhaften Aufstieg einen jähen Absturz erlebt.
An der Börse indes scheinen solche Sorgen gering zu sein: Die Papiere hatten in den vergangenen Wochen zwar deutlich an Wert verloren. Kurz nach Vorlage der Quartalszahlen legten die Facebook-Papiere trotz enttäuschter Analystenerwartungen aber wieder zu. Grund dafür dürfte auch die Ankündigung eines 50 Milliarden Dollar schweren Aktienrückkaufprogramms sein.
Morningstar-Analyst Ali Mogharabi schrieb, Facebook werde Lösungen entwickeln, um die Effektivität der Anzeigen trotz der Apple-Änderungen wieder zu erhöhen. „Wir sind zudem überzeugt, dass Facebooks Nutzerbasis auf lange Sicht Monetarisierungschancen im Bereich der virtuellen und erweiterten Realität bietet“, schrieb der Analyst. „Dies wird nicht nur die Einnahmequellen des Unternehmens diversifizieren, sondern auch den schlagzeilenträchtigen regulatorischen und sozialen Druck abmildern.“ Zum Handelsstart am Dienstag lag die Aktie leicht im Minus.
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