WhatsApp-Alternative „Wir kommen bei den Anfragen kaum nach“: Immer mehr Firmenkunden wechseln zu Threema

Der Dienst verspricht mehr Datenschutz im Vergleich zu WhatsApp.
München Das Jahr fängt für Threema gut an: Die Messenger-App aus der Schweiz verzeichnet ein wachsendes Interesse bei Firmenkunden: „Wir kommen kaum nach, die Anfragen zu beantworten“, sagte Co-Gründer und CEO Martin Blatter dem Handelsblatt.
Es ist kein Zufall, dass das Geschäft der kleinen Firma aus Pfäffikon gerade jetzt so gut läuft: Anfang Januar kündigte WhatsApp an, seine Datenschutzrichtlinien zu verändern. Das verärgerte viele Nutzer, weil es dabei auch um das Teilen von Daten mit dem Mutterkonzern Facebook geht.
Und obwohl sich für EU-Bürger wegen einer Sonderregelung im Wesentlichen kaum etwas ändert, bewegte der Schritt offenbar auch viele IT-Manager in Unternehmen, sich nach alternativen Lösungen umzusehen, die mehr Datenschutz versprechen – wie Threema Work.
„Wir sind ganz besonders für Unternehmen attraktiv, in denen viele Beschäftigte nicht über einen Bildschirmarbeitsplatz verfügen“, erläuterte Blatter. Bislang hätten sich die Mitarbeiter in den Fabrikhallen, auf Montage oder im Krankenhaus privat WhatsApp heruntergeladen und genutzt, um in Verbindung zu bleiben. Das erscheine den Firmen aber inzwischen zu unsicher.
WhatsApp ist mit mehr als zwei Milliarden Nutzern das weltweit erfolgreichste Chatangebot, gefolgt vom Facebook-Messenger mit 1,3 Milliarden. WeChat aus China kommt auf 1,2 Milliarden Nutzer und ist vor allem auf dem Heimatmarkt stark. Weltweit ins Gespräch kamen zuletzt zudem Signal, ein US-Dienst, den Tesla-Chef Elon Musk empfahl, sowie Telegram, dessen Nutzerzahlen derzeit rapide ansteigen.
Im Vergleich zu den großen Angeboten aus den USA und China ist Threema winzig. Eigenen Angaben zufolge zählt die Firma mehr als neun Millionen Nutzer. Drei Partner, darunter Blatter, haben Threema vor acht Jahren gegründet. Von Anfang an ging es ihnen darum, eine sichere und vertrauliche Kommunikation zu ermöglichen. Sie wollten dabei nicht an den Daten verdienen wie etwa WhatsApp. Sie wollen vielmehr ihre Dienstleistung verkaufen.
So kommt es, dass die Threema-App im App-Store 3,99 Euro kostet. WhatsApp ist kostenlos. Firmen müssen pro Nutzer und Monat knapp zwei Euro berappen.
Daimler, Bosch und die Grünen sind Kunden
Threema macht vieles anders als die im Westen weit verbreiteten US-amerikanischen Dienste. So müssen sich Nutzer nicht mit einer E-Mail-Adresse anmelden, die häufig mit einer Handynummer verknüpft ist. Es braucht auch kein Konto mit Passwort. Die Nutzer identifizieren sich lediglich mit einer achtstelligen Threema-Nummer.
Die Gruppen und Kontaktlisten werden lokal auf den Geräten der Nutzer und nicht auf Servern verwaltet. Die Netzwerkrechner sind lediglich Vermittler, nach der Zustellung werden die Nachrichten dort gelöscht. Die Computer stehen in der Schweiz und entziehen sich damit dem Zugriff der US-Behörden.
Das hat viele deutsche Konzerne überzeugt. „Moderne On-the-Go-Kommunikation im Unternehmen unterliegt denselben Sicherheitsanforderungen wie klassische Informationswege“, sagt Michael Schrank, Chief Information Security Officer von Daimler. „Eine stabile Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, wirkungsvoller Datenschutz und hohe Verfügbarkeit sind bei einem Messengerdienst entscheidend“, meint der Manager des Autokonzerns. All das biete Threema Work. Daher sei der Dienst eine gute Ergänzung zu den Kommunikationswerkzeugen auf dem PC und zur Video-Telefonie.
„Was ich an Threema Work mag: Die App ist leicht zu bedienen, und es ist äußerst einfach, sich mit anderen auszutauschen“, ergänzt Cathy Ekstrom, IT-Direktorin des Stuttgarter Autozulieferers Bosch. „Das Feedback unserer Nutzer ist hervorragend. Threema Work wird sehr geschätzt und fördert die Zusammenarbeit in Echtzeit.“
Es sind aber nicht nur Firmen, die auf Threema Work setzen. „Datenschutz und Datensparsamkeit sind für uns zentral, und hier ist Threema führend“, sagt Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Partei Bündnis 90/Die Grünen. „Wir schätzen den persönlichen Kontakt mit Threema. Guter Support ist uns ebenso wichtig wie ein gutes Produkt.“ Auch die Bundesverwaltung der Schweiz und das Land Baden-Württemberg nutzen Threema Work.
Mit seinen 30 Mitarbeitern stößt Threema inzwischen aber an Grenzen. Daher stellt Blatter kräftig ein. Er kann sich das jetzt leisten, denn seit dem Herbst ist mit der Afinum Management AG ein Finanzinvestor an Bord. Zuvor hatten die drei Gründer alles selbst finanziert – und stets auf die Kosten geachtet.

Das Trio hat den Messengerdienst gegründet.
Blatter versichert: „Wir waren von Anfang an profitabel.“ Konkrete Umsatzzahlen will er aber nicht nennen – genauso wenig wie den Betrag, mit dem Afinum Management eingestiegen ist und wie viele Anteile sich der Finanzinvestor gesichert hat.
Quellcode wurde offengelegt
Mit dem Einstieg der Beteiligungsgesellschaft ist Blatter ein neues Wagnis eingegangen und hat den Quellcode seiner Lösung veröffentlicht. Damit will er beweisen, dass es keine Hintertüren gibt, mit denen Geheimdienste die Kommunikation der Nutzer ausspähen könnten. Andererseits steigt die Gefahr, dass sich Nachahmer bei Threema bedienen. Für Blatter überwiegen aber die Vorteile: „Es kann sich jeder davon überzeugen, dass im Hintergrund nichts Böses läuft.“
Mehr als 5000 Firmenkunden zählt Threema eigenen Angaben zufolge. Damit es noch mehr werden, soll bald auch eine Lösung für PCs und Notebooks her. Technisch sei das anspruchsvoll, denn Smartphones und Rechner müssen synchronisiert werden. Dabei will Blatter aber keine Daten irgendwo auf Servern speichern. Mit einer Handvoll Entwicklern will der Schweizer Informatiker schaffen, woran bei US-Konzernen Tausende tüfteln.
WhatsApp hat unterdessen die Einführung seiner neuen Datenschutzregeln um mehr als drei Monate verschoben. Zunächst mussten die Nutzer bis zum 8. Februar den neuen Bedingungen zustimmen, um den Chatdienst weiterhin nutzen zu können. Mitte Januar kündigten die Amerikaner an, die neue Datenschutzrichtlinie werde erst vom 15. Mai an gelten. Die Firma wolle die Zeit nutzen, um falsche Informationen und Missverständnisse rund um das Update auszuräumen.
Trotzdem wechseln nach wie vor viele Privatleute zu Threema: „Nach dem 6. Januar hat sich unser Wachstum verzehnfacht. Inzwischen hat sich das wieder etwas beruhigt, aber wir bewegen uns nach wie vor auf einem hohen Niveau“, beteuert Blatter.
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