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Körperspende für die Wissenschaft Wenn der Tod dem Leben dient

Es gibt Menschen, die ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft spenden. In ihrem Umfeld fehlt es dafür oft an Verständnis. Für die anatomische Ausbildung sind Körperspenden aber nach wie vor unverzichtbar.
19.07.2016 - 08:53 Uhr
Medizinstudenten lernen an den Körpern Verstorbener die Anatomie des Menschen kennen. Quelle: dpa
Leichnam eines Körperspenders

Medizinstudenten lernen an den Körpern Verstorbener die Anatomie des Menschen kennen.

(Foto: dpa)

Greifswald Was passiert mit dem Körper, wenn ein Mensch gestorben ist? Sargbegräbnis, Urnenbeisetzung oder eine Seebestattung? Karl-Heinz Kühne hat einen anderen Weg gewählt. Vor seinem Tod vermachte der Ingenieur seinen Körper der Wissenschaft.

Greifswalder Medizinstudenten lernen an seinem Leichnam und denen anderer Toter die Anatomie des Menschen kennen, sie öffnen den Brustkorb, verfolgen den Verlauf von Blutgefäßen und Nervensträngen, entnehmen und sezieren Organe. Das mag befremdlich wirken auf all jene, die sich zu Lebzeiten für eine Bestattung entscheiden. Befremdlich der Gedanke, als Toter in einem Präparierkurs auf dem Seziertisch zu liegen, wo es an Intimität fehlt und stattdessen helles Neonlicht und die Augen fremder Menschen auf den nackten Körper gerichtet sind.

„Tot ist tot“, sagt Gudrun Oestreich, die Frau von Karl-Heinz Kühne. Sie vermisst ihren Mann beim Aufstehen und Zubettgehen. In jeder Minute so unendlich, dass es ihr fast das Herz zerreißt. Sie kann noch immer nachts nicht schlafen, weil er ihr fehlt. Doch zum toten Körper, der mal ihr Mann gewesen ist, hat sie ein nüchternes Verhältnis. „Ist es besser, wenn Mäuse an dem Leichnam nagen oder Flammen den Körper verbrennen?“, antwortet sie all denen, die die Entscheidung, Körperspender zu sein, nicht verstehen können.

Lernen mit allen Sinnen

Im Februar 2011 entschieden sich Karl-Heinz Kühne und seine Frau Gudrun Oestreich, ihre Körper nach dem Tod dem Anatomischen Institut der Universität Greifswald zur Ausbildung und Forschung zu hinterlassen. Die Entscheidung war wohlüberlegt. „Wir hatten den Gedanken, dass wir den Nachmenschen helfen, wenn wir unseren Körper spenden“, erläutert die 80-Jährige die gemeinsamen Beweggründe.  Zudem gebe es keine Hinterbliebenen, die ein Grab pflegen könnten.

Gudrun und Karl-Heinz besuchten eine Trauerfeier, die jeweils zu Semesterende von Medizinstudenten für die Körperspender gestaltet wird. Die Atmosphäre, die Ernsthaftigkeit der Studierenden, haben sie beeindruckt. „Es war eine ehrliche, würdevolle Feier.“ Einen Monat später beschlossen sie, ihren Körper zu spenden.

Im Mai 2015 starb Karl-Heinz Kühne an Pankreaskrebs. „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen“, lautet ein Spruch, den seine Frau nach dem Tod neben vielen gemeinsamen Bildern an eine Zimmerwand ihrer Wohnung geheftet hat.

Die Medizinausbildung ist ohne die praktische Ausbildung am menschlichen Körper undenkbar. An nahezu allen Medizinischen Fakultäten in Deutschland gehören Kurse im Präpariersaal zum Grundwerkzeug für angehende Ärzte.

„Anatomie muss man begreifen“, sagt der Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg, Joachim Kirsch. „Das Studium an den Körpern ist Lernen mit allen Sinnen.“ Die Studierenden lernen durch Tasten, sie lernen durch Hineinfassen, durch Begreifen. „Das kann keine virtuelle Anatomie leisten.“ Sein Greifswalder Amtskollege, Professor Karlhans Endlich, sagt: „Der Kurs ist mit Emotionen verbunden und alles was mit Emotionen verbunden ist, steigert den Lerneffekt.“

Erste Begegnung mit dem Tod
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