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UiPath 29 Milliarden Dollar Bewertung: Europas wertvollstem Start-up gelingt Börsengang in den USA

Die UiPath-Aktie steigt nach dem IPO um 20 Prozent. Der deutsche Investor Earlybird setzte früh auf die Softwarefirma aus Rumänien – gegen viele Zweifel.
21.04.2021 - 19:34 Uhr Kommentieren
Das Start-up hat eine Plattform für die sogenannte Robotic Process Automation für Geschäftskunden entwickelt. Quelle: UiPath
Logo von UiPath

Das Start-up hat eine Plattform für die sogenannte Robotic Process Automation für Geschäftskunden entwickelt.

(Foto: UiPath)

Düsseldorf Dem in Rumänien gegründeten Unternehmen UiPath ist am Mittwoch in den USA der größte Börsengang eines Start-ups mit europäischen Wurzeln gelungen. Die Erstnotierung der Softwarefirma erfolgte zu einer Bewertung von 29 Milliarden Dollar.

Bei der jüngsten privaten Finanzierungsrunde wurde UiPath sogar mit 35 Milliarden Dollar bewertet. Auf das niedrigere Ziel bei der Marktkapitalisierung hat man sich mit den Banken wohl geeinigt, weil der Hype um die Clouddienste an den Börsen zuletzt nachgelassen hat.

So war ein schneller Kursanstieg fast zu erwarten und trat auch ein: Binnen kurzer Zeit stieg die Aktie um 20 Prozent und ging sogar mit einem Plus von 23,2 Prozent aus dem Handel. Den Börsengang kann neben CEO und Mitgründer Daniel Dines vor allem der deutsche Start-up-Finanzierer Earlybird als immensen Erfolg verbuchen.

UiPath ist Spezialist für Software-Roboter. Die Technologie automatisiert repetitive Tätigkeiten von Menschen am Computer – so sparen Konzerne Arbeitskraft und Geld. Der Markt soll 2021 laut der Analysefirma Gartner 1,89 Milliarden Dollar schwer sein und bis 2024 mit zweistelligen Prozentraten weiterwachsen.

Banken, Handel und Gesundheitssektor setzen heute die Software von UiPath ein. Bei Versicherungen kann sie automatisch Schadensfälle bearbeiten. Die Firma konnte den Umsatz im vergangenen Jahr um 81 Prozent auf 607,6 Millionen Dollar steigern und dabei den Nettoverlust um 80 Prozent auf 92,4 Millionen Dollar verringern.

Doch noch vor wenigen Jahren war unklar, wann die sogenannte Robotic Process Automation (RPA) sich durchsetzt – und wer dabei Marktführer werden könnte. Dass es ausgerechnet einer kleinen Firma aus Bukarest gelang, zeigt die Komplexität des Wagniskapitalgeschäfts in seinem neuen globalen Ausmaß.

Eine Anekdote aus dem Dezember 2015 erzählte Earlybird-Gründungspartner Hendrik Brandis in den vergangenen Monaten besonders gern. Sie ereignete sich, als die auf den Technologiebereich spezialisierte Wagniskapitalfirma ihren Investoren die neuesten Portfoliofirmen präsentierte.

UiPath-Chef Daniel Dines stellte sein Start-up persönlich vor. „Ich bin froh, dass Sie da nur eine Million Dollar reingesteckt haben“, sagte ein Fondsinvestor danach im Vertrauen zu Brandis. Die Sache werde sich bald erledigt haben. Niemand verstehe, „was dieser Typ macht.“

Nun hat sich jene Million von Earlybird nach Berechnungen des Handelsblatts mindestens um das 1813-fache multipliziert. Eine Rendite, die ihresgleichen sucht.

Start-ups in Rumänien finanzieren sich zuerst selbst

Rückblickend wirken die Entwicklungen im Wagniskapitalgeschäft oft plausibel. Aber auch Brandis räumt ein, dass erst seine Kollegen ihm begreiflich machen konnten: Die Software von UiPath erledigt stupide Büroarbeit, wie es Industrieroboter in der Fabrik tun. Der studierte Mathematiker Daniel Dines drückte das damals sehr viel technischer aus.

In der Zeit um den IPO dürfen Investoren gemäß den Regeln der US-Börsenaufsicht keine Interviews geben. Deshalb hat sich das Handelsblatt schon vor einiger Zeit mit ihnen über die Anfänge von UiPath unterhalten.

„Daniel war kein großer Präsentierer“, sagt Dan Lupu, selbst gebürtiger Rumäne und einer von vier „Digital East“-Partnern von Earlybird, die mit einem eigenständigen Fonds in Osteuropa und der Türkei investieren. Er war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Wagniskapitalfirma trotzdem Geld in UiPath steckte.

In Deutschland gehört es zum Selbstverständnis vieler Gründer, Verkäufer zu sein. In vielen Segmenten dreht sich alles um die Frage, wer Investoren überzeugen kann. In Rumänien hingegen finanzieren sich Start-ups typischerweise selbst. „Die gesamte Region leidet unter einem chronischen Mangel an institutionellem Kapital“, sagt Lupu. Wer finanzieren will, muss suchen: Von UiPath erfuhr er 2014 durch einen Bekannten.

Der heute 49-Jährige tat sich mit dem Verkaufen seiner Geschäftsidee zunächst schwer. Quelle: imago images / IP3press
Daniel Dines

Der heute 49-Jährige tat sich mit dem Verkaufen seiner Geschäftsidee zunächst schwer.

(Foto: imago images / IP3press)

Die Firma war 2005 unter dem Namen Deskover als Outsourcing-Dienstleister gestartet. Nun dachte Daniel Dines über das Thema Prozessautomatisierung nach. „Als wir uns das erste Mal zum Kaffee trafen, saßen zehn Leute dicht gedrängt in dem Büro in einem Apartmentblock“, berichtet Lupu. „Da gab es noch kein Produkt, da gab es noch kein kommerzielles Modell – nur eine sehr einfache Demo“.

14 Monate, bis sich Investoren und Gründer einig waren

Der Investor wusste, dass solche Ideen schon mehrfach ohne durchschlagenden Erfolg verfolgt worden waren. Aber er sah Potenzial. Die großen Technologieunternehmen hatten noch kein Interesse an dem Markt gezeigt. Wettbewerber mit schätzungsweise zehn Millionen Dollar Jahresumsatz hielt er mit einer Kapitalspritze für einholbar.

„Kurioserweise waren wir die einzige Option für UiPath“, sagt Lupu. „Aber sie haben dem System, Investorengeld anzunehmen, vollkommen misstraut. Warum wollen uns Investoren Geld geben? Wie wollen sie uns über den Tisch ziehen?“

14 Monate dauerte es, bis sich Gründer und Investor einig waren. Nebenbei suchte Lupu Co-Investoren, nur eine von 15 Wagniskapitalfirmen habe dabei sein wollen. Credo Ventures aus Tschechien habe dann auch Seedcamp aus London von einer Beteiligung überzeugt.

Eine der ersten Vereinbarungen zwischen Investor und Gründer: UiPath muss nach New York ziehen. Der rumänische Heimatmarkt gab kein geeignetes Testgebiet her.

Das weltweite Geschäft aber hätte sich für UiPath nicht besser entwickeln können: „Direkt nach unserem Investment nahm der Markt Fahrt auf, und es gab einen regelrechten Ansturm von Firmen, die RPA-Technologie testen und implementieren wollten“, sagt Lupu. Internationale Kunden brachten den Durchbruch – aus Japan, aus Indien, vor allem aus den USA.

Investoren hatten das in Rumänien gegründeten Softwareunternehmen zum Umzug in die USA gedrängt. Quelle: UiPath
UiPath-Büros in New York

Investoren hatten das in Rumänien gegründeten Softwareunternehmen zum Umzug in die USA gedrängt.

(Foto: UiPath)

Dass der renommierte US-Fonds Accel frühzeitig von UiPath erfuhr und beim IPO laut Börsenprospekt die meisten Anteile vor Earlybird hält, hat wiederum mit einer Rumänin zu tun. Die damalige Accel-Partnerin Luciana Lixandru beschloss bei einem Besuch in ihrem Heimatland, die Schlüsselpersonen im dortigen Wagniskapitalgeschäft ausfindig zu machen.

Bis dato hatte sie sich nie mit der rumänischen Szene beschäftigt, erzählt sie dem Handelsblatt. „Ich fragte herum, und irgendjemand stellte mir Dan Lupu vor.“ So hörte sie bei einem Kaffee erstmals von Prozessautomatisierung. Einige Monate später, es war Anfang 2017, führte Accel die erste große Finanzierungsrunde (Series A) von UiPath über 30 Millionen Dollar an.

Im September 2018 twitterte UiPath, man erziele nun jährlich wiederkehrenden Umsätze von hundert Millionen Dollar. Es war das Jahr, in dem das Start-up zum Einhorn wurde. So nennen sich Start-ups mit einer Bewertung von einer Milliarde Dollar. Ende 2019 wurde UiPath mit einer Bewertung von gut zehn Milliarden Dollar sogar zu Europas erstem „Decacorn“.

Als eines der größten Risiken neben den bisher fehlenden Profiten gilt vor allem die wachsende Konkurrenz sogenannter No-Code-Firmen, die UiPath ähneln.

Osteuropa profitiert von starker MINT-Bildung

Luciana Lixandru hält rückblickend zwei Dinge für entscheidend. Erstens habe die kleine Firma aus Rumänien ein besonderes Selbstverständnis entwickelt. „Bei meinem ersten Besuch habe ich den Fehler gemacht, zu sagen: Wow, es wäre so großartig, in eine rumänische Firma zu investieren.“ Darauf habe jemand geantwortet: „Wir sitzen zwar in Rumänien, aber wir sind ein Silicon-Valley-Unternehmen“, erzählt die inzwischen für den Accel-Konkurrenten Sequoia tätige Managerin.

Der Partner von Earlybird warb 14 Monate lang um das Vertrauen von UiPath-Gründer Daniel Dines, bis dieser sein Investment annahm.
Dan Lupu

Der Partner von Earlybird warb 14 Monate lang um das Vertrauen von UiPath-Gründer Daniel Dines, bis dieser sein Investment annahm.

Zweitens hätten große internationale Unternehmen schnell erkannt, dass die Weiterentwicklung von UiPath ihr eigenes Geschäftsmodell transformieren könnte. Sie berichtet von einem Kundenevent aus frühen Tagen, bei dem erfahrene Manager einander sagten: „Wenn das im großen Stil funktioniert, werden wir unser Geschäft ganz anders führen können.“

Glück gehört zum Risikokapitalgeschäft dazu. Zufall ist das rumänische Start-up-Wunder nicht. Vielmehr wird die Region unterschätzt. Unter sowjetischem Einfluss wurde das Bildungssystem naturwissenschaftlich und technisch geprägt, aus Sicht von Earlybird ein Vorteil Osteuropas. Im Frühjahr hat der Wagniskapitalgeber seinen zweiten „Digital East“-Fonds mit nun 200 Millionen Euro aufgelegt.

„Um bahnbrechende, disruptive Technologien zu entwickeln, braucht man heute keine großartige Infrastruktur mehr, sondern nur ein helles Köpfchen“, sagt Hendrik Brandis. Die Wagniskapitalindustrie habe das aber noch nicht vollumfänglich verstanden.

Nach der Beobachtung von Luciana Lixandru ist UiPath-Gründer Dines inzwischen vielen Gründern insbesondere abseits von Metropolen ein Vorbild. Der hat einmal über seine Start-up-Anfänge gesagt: „Ich wusste nicht einmal, dass es die Idee eines Start-ups ist: Geld von Investoren aufzunehmen, Ideen zu validieren, ein Produkt für den Markteinstieg zu entwickeln und dann eine Strategie.“

Die Investorin und gebürtige Rumänin schloss 2017 den UiPath-Deal für Accel. Heute ist sie für Sequoia tätig, das ebenfalls an der Firma beteiligt ist.
Luciana Lixandru

Die Investorin und gebürtige Rumänin schloss 2017 den UiPath-Deal für Accel. Heute ist sie für Sequoia tätig, das ebenfalls an der Firma beteiligt ist.

Börsengang: So lässt sich berechnen, was Investoren verdienen

Um nachzuvollziehen, wie sich der IPO-Erlös für die Investoren auszahlt, muss man sich neben öffentlich verfügbarer Zahlen über Finanzierungssummen und Bewertungen branchentypischer Annahmen bedienen. Demnach dürfte der Kreis der Seed-Investoren 2015 etwa 20 Prozent an UiPath erworben haben, 12,5 Prozent dürften auf Earlybird entfallen sein.

In der Folge sind Verwässerungseffekte zu beachten. Jede Kapitalerhöhung, bei der ein Investor nicht mindestens in dem Verhältnis mitinvestiert, in dem er bis dato beteiligt ist, schmälert seinen Anteil. Für einen kleinen Fonds ist diese Möglichkeit schnell ausgeschöpft.

Rechnet man den UiPath-Fall nach, hätte sich der Anteil der ersten Investoren bei maximaler Verwässerung bis zum Börsengang halbiert. Für diese Beteiligungen ergibt sich der Multiplikationsfaktor von 1813. Durch Folgeinvestitionen von insgesamt neun Millionen Dollar dürfte sich Earlybird allerdings einen Anteil von knapp zehn Prozent erhalten haben und entsprechend insgesamt 2,9 Milliarden Dollar einstreichen. Beim IPO wird die Firma allerdings nur fünf Prozent ihrer eigenen Anteile verkaufen - ein Hinweis, dass sie von einer sicheren Wertsteigerung ausgeht.

Vernachlässigt ist hier, dass Earlybird und die anderen Frühphaseninvestoren bereits in sehr kleinem Umfang Anteile verkauft haben dürften, um ihr Risiko zu mindern.

Mehr: Start-ups aus Europa bringen Investoren höhere Renditen als die Konkurrenz aus dem Silicon Valley.

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