Telekommunikationskonzern Offerte von US-Investor KKR beflügelt italienische Telekom – Aktie steigt um mehr als 30 Prozent

Der Finanzinvestor KKR hatte Tim ein unverbindliches Kaufinteresse mitgeteilt.
New York, Rom Italien war zuletzt nicht gerade als Investorenparadies bekannt. Dass sich nun ein großer Fonds aus dem Ausland für einen italienischen Konzern interessiert, verbucht das Finanzministerium als „positive Nachricht für das Land“: Knapp elf Milliarden Euro will der amerikanische Private-Equity-Fonds KKR bezahlen, um die italienische Telekom (Tim) zu übernehmen – und sie anschließend von der Börse zu nehmen.
Tim ist als Ex-Staatskonzern noch immer Marktführer beim Festnetz in Italien, unter den Mobilfunkanbietern belegt sie Platz zwei. Die Regierung, die von der unverbindlichen Offerte schon länger wissen soll, will nun eine Taskforce aus Ministern und Experten einsetzen, um die Folgen der Übernahme zu untersuchen. Über die Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) ist der Staat an Tim beteiligt, hält knapp zehn Prozent – und hat über seine „goldene Aktie“ ein Vetorecht beim Verkauf.
Bei Tim geht es um sensible Infrastruktur, auch weil zum Konzern zwei Töchter gehören, die sich um Cybersicherheit (Telsy) und die Kommunikation über Seekabel (Sparkle) kümmern. Als sicher gilt, dass Italien auf eine Jobgarantie für die mehr als 42.000 Beschäftigen pochen wird.
Obendrein spielt Tim beim Ausbau des Glasfaser- und 5G-Netzes eine zentrale Rolle. Hier müsste KKR wohl garantieren, sich an die Ausbauziele zu halten. „In einem strategisch wichtigen Sektor wie der Telekommunikation darf sich der Staat nicht einfach der Logik des Markts unterwerfen“, mahnt Maurizio Landini, Chef des Gewerkschaftsbunds CGIL.
Tim profitiert vom Corona-Wiederaufbaufonds
Aber was genau macht die Italiener so attraktiv? Sie sind ein großer Nutznießer von EU-Geldern aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. Allein in den Aufbau einer nationalen Cloud sollen vier Milliarden Euro fließen, hier ist Tim Teil des Konsortiums. Auch die Modernisierung der Breitbandnetze wird gefördert.
Zudem gibt es für Private-Equity-Häuser anhaltenden Druck, Deals abzuschließen. Seit einigen Jahren suchen sie vermehrt nach Übernahmemöglichkeiten in Europa. KKR gehört dabei zu den aktivsten Fonds im europäischen Telekombereich. So sind die Amerikaner etwa Teil einer Investorengruppe, die 2020 den spanischen Telekomanbieter Másmóvil von der Börse genommen hat. 2019 übernahm KKR die Mehrheit am britischen Breitbandanbieter Hypoeroptic.
Und schon 2020 stiegen die Amerikaner mit 37,5 Prozent bei Fibercop in Italien ein. Tim gehören 58 Prozent dieses Unternehmens, das bis Mitte 2026 knapp 2600 italienische Gemeinden ans Glasfasernetz anschließen soll. Laut Medienberichten plant KKR, Tim nach einer Übernahme in eine Netzwerk- und eine Servicesparte aufzusplitten. Als Kompromiss könnten sich die Amerikaner auch vorstellen, die Mehrheit der Netzwerksparte an eine staatliche Einheit wie die Förderbank CDP abzugeben, schreibt die „Financial Times“.
0,505 Euro pro Aktie bietet KKR. Zu wenig, findet der bislang größte Einzelaktionär, der Medienkonzern Vivendi. Die Franzosen, die 23,9 Prozent der Tim-Anteile halten, hatten 2015 noch mehr als einen Euro pro Aktie bezahlt.
Zuletzt glänzte ihr Investment aber nicht gerade mit guten Zahlen. Innerhalb von fünf Jahren ist der Umsatz von Tim um ein Fünftel geschrumpft. Dazu hat der Konzern Verbindlichkeiten von 29 Milliarden Euro angehäuft, die KKR mit übernehmen müsste. Laut Schätzungen der Bank HSBC wird Tims Umsatz in diesem Jahr bei 15,4 Milliarden Euro liegen, 2020 waren es noch 15,8 Milliarden gewesen. Der Nettogewinn könnte bei gerade einmal 110 Millionen Euro liegen.
Tim-Chef Luigi Gubitosi ist angezählt
Kein Wunder, dass Tim-Chef Luigi Gubitosi innerhalb von vier Monaten zwei Gewinnwarnungen herausgeben musste. Intern gilt der 60-Jährige als angezählt. Auch wegen seiner Entscheidung, durch eine Kooperation mit dem Streamingdienst Dazn die Übertragungsrechte an der Fußballliga Serie A einzukaufen. Stand September haben nur eine halbe Million Italiener das Fußballpaket von Tim abonniert. Das ausgegebene Ziel von 1,5 Millionen Kunden liegt noch in weiter Ferne.
Schon jetzt kursieren Namen von möglichen Nachfolgern auf dem Chefsessel: Offenbar soll mit Spencer Stuart bereits ein globales Headhunter-Unternehmen beauftragt worden sein, um nach passenden Kandidaten zu schauen.
Der Zeitplan ist straff: KKR hat sich vier Wochen erbeten, um in die Bücher zu schauen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass nun auch andere Bieter einsteigen. Die Investmentfonds CVC und Advent seien „offen für den Dialog mit allen Beteiligten“, um eine Lösung für die „industrielle Stärkung von Tim zu identifizieren“, hieß es von einem Sprecher beider Fonds aus Mailand.
In welche Richtung der Staat tendiert, könnte schon Donnerstag klar sein: Dann will die Förderbank CDP ihren neuen Strategieplan präsentieren. Das Votum der Anleger ist bereits jetzt eindeutig: Am Montag gewann die Tim-Aktie zeitweise mehr als 30 Prozent.
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