KI in der Medizin Google will mit künstlicher Intelligenz den Tod vorhersagen
Berlin Mit künstlicher Intelligenz (KI) will Google Ärzte und Klinikpersonal bei der Behandlung von Patienten unterstützen – und hat dazu eine Software entwickelt, die den Krankheitsverlauf und mögliche Risiken für Patienten in Krankenhäusern voraussagt. Langfristig soll damit die medizinische Diagnose und Therapie verbessert werden, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Doch der mögliche Zugriff von Google auf sensible medizinische Informationen wird auch kritisch gesehen.
Im Wissenschafmagazin Nature hat das Google-Forscherteam seine bisherigen Ergebnisse vor einigen Wochen vorgestellt. Berichtet wurde unter anderem über eine Frau, die mit Brustkrebs in fortgeschrittenem Stadium in ein Krankenhaus eingeliefert worden war. Nach der Untersuchung durch zwei Ärzte sowie radiologischen Scans bezifferte die Klinik die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau während der Behandlung im Krankenhaus sterben könnte, auf 9,3 Prozent.
Die Google-Software kam zu einer wesentlich pessimistischeren Prognose. Nach Auswertung aller über die Patienten gesammelten Daten – insgesamt mehr als 170.000 einzelne Datenpunkte – schätzte sie das Sterberisiko auf 19,9 Prozent. Tatsächlich starb die Frau wenige Tage nach ihrer Einlieferung im Krankenhaus.
Die Vorhersage von Krankheitsverläufen und möglichen Risiken für Patienten ist eines der Felder, in dem sich Jeff Dean, Leiter von Googles „Medical Brain“, den Einsatz der von seinem Team entwickelten KI vorstellen kann. Ein anderes, so sagte er jüngst im Gespräch mit Bloomberg, sei die Verbesserung der medizinischen Diagnose durch frühzeitiges Erkennen von Krankheitssymptomen – ein Bereich, in dem die Software schon jetzt einen hohen Grad an Zuverlässigkeit erreicht habe.
Die Stärke der als sogenanntes künstliches neuronales Netz (KNN) konzipierten Software liegt in der Datenfülle, aus der sie schöpft. Zum einen wertet sie die elektronische Gesundheitsakte sowie alle sonstigen elektronisch verfügbaren Gesundheitsdaten von Patienten aus – und entlastet das Klinikpersonal von der Aufgabe, die oft verstreuten Datensätze mühsam aufzuspüren.
Solche Daten aufzufinden und verfügbar zu machen, sei für bis zu 80 Prozent des Zeitaufwands bei der Erstellung von Computerprognosen für Klinikpatienten verantwortlich, zitiert Bloomberg den Stanford-Professor Nigam Shah, einen der an der Nature-Studie beteiligten Wissenschaftler.
Auch auf Daten von Smartphones und Fitness-Trackern kann Google zugreifen
Zum anderen kann Google auch auf Daten zugreifen, die von Geräten außerhalb des unmittelbaren Klinikbereichs gesammelt wurden. Fitness-Tracker etwa, deren Daten in der Cloud gespeichert wurden. Oder Android-Smartphones, die etwa auch verraten, ob Faktoren im sozialen Umfeld des Patienten ein Krankheitsbild beeinflusst haben könnten, wie etwa Wetter oder Verkehrsaufkommen.
Doch gerade diese Datenfülle weckt auch Besorgnis darüber, wie Google damit umgehen könnte. „Unternehmen wie Google sind in fast schon monopolistischer Weise in der Lage, aus unseren Daten Kapital zu schlagen“, zitiert Bloomberg Andrew Burt von der Datenplattform Immuta. Er sieht die Gefahr, dass die Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten zu einem von wenigen Global-Playern wie Google beherrschten Geschäft werden könnte.
Tatsächlich hat Google den Markt bereits fest im Blick. KI-Systeme für Radiologie, Kardiologie sowie Augenerkrankungen existieren bereits, an einer Software zur Erkennung von Hautkrankheiten wird gearbeitet. In Indien soll demnächst ein System zur Früherkennung von diabetischer Retinopathie getestet werden – eine Erkrankung der Netzhaut bei Diabetikern, die zur Erblindung führen kann. Für die Zukunft vorstellbar wäre etwa, dass Kliniken bei Bedarf über die Cloud auf entsprechende Systeme zugreifen und dafür bezahlen.
Noch aber ist Google vor allem daran interessiert, sich die nötigen Datenquellen zu erschließen. Für die Nature-Studie stellten die University of California sowie die University of Chicago anonymisierte Patientendaten zur Verfügung.
Doch der Zugriff auf solche Daten dürfte spätestens dann zu massiven Kontroversen führen, wenn Google damit wirklich Geld verdienen möchte. Das sehen wohl auch die Verantwortlichen im Unternehmen so: Für ein tragfähiges Geschäftsmodell, zitiert Bloomberg Lily Peng von Googles Medical Brain, sei es noch viel zu früh.
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