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Übernahmen Neuer Geldgeber: Tesla-Investor soll Digitalspedition Sennder börsenreif machen

Die Firma will schneller als geplant die Umsatzmilliarde knacken und an die Börse. Helfen sollen Übernahmen und Baillie Gifford, dessen Geld schon in Tesla, Amazon und Auto1 steckt.
01.06.2021 - 09:07 Uhr Kommentieren
Auf diesem LKW von Scania verkündete Sennder die Übernahme seines französischen Konkurrenten Everoad. LKW-Hersteller Scania zählt zu den Investoren des Berliner Start-ups. Quelle: Sennder
Digitale Spedition

Auf diesem LKW von Scania verkündete Sennder die Übernahme seines französischen Konkurrenten Everoad. LKW-Hersteller Scania zählt zu den Investoren des Berliner Start-ups.

(Foto: Sennder)

Düsseldorf, Hamburg Ein prominenter Kapitalgeber soll die Berliner Digitalspedition Sennder börsenreif machen. Im Investorenkreis habe noch jemand gefehlt, „der uns bei der Vorbereitung auf den IPO unterstützt“, sagt der Chef und Mitgründer David Nothacker. Das übernimmt nun Baillie Gifford. Der Einstieg des britischen Investors von Tesla, Amazon und Auto1 bringt eine Finanzierung von 66 Millionen Euro mit sich.

Die Nachricht ist doppelt überraschend. Der Spezialist für digitale Logistik um Lkw-Komplettladungen hat erst vor etwa fünf Monaten seinen Einhorn-Status verkündet: Nach einer Finanzierungsrunde von gut 130 Millionen Euro wurde er mit 1,1 Milliarden Euro bewertet. Zudem war der Börsengang bisher für 2023 bis 2025 geplant – wenn Sennder eine Milliarde Euro Umsatz erzielt. Jetzt könnte das schneller gehen: „Über unsere Akquisitionsstrategie haben wir die Möglichkeit, noch schneller zu wachsen“, sagt Nothacker:

Mit Innroute, Everoad, Uber Freight Europe und Cars&Cargo hat Sennder in drei Jahren vier Unternehmen gekauft. Außerdem haben die Berliner ein Joint Venture mit der italienischen Poste Italiane gegründet. Bedenkt man, wie schwierig schon die Fusion zweier Unternehmen oft ist, wird klar: Es ist ein andauernder Kraftakt, aber das Unternehmen will genau so weitermachen.

Ob Fernbusse, Lieferdienste oder E-Scooter – in vielen umkämpften Märkten gilt: kaufen oder gekauft werden. Die wagniskapitalfinanzierten Wettbewerber bekämpfen sich, bis der Finanzstärkste die Schwächeren schluckt. So ging das deutsche Roller-Start-up Circ vergangenes Jahr an den kalifornischen Konkurrenten Bird. Flixbus wurde erst durch die Übernahme von MeinFernbus vor sechs Jahren zum unbestrittenen Marktführer. Und der Dax-Konzern Delivery Hero ist das Ergebnis einer weltweiten Einkaufstour.

Sennder hat sich neben jungen Digitalunternehmen aus Europa den Ableger des US-Konzerns Uber einverleibt und ein kleines traditionelles Speditionsgeschäft. So hat es sich zur größten Digitalspedition Europas entwickelt. Weitere Akquisitionen sollen folgen.

Der Mitgründer und CEO von Sennder setzt auf Sicherheit: Sein Start-up soll auch dann profitabel weiterarbeiten können, wenn es mal kein Wagniskapital am Markt gibt. Quelle: Sennder
David Nothacker

Der Mitgründer und CEO von Sennder setzt auf Sicherheit: Sein Start-up soll auch dann profitabel weiterarbeiten können, wenn es mal kein Wagniskapital am Markt gibt.

(Foto: Sennder)

Denn Sennder braucht für sein Plattform-Geschäft zwei Arten von Partnern: Firmen, die Waren per Lkw zu transportieren haben, und Firmen, die diese Aufträge ausführen. Doch in der Pandemie seien die Lastwagen knapp geworden, weil ausländische Fahrer zurück in ihre Heimat gegangen seien, sagt Nothacker.

Deshalb setzt Nothacker auf die Übernahme kleiner, traditioneller Speditionen mit ihren Beziehungen. „Wenn ein Spediteur seine Frachtführer seit 20 Jahren kennt und sagt: ,Probiert dieses neue Tool mal aus', wird die Technologie viel besser angenommen, als wenn wir anrufen und sagen: ,Hallo, wir sind Sennder, komplett digital.'“

Bei der Umsetzung braucht es Fingerspitzengefühl. Gerade hat Sennder mit Cars&Cargo die erste Spedition mit 20 Mitarbeitern übernommen. Eine frühe Erkenntnis: „Mitarbeiter solcher Speditionen, die bisher vor allem Daten in Excel eingetippt haben, machen sich Sorgen um ihren Job.“ Aber Nothacker bietet allen Mitarbeitern die Weiterbeschäftigung an. Dabei hilft, dass die Branche sich nur allmählich digitalisiert: „Wir werden erst in ein paar Jahren komplett digital arbeiten, 20 Prozent der Aufträge werden noch per Telefon vergeben“, sagt Nothacker.

Nach Zukauf: Kulturschock in der eigenen Firma

Als Uber Freight im vergangenen Jahr anrief, wusste bei Sennder zunächst niemand, ob die große US-Firma zur Übernahme ansetzen wollte. Am Schluss kam es andersherum: Uber Freight Europe wurde Teil von Sennder, Uber Freight zum Investor und strategischen Partner, und das Management-Team des US-Start-ups leitet nun das operative Geschäft von Sennder, Tom Christenson als Chef fürs Tagesgeschäft (COO) an der Spitze.

Es folgte eine Art Kulturschock. „Die Mentalität von Uber Freight war: Egal, ob wir jetzt Geld verbrennen, wichtig ist nur, dass wir in zwei, drei Jahren anders dastehen“, schildert Nothacker. „Wir haben eine andere Philosophie.“ Bis heute müsse er daran im Tagesgeschäft manchmal erinnern.

Tom Christenson betont aber auch, dass die übernommenen Firmen nicht komplett „sennderisiert“ werden. So habe Sennder von Uber formalisierte Prozesse übernommen, etwa bei der Aufgabenverteilung und Karrierepfaden. Wichtig sei dabei ein gutes Change-Management. „Wenn man etwas ändert, gibt es immer jemanden, der damit nicht glücklich oder dadurch erstmal irritiert ist.“

Auch für Matthew Gehl, M&A-Berater von JP Morgan, ist die Kultur ein kritischer Faktor: „Wenn die Kulturen nicht zueinander passen, wird der Deal nur schwer funktionieren.“ Eine stark auf den Chef ausgerichtete Führungskultur passe schlecht zu einer konsensual orientierten Organisation, US-Unternehmen fehle oft das Verständnis für die zurückhaltendere europäische Herangehensweise.

Oft sind Investoren Treiber der Übernahme

Bei Übernahmen unter Start-ups spielen auch die Investoren eine große Rolle. „Im vergangenen Jahr haben wir digitale Speditionen gekauft, weil Investoren immer Unternehmen bevorzugen, die deutlich größer und weiter sind als alle anderen.“ Die Rolle hat Sennder vorerst sicher. Nun könne er mit weniger Erfolgsdruck mit einem weiteren Start-up über eine Übernahme verhandeln.

Aber auch auf der Seite der potenziellen Kaufobjekte sind oft vor allem die Investoren Treiber des Geschäfts. Sie hätten großes Interesse, ihr Investment gegen einen Anteil am stärkeren Konkurrenten einzutauschen, sagt Matthew Gehl – schließlich können sie dabei de facto Anteile an einem Verlierer gegen Gewinnerbeteiligungen eintauschen. Bei Sennder hat zum Beispiel der deutsche Wagniskapitalgeber Earlybird für den Verkauf des französischen Start-ups Everoad eine Sennder-Beteiligung erhalten.

Für die Gründer, deren Start-up teils gegen ihren Willen von den Risikokapitalgebern verkauft wird, sind die Deals dagegen ein schwieriger Einschnitt. David Nothacker hält es für wichtig, dass sie zur Integration von Mitarbeitern und Geschäftsbereichen mindestens 18 Monate bleiben. Dazu werden unter anderem Deals gestrickt, bei denen ein Teil des Kaufpreises erst ausgezahlt wird, wenn ein Gründer bis zu einem vereinbarten Stichtag dabeibleibt.

Doch Gehl warnt: Es reiche nicht aus, das Management über finanzielle Anreize halten zu wollen. „Es darf nicht dazu kommen, dass die Gründer nur auf diesen Tag warten, um endlich gehen zu können.“ Sie bräuchten zusätzliche Anreize – etwa indem sie als Chef einer Region oder Einheit selbstständig für mehr Mitarbeiter verantwortlich sind als vor dem Verkauf.

Christenson sieht nach Stationen bei den großen Namen Amazon und Uber bei Sennder für sich persönlich Chancen: „Es ist wichtig zu verstehen, dass die Vertiefung von Verantwortung oft anspruchsvoller ist als die Verbreiterung“, sagt der Ex-Geschäftsführer von Uber Freight Europe. Will heißen: Das Tagesgeschäft bei einem jungen Unternehmen auf Börsenkurs kann herausfordernder sein als das Europageschäft eines internationalen Techkonzerns.

Mehr: Aus dem Silicon Valley nach Berlin: Deutsche Start-ups gewinnen immer mehr Talente aus den USA.

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