Vectronic-Aerospace Wölfe rund um die Welt tragen Halsbänder dieses Berliner Unternehmens

Vectronic-Aerospace zählt sich selbst zu den weltweiten Marktführern im Bereich der technologiegestützten Wildtierbeobachtung.
Berlin Mit leisem Schritt überquert der Wolf die Wiese, nähert sich einem Fluss. An einer flachen Stelle steigt er vorsichtig ins Wasser. Schon packt er zu. Das Opfer, ein Fisch, hat keine Chance zu entkommen. Diese Szene ist auf YouTube zu sehen.
Die Bilder wurden im Voyageurs Nationalpark im US-Bundesstaat Minnesota aufgenommen – von einer vollautomatischen Kamera, die am Hals des Wolfes angebracht war. Hergestellt wurde sie vom Berliner Unternehmen Vectronic-Aerospace.
Das amerikanische Forschungsprojekt „Voyageurs Wolf Project“, das die spektakuläre Jagdszene veröffentlicht hat, gehört zu den langjährigen Kunden der mittelständischen Spezialfirma mit Sitz in Adlershof. Vectronic-Aerospace zählt sich selbst zu den weltweiten Marktführern im Bereich der technologiegestützten Wildtierbeobachtung.
Die Halsbandkamera sei ein vergleichsweise neues Produkt, sagt Alexander Hecht, der bei Vectronic-Aerospace für die Kund:innenbetreuung zuständig ist. Andere Messgeräte kommen auch bei der Forschung in Deutschland zum Einsatz, zum Beispiel beim Wolfs-Monitoring in der Lausitz.
Einer der Bestseller im Sortiment ist das Halsband „Vertex Plus“, mit dem mehrere Sender an einem Wolf angebracht werden können. Es wird von Hand gefertigt und kann an die Bedürfnisse der jeweiligen Auftraggeber:innen angepasst werden.
Besonders große Nachfrage vor Weihnachten
Zur Grundausstattung gehört ein GPS-Sender, der nach Herstellerangaben 365.500 Standorte speichern kann. Außerdem sind mehrere Sensoren verbaut, die zum Beispiel die Außentemperatur messen oder Ruhephasen des Tiers erkennen.
or Weihnachten habe seine Firma jedes Jahr besonders viel zu tun, sagt Hecht, denn die Nachfrage nach Messgeräten sei höher. Forschende kauften zum Jahresende neue Geräte, weil die Wildtiere im Winter leichter zu fangen seien. Um einen Sender anlegen zu können, wird das Tier betäubt.
Sobald das Halsband sitzt, wird der Wolf wieder freigelassen. Forschende benötigen dafür spezielle Genehmigungen. Der Ablauf ist tierschutzrechtlich genau geregelt. Die Gewichte der Messgeräte seien unterschiedlich, je nach Tierart, erläutert Hecht. Ein Wolfshalsband wiege zwischen 400 und 500 Gramm.
Vectronic-Aerospace habe aber auch Halsbänder für Elefanten im Angebot mit mehreren Kilogramm Gewicht. Außerdem gebe es leichte Varianten, etwa für Luchse. Anhand der Ortungsdaten wird auf einer Karte nachvollzogen, wo sich die Tiere zu welchem Zeitpunkt aufgehalten haben.
Es kommt auch immer darauf an, wie gut der Netzempfang im Wald ist. Alexander Hecht, Vectronic-Aerospace
Eine Überwachung in Echtzeit ist nicht möglich. Messungen und Datenübertragungen kosten Strom. Um eine lange Betriebsdauer zu ermöglichen, liegen zwischen den Ortungen meist mehrere Stunden. Zudem werden Daten gebündelt gesendet.
„Es kommt auch immer darauf an, wie gut der Netzempfang im Wald ist“, sagt Alexander Hecht. Ein Problem, das nicht nur Wolfsforscher haben. Dem sächsischen Lupus-Institut zufolge sind die Batterien spätestens nach etwa zwei Jahren aufgebraucht.
Die Forschung soll Schäden und Konflikte vermeiden
Die Halsbandsender besitzen einen sogenannten Drop-Off-Mechanismus, der das Halsband automatisch öffnet. Das soll einerseits das Tier entlasten. Zum anderen ermöglicht es aber auch den Forschenden, das Halsband wieder einzusammeln. Dann können weitere Daten ausgelesen werden, die sich nicht übermitteln lassen.
Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Wolf streng geschützt nach europäischem Recht. In Deutschland wird dies vom Bundesnaturschutzgesetz geregelt. Alle deutschen Flächenländer haben Leitlinien für den Umgang des Menschen mit den Wildtieren erlassen.
Dieses Wolfsmanagement soll Schäden vermeiden und Risiken reduzieren, etwa für Landwirte, die Nutztiere halten. Doch das kann nur funktionieren, wenn genügend belastbare Daten vorliegen
In verschiedenen Forschungsprojekten wurde das Wolfsverhalten bereits untersucht, unter anderem mittels Halsbandsendern. Auf Grundlage der gesammelten Daten werden immer genauere Modelle entwickelt.
Im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz vergleichen Forschende zum Beispiel Gebiete, die bereits von Wölfen bewohnt werden mit anderen Regionen. So können sie voraussagen, wo sich die Tiere in Zukunft ausbreiten könnten.
Mitunter überrascht der Wolf die Forscher. Im Rahmen einer Pilotstudie in der Lausitz wurden zwischen 2009 und 2011 sechs Wölfe mit Sendern von Vectronic-Aerospace ausgestattet. Dem Bericht der Forschungsgruppe zufolge wurden die Tiere zuvor mit gepolsterten Fußfallen eines britischen Herstellers gefangen.

Auch andere Wildtiere werden mit den Spezialhalsbändern von Vectronics-Aerospace erforscht.
Die Sender waren so eingestellt, dass sie sechsmal täglich ihre Position übermittelten, im Abstand von vier Stunden. Untersucht wurde ein Wolfsrudel, dass sein Revier in den Landkreisen Görlitz und Bautzen im Nordosten Sachsens sowie im Landkreis Spree-Neiße im Südosten Brandenburgs eingerichtet hatte.
Dieses Areal ist von der Braunkohle geprägt, sowohl vom noch aktiven Bergbau als auch bereits rekultivierten Flächen und künstlichen Seen. Die Böden des flachen Gebiets sind sandig und zum großen Teil mit Kiefernforsten bedeckt, teilweise auch mit Mischwäldern aus Eichen und Kiefern. Eine lückenlose Beobachtung wäre ohne die Sender äußerst schwierig in diesem Terrain.
Zwei der sechs beobachteten Tiere waren älter als zwei Jahre und verfügten über ein eigenes Territorium, als sie „besendert“ wurden, wie es im Fachjargon heißt. Wölfe leben in einem Rudel, welches meist aus beiden Elterntieren und deren Nachkommen besteht.
Ein Rudel lebt und jagt in einem festen Revier. Im Alter von elf bis 24 Monaten verlassen die meisten Wölfe ihre Eltern und suchen sich ein eigenes Territorium. Zwei männliche Tiere wanderten ab, um eigene Gebiete zu suchen.
Ein Wolf wanderte bis nach Belarus
Der erste Wanderwolf zog im März 2009 im Alter von zehn Monaten westwärts. Er lief etwa 390 Kilometer in nordwestlicher Richtung, wobei er die Autobahn A 13 am Dreieck Spreewald überquerte. Dann umrundete er die Stadt Luckenwalde südlich von Berlin, kehrte aber letztlich wieder nach Ostsachsen zurück, um dort sesshaft zu werden.
Sein Bruder, der in der Studie „MT3“ genannt wird, zog in Richtung Nordosten, überquerte die A 15, durchschwamm Oder und Neiße, um dann ganz Polen auf einer Strecke von fast 400 Kilometern zu durchlaufen. An der Grenze zu Litauen und Belarus pausierte der Wolf für sieben Wochen in einem Wald.
Nach insgesamt 66 Tagen Wanderung, etwa 800 Kilometer Luftlinie entfernt vom elterlichen Jagdrevier, sendete sein Halsband ein letztes Mal. Was aus MT3 wurde, ist unbekannt. Für Modelle der Gebiete, in denen sich Wölfe aufhalten oder in Zukunft ansiedeln könnten, werden aber nur Daten von Tieren verwendet, die ein eigenes Revier haben.
Für eine solche Habitatmodellierung werden die Messdaten der Halsbänder mit Datenbanken abgeglichen, in denen die Landbedeckung gespeichert ist, zum Beispiel Wald oder Ackerland. Diese Daten basieren auf Satellitenbildern, die die Europäische Umweltagentur kostenfrei zur Verfügung stellt.
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Könnte das Handelsblatt endlich mal wieder richtiges Deutsch verwenden und "Forscher" anstelle dieses albernen "Forschende" schreiben?