Twitter Vom CTO zum CEO – wofür der neue Twitter-Chef steht

Der langjährige Technologiechef ist bereits seit zehn Jahren bei Twitter.
Düsseldorf Nach dem überstürzten Abgang von Twitter-Mitgründer Jack Dorsey übernimmt ein Veteran des Unternehmens den CEO-Posten. Der bisherige Technologiechef Parag Agrawal war während der vergangenen Jahre für die wichtigsten Themen des Konzerns zuständig, wie den Fokus auf maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz sowie zuletzt die Pläne eines dezentralisierten Netzwerks.
Dennoch dürfte Agrawal vor seiner größten Herausforderung stehen, denn der Druck auf den neuen CEO ist immens.
Agrawal muss ambitionierte Ziele erreichen, die Ex-Twitter-Chef Dorsey ausgegeben hatte. Anfang des Jahres formulierte das Unternehmen das Ziel, innerhalb von drei Jahren den Umsatz zu verdoppeln und die Nutzerzahl von knapp 200 Millionen auf 315 Millionen zu steigern.
Mit Agrawal übernimmt ein profunder Kenner des Unternehmens die Geschäftsführung. Seit einer Dekade ist der 37-Jährige bereits im Unternehmen. Er zählt damit zu den dienstältesten Mitarbeitenden des 15 Jahre alten Tech-Konzerns.
In einer E-Mail an sein Twitter-Kollegium schrieb Agrawal am Montag kurz nach seiner Ernennung zum CEO: „Ich bin vor 10 Jahren zu diesem Unternehmen gekommen, als es noch weniger als 1000 Mitarbeiter gab.“
Für künftige Heruasforderung gut gerüstet
Er habe viele Höhen und Tiefen des Konzerns erlebt. Nun sei die Firma für die künftigen Herausforderung gut gerüstet. „Wir haben kürzlich unsere Strategie überarbeitet und ambitionierte Ziele definiert. Ich halte diese Strategie für mutig und genau richtig“, schrieb Agrawal.
Der 45 Jahre alte Dorsey lobte Agrawal in seiner Abschiedsmail an die Twitter-Belegschaft. „Er ist schon seit einiger Zeit meine Wahl, da er das Unternehmen und seine Bedürfnisse sehr gut kennt“, schrieb Dorsey. Agrawal sei einstimmig vom Aufsichtsrat zum CEO ernannt worden. Dorsey kündigte an, für eine Übergangszeit in den Aufsichtsrat zu gehen, um Agrawal bei seiner Einarbeitung zu unterstützen. Er werde ab im kommenden Jahr aus dem Gremium ausscheiden, kündigte Dorsey an.
Der in Indien geborene Agrawal hatte am Indian Institute of Technology in Mumbai einen Bachelor-Abschluss in Informatik erworben. An der renommierten Stanford University promovierte er zwischen 2005 und 2012 in Informatik. Während dieser Zeit legte er Stationen beim US-Netzbetreiber AT&T und bei den Tech-Firmen Yahoo und Microsoft ein. 2011 stieg er als Programmierer bei Twitter ein. Sechs Jahre später folgte die Beförderung auf den Posten als Technikchef des Konzerns.
Ehemalige Arbeitskollegen äußerten sich sehr positiv über Agrawal. "Parag ist phänomenal, er versteht die Probleme, bleibt bis spät in die Nacht auf, um die Arbeit zu erledigen. Zusätzlich ist er ein guter Mentor für andere", lobte der Ex-Twitter-Programmierer Timothy Chklovski gegenüber dem US-Sender CNBC.
Der ehemalige hochrangige Twitter-Manager Kevin Weil lobte Agrawal: "Er ist seit den Anfängen dabei, von der Entwicklung eines Großteils von Twitters früher Anzeigenplattform bis hin zum Ranking der Twitter-Timeline und mehr", sagte Weil. "Dies sind alles technische Projekte, die aber auch die Seele des Produkts betreffen."
Großer Kontrast zum extravaganten Dorsey
Auch wenn Agrawal als enger Vertrauter von Ex-CEO Dorsey gilt, unterscheiden sich die beiden Manager in ihrem Auftreten deutlich. Dorsey fiel immer wieder durch einen extravaganten Lebensstil auf. Agrawal hielt sich bisher im Hintergrund.
Bei einem der wenigen öffentlich verfügbaren Videos von Agrawal stellte der Manager ein Projekt bei einer Google-Konferenz im Jahr 2018 vor. Dabei ruderte er mit seinen Armen unsicher, während er schnell technische Details dem Publikum präsentierte. Seine fachliche Expertise ist unbestritten. Vor Publik wirkt er jedoch eher schüchtern.
Agrawal wird künftig nicht nur Twitter gegenüber einem großen Publikum präsentieren, sondern auch die Führung des Konzerns gegenüber den Investoren verteidigen müssen. Seit Monaten hatte der Hedgefonds und Twitter-Anteilseigner Elliott den Stil von Dorsey kritisiert.
Elliott-Gründer Paul Singer hatte sich mehrmals öffentlich einen Schlagabtausch mit Dorsey geliefert. Agrawal muss nun zeigen, ob er besser mit dem Großinvestor klarkommt.
Twitter-Aktie rangiert unter dem Wert zu Wochenbeginn
An der Börse wurde Agrawals Wahl zum CEO ernüchtert aufgenommen. Nach den ersten Gerüchten über einen Rücktritt von Dorsey, war die Twitter-Aktie zunächst um mehr als zehn Prozent in die Höhe geschossen.
Als Twitter dann Agrawal als Nachfolger bekanntgab, gab die Aktie wieder deutlich nach. Am Dienstag rangierte die Aktie zwischenzeitlich mehr als drei Prozent unter dem Niveau vom Wochenbeginn.
Bei den zentralen Unternehmenskennzahlen steht Twitter solide da. Die Erlöse stiegen im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 37 Prozent auf 1,28 Milliarden Dollar. Die Zahl der ausgewiesenen, regelmäßigen Nutzerinnen und Nutzer stieg im gleichen Zeitraum um 13 Prozent auf 211 Millionen.
Allerdings musste Twitter für das abgelaufene Quartal einen Verlust von 537 Millionen Dollar ausweisen. Er steht einem Gewinn von 29 Millionen Dollar im Vorjahresquartal gegenüber. Hauptgrund für den hohen Verlust war eine Zahlung von 766 Millionen Dollar von Twitter an seine Investoren. Im Jahr 2014 soll der Konzern mit überzogenen Prognosen seine Anleger getäuscht haben. Die Zahlung sei kein Schuldeingeständnis, betonte der Kurzmitteilungsdienst.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.