Kampf gegen Krankheit Der doppelte Fluch der Lepra

Die Krankheit ist heute zwar heilbar, aber wenn sie zu spät entdeckt wird, bleiben erhebliche körperliche Schäden.
Fianarantsoa Marline Harisoa sitzt im Hof eines Lepra-Zentrums in Süden Madagaskars und bewegt ihre verstümmelten Hände beim Stricken. „Am schlimmsten ist es nicht, an Lepra zu erkranken, sondern von allen ausgeschlossen zu werden“, sagt die Frau, die ihr Alter auf 30 schätzt. Sie lebt bereits seit zwei Jahren in dem von katholischen Ordensschwestern betriebenen Zentrum.
„Meine Brüder und Schwestern haben sich geschämt, es nicht verstanden oder Angst gehabt“, sagt Harisoa in niedergeschlagenem Tonfall. „Ich darf nicht mal Wasser vom selben Brunnen holen wie sie.“
Weltweit infizieren sich jährlich mehr als 200.000 Menschen mit Lepra, das entspricht etwa einer Neuinfektion alle zwei Minuten. Betroffen sind vor allem arme Länder mit schlechter Gesundheitsversorgung. Die Hälfte der weltweiten Neuerkrankungen wird aus Indien gemeldet, aber auch Indonesien, Bangladesch, Brasilien, Kongo und Madagaskar sind betroffen. Jedes Jahr verlieren unzählige Menschen weltweit Gliedmaßen oder erleiden Verstümmelungen wegen einer zu spät erkannten Erkrankung.
„Das Problem ist, dass manche Kranke mehr als 100 Kilometer vom nächsten Arzt entfernt leben“, erklärt der Mediziner Andriamira Randrianantoandro im Lepra-Zentrum Marana rund neun Autostunden südlich der Hauptstadt Antananarivo. Sie nähmen die mühsame Reise zu einem Arzt erst auf, wenn die Symptome bereits fortgeschritten seien.
Erste Symptome der vom Erreger Mycobacterium leprae ausgelösten Krankheit sind Hautflecken, die taub werden. Später kann es zu Geschwüren und Deformierung der Gliedmaße kommen.
„Ich hatte Angst, dass man mir etwas amputiert“, erklärt Le Zafy. Er sei erst ein Jahr nach den ersten Symptomen zum Arzt gegangen, sagt der 44-Jährige. „Ich hatte Hautflecken, ein Geschwür an der Nase und geschwollene Ohren.“ Jetzt fürchtet er, dass auch seine zweijährige Tochter Tabidi, bei der Hautflecken sichtbar sind, erkrankt sein könnte.
Zafy kam vor sechs Monaten in das Zentrum bei dem Ort Fianarantsoa. Dort könnten bis zu 120 Lepra-Kranke versorgt werden, derzeit sind es nur 40 – ein Bruchteil der jährlich rund 1500 Neuerkrankungen in dem Inselstaat vor der Südostküste Afrikas.
Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten. Infizierte wurden seit Jahrhunderten ausgegrenzt, in Leprakolonien oder Hospizen fernab der nächsten Stadt. Die Krankheit ist immer noch mit großem Stigma verbunden. Es ist ein doppelter Fluch: Neben den Folgen der Krankheit droht den Betroffenen auch soziale Isolation. Sie werden gemieden, geschnitten und häufig von den Familien verstoßen.
Doch inzwischen gibt es dafür keinen Grund mehr: Die Krankheit überträgt sich nur sehr langsam, und wer behandelt wird, ist nicht mehr ansteckend. Doch in Indien etwa – wo es jährlich rund 120.000 Neuerkrankungen gibt – glaubten viele Menschen immer noch an alte Mythen oder hielten Lepra für einen Fluch, erklärt Nikita Sarah, Sprecherin der Hilfsorganisation The Leprosy Mission.
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