Unternehmenssoftware Wie Oracle-Gründer Larry Ellison mit Netsuite SAP den Mittelstand streitig machen will

Der Oracle-Gründer will mit Netsuite einen neuen Konkurrenten für SAP in Deutschland etablieren.
Las Vegas, Düsseldorf Bis zum Einzug sind es nur noch einige Wochen: Bald schon wird Netsuite seine Software aus einem Rechenzentrum in Frankfurt anbieten – und damit die Kunden auf dem wichtigen deutschen Markt direkt ansprechen können. „Wir hatten früher nicht die Mittel, die Markterfahrung und den Zugang, um in Deutschland Fuß zu fassen“, gibt Mitgründer Evan Goldberg zu.
Das änderte sich 2016, als Oracle die Firma für 9,3 Milliarden Dollar übernahm. „Ich kann Ihnen sagen“, versichert Goldberg am Rande der Hausmesse Suiteworld, „schon im ersten Gespräch mit Larry Ellison wurde klar gemacht, dass Deutschland erste Priorität hat.“ Wenn das Unternehmen seine Versprechungen wahrmacht, bekommt SAP nun einen weiteren potenten Konkurrenten.
Das Interesse an Deutschland liegt an der Vielzahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen, der Zielgruppe von Netsuite. Die „Cloud Only Company“ hat 16.000 Kunden weltweit, überwiegend allerdings in den USA.
Die Plattform Suitecloud, im besten Fall in wenigen Stunden installiert, steuert alles, von der Personalverwaltung über die Warenwirtschaft und Produktionssteuerung bis zur Finanzbuchhaltung. Im Fachjargon ist vom Enterprise Resource Planning (ERP) die Rede.
Diese Kategorie hatte SAP einst erfunden: Die fünf Gründer schrieben 1972 die erste Standardsoftware für Lohnabrechnung und Buchhaltung. Heute verkauft der Dax-Konzern seine Software weltweit, doch in seiner Heimat Deutschland ist er besonders stark vertreten. Der Marktanteil bei ERP-Anwendungen liegt nach Einschätzung des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Teknowlogy PAC bei etwa 60 Prozent.
Der Markt ist allerdings im Umbruch. Immer mehr Unternehmen nutzen Anwendungen aus der Cloud, auf die Kunden einfach übers Internet zugreifen. Der Aufwand für Installation und Wartung ist gering, zusätzliche Kapazitäten lassen sich flexibel buchen. Die Kosten lassen sich daher gut kalkulieren.
Auch bei der Unternehmenssteuerung gewinnt Cloud-Computing an Bedeutung. Nach einer Studie des Marktforschers IDC werden 2020 bereits 40 Prozent aller großen Organisationen 60 Prozent ihrer ERP-Systeme in der Cloud laufen lassen. Dazu kommen immer mehr kleine und mittlere Unternehmen, die ihre Geschäfte derzeit noch mit einfachen Mitteln steuern, teils mit Excel-Dateien.
„Unsere Kunden haben oft nur wenige bis ein paar hundert Mitarbeiter und wenige Millionen Dollar Umsatz“, berichtet Goldberg, der im Rang eines Executive Vice President weiter eine führende Rolle hat. Netsuite werde zum Softwarelieferanten. „Und dann wachsen wir zusammen immer weiter.“
In Deutschland nutzen Start-Ups wie Smaato, Elgato, MeineStadt.de und MYCS die Plattform, zudem mittelgroße Unternehmen wie die Software AG. Das Geschäft läuft rund: Im abgelaufenen Quartal ging der Umsatz um mehr als 30 Prozent nach oben.
SAP hingegen ist Marktführer bei Dax-Unternehmen. Auch die Fortune-500-Konzerne, also die nach dem US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“ 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt, nutzen überwiegend Software von SAP. Für das neue Programmpaket S/4 Hana, 2015 eingeführt, haben sich bereits 10.500 Kunden entschieden. Für kleinere Unternehmen bietet der Softwarehersteller die Lösungen Business ByDesign und Business One an, beide aus der Cloud. Die Konkurrenz in diesem Segment ist allerdings groß.
Die Verbreitung der Lösungen schlüsselt SAP nicht auf. Im Oktober 2018 ließ Finanzchef Luka Mucic immerhin wissen, dass 600 der damals 9500 Kunden des Programmpakets S/4 Hana die Cloud-Version nutzen. Der Umsatz damit wachse dreistellig, betonte er.
„Netsuite braucht sich bei den Funktionen nicht vor SAP zu verstecken“, urteilt Frank Niemann, Analyst bei Teknowlogy PAC. Die Software verfüge über starke Funktionen beispielsweise für Finanzverwaltung, Lieferkette und Handel. Damit sei sie für kleine und mittelständische Unternehmen sehr gut geeignet, gerade wenn diese internationale Standorte haben: Die zentrale Datenhaltung erleichtert die Steuerung der Finanzströme.
Zudem investiere Netsuite, um seine Software für verschiedene Branchen anzupassen – eine Strategie, mit der SAP ebenfalls viel Erfolg hatte. In der Dienstleistungsbranche komme die Software des Unternehmens beispielsweise schon vergleichsweise häufig zum Einsatz, in der Fertigung dagegen selten. In den Konzernen, so Niemann, seien SAP und Oracle allerdings weiterhin unersetzlich.
Für den Verkauf ist jedoch nicht nur das Produkt wichtig, sondern auch der Marktzugang. SAP wickelt 90 Prozent des Geschäfts über Partner ab, also IT-Dienstleister, die Kunden beraten und die Software bei ihnen einrichten – 1500 gibt es allein Deutschland, viele davon richten sich an kleine und mittelständische Unternehmen.
Die Konkurrenz tut sich dagegen schwer. „Netsuite will die zentraleuropäischen Märkte adressieren, aber bislang sieht man hier auf dem deutschen Markt noch nicht allzu viel davon“, sagt Analyst Niemann. Bislang gebe es nur wenige IT-Dienstleister, die die Produkte für Netsuite verkaufen und einrichten – das sei jedoch entscheidend, um den Mittelstand zu erreichen. „Auf dem deutschen Markt ist es eine Herausforderung, neue Partner zu gewinnen“, sagt Niemann.
Netsuite-Mitgründer Goldberg gibt sich gelassen: Oracle soll dem Unternehmen helfen, in Deutschland Fuß zu fassen. „Wir sind ganz einfach jetzt fertig für den Markteinstieg“, sagt er.
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