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Virusbekämpfung Singapur zeigt die Schwächen von Corona-Apps – und setzt auf ein neues Gerät

Singapurs Corona-App gilt als Vorbild für Deutschland. Doch nun zeigt deren Anwendung ihre Tücken. Die Behörden setzen dort jetzt auf neue Technik.
14.06.2020 - 08:51 Uhr Kommentieren
Die App wertet Bluetooth-Signale von anderen Nutzern aus, die die App ebenfalls installiert haben. Quelle: Imago
Corona-App

Die App wertet Bluetooth-Signale von anderen Nutzern aus, die die App ebenfalls installiert haben.

(Foto: Imago)

Bangkok Die App zur Eindämmung des Coronavirus hat Singapur zum globalen Vorbild gemacht: Vor beinahe drei Monaten startete die Smartphone-Anwendung, die den Behörden des Stadtstaates bei der Suche nach Kontaktpersonen von Infizierten helfen sollte. Doch die Bilanz des Systems ist durchwachsen.

Wenige Tage, bevor eine ähnliche App in Deutschland starten soll, schwenkt Singapur nun auf eine neue Strategie um: Wegen der schlechten Erfahrungen mit der Smartphone-Anwendung setzt die Regierung künftig auf ein eigens entwickeltes Gerät, das völlig unabhängig von Handys funktionieren soll – und womöglich verpflichtend werden könnte.

Die Probleme von Singapurs Contact-Tracing-App zeigen auf, mit welchen Schwierigkeiten auch die App der Bundesregierung womöglich zu kämpfen haben wird. Die größte Hürde: Nur eine Minderheit ist bereit, die App zu installieren.

Die „TraceTogether“-App in Singapur wertet ebenso wie die deutsche Variante Bluetooth-Signale von anderen Nutzern aus, die die App ebenfalls installiert haben. Dadurch lässt sich erkennen, wer mit wem Kontakt hatte. Doch das Prinzip ist nur dann wirklich aussagekräftig, wenn ein Großteil der Bevölkerung das System verwendet. In Singapur hat die App nach Angaben der Regierung 1,5 Millionen Nutzer – das ist rund ein Fünftel der Bevölkerung.

„Mathematisch gesehen ist das immer noch zu niedrig“, sagte diese Woche Singapurs Außenminister Vivian Balakrishnan, der auch die Smart-Nation-Initiative des Landes verantwortet. Seinen Angaben zufolge sollten mehr als 75 Prozent die App nutzen, damit das Prinzip optimal funktioniere.

Dass es auch in Deutschland schwer werden dürfte, solche Werte auch nur annähernd zu erreichen, legte vergangene Woche eine Umfrage der ARD nahe. Demnach kündigten nur 42 Prozent der Befragten an, die Corona-App auf ihrem Handy installieren zu wollen.

Zehntausende Unterschriften gegen die Technik

Um künftig mehr Menschen mit digitaler Kontaktnachverfolgung erfassen zu können, geht Singapur nun einen neuen Weg: In den kommenden Tagen wollen die Behörden kleine Bluetooth-Geräte verteilen, die im Prinzip gleich funktionieren wie die App – aber möglicherweise auf höhere Akzeptanz stoßen.

„Tracetogether Token“ heißt die neue Technik, die nach dem Willen der Regierung demnächst an jeden Einwohner verteilt werden soll. Die Benutzer sollen das Gerät an der Kleidung oder in der Tasche mit sich führen – ein sogenanntes „Wearable“, das wie ein Fitnessarmband immer dabei ist.

Gute Kontaktnachverfolgung sei „absolut essenziell“, sagte Balakrishnan als Begründung für den neuen Ansatz. Das gelte aus seiner Sicht besonders angesichts der Lockerungen bisheriger Anti-Corona-Maßnahmen. Es gehe darum, Infektionsfälle so schnell wie möglich identifizieren zu können. „Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig das ist – und da kommen die digitalen Werkzeuge ins Spiel.“

Die Einführung des Contact-Tracing-Tokens greift Schwächen des App-basierten Systems auf, die sich in den niedriger als erhofften Nutzerzahlen dokumentierten. So sorgten sich Anwender unter anderem, dass die ständige Bluetooth-Nutzung dazu führen würde, dass der Handy-Akku schneller leer wird. Auch mit Blick auf den Datenschutz wurde vielen Menschen beim Gedanken mulmig zumute, sich eine Regierungs-App auf das Smartphone zu laden.

Wie groß die Bedenken sind, ist auch daran zu sehen, dass sogar der geplante Token auf Widerstand stößt – obwohl er rein technisch naturgemäß weniger Möglichkeiten zum Missbrauch bietet, weil er sich eben nicht den Speicher mit anderen Daten teilt. Eine Internetpetition gegen die Technik hat binnen weniger Tage mehr als 40.000 Unterschriften bekommen.

Erster Versuch auf freiwilliger Basis

Minister Balakrishnan gibt sich Mühe, die Bedenken zu zerstreuen: „Ich betone, es ist kein Überwachungsgerät“, sagte er mit Blick auf die Tokens. Diese hätten nicht einmal einen GPS-Chip und auch keine Telefon- oder Internetverbindung. Die per Bluetooth gesammelten Kontaktdaten könnten ausschließlich von den zuständigen Gesundheitsbehörden ausgelesen werden.

Ob die Argumente genügend Menschen überzeugen werden, den Token auch tatsächlich mit sich zu führen, kann Balakrishnan noch nicht abschätzen. Er wolle es erst auf freiwilliger Basis versuchen, sagte er, räumte aber ein, dass der Token je nach Entwicklung der Coronakrise auch verpflichtend getragen werden könnte.

Die neuen Geräte sollen seinen Worten zufolge auch weniger technische Probleme haben als die App, die oft an Apples iPhone-Betriebssystem iOS gescheitert ist. Dieses habe nicht zugelassen, dass die App Bluetooth-Signale auch dann empfängt, wenn sie nur im Hintergrund läuft. „Wir hatten darüber mehrere Gespräche mit Apple, aber es ist nicht gelungen, eine befriedigende Lösung zu finden“, sagte Balakrishnan.

Insgesamt will seine Regierung nun in diesem Jahr 2,5 Milliarden Dollar für neue IT-Lösungen ausgeben, die unter anderem im Kampf gegen das Coronavirus helfen sollen – das sind 30 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr geplant.

Technologiezulieferer erhoffen sich gute Geschäfte – auch in den Nachbarländern: David Su, der Chef des Chipherstellers Atmosic, der an Drahtlostechnik mit äußerst geringem Batterieverbrauch arbeitet, sieht großes Potenzial: Im Kampf gegen das Virus würden künftig wohl „zahlreiche, wenn nicht sogar alle Regierungen Asiens“ auf Wearables setzen, lautet seine Prognose.

Mehr: Warum die Corona-Warn-App ein Experiment ist

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