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Medizintechnikfirma Ottobock plant milliardenschweren Börsengang – was sich Eigentümer Hans Georg Näder davon verspricht

Prothesenhersteller Ottobock will im Frühjahr 2022 an die Börse gehen. Mit dem Erlös will die Familie Näder neue Geschäftsfelder erschließen.
24.09.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
„Ein Börsengang ist für uns vorstellbar, um neue Felder zu erschließen.“ Quelle: Malte Jaeger/laif
Hans Georg Näder

„Ein Börsengang ist für uns vorstellbar, um neue Felder zu erschließen.“

(Foto: Malte Jaeger/laif)

Berlin Hans Georg Näder muss nicht verkaufen, aber er will. Mit seinen beiden Töchtern Julia und Georgia ist er der größte Aktionär von Ottobock – einer Firma, die es mit der Fertigung von Prothesen bis an die Weltspitze gebracht hat. Um das Unternehmen aus dem beschaulichen Duderstadt dort dauerhaft halten zu können, will die Familie Näder Ottobock an die Börse führen. Im Frühjahr kommenden Jahres soll 103 Jahre nach der Gründung erstmals eine Aktie in Frankfurt gehandelt werden.

Für die Familie ist das ein großer Schritt, gibt die Generation drei und vier doch zumindest ein Stück weit die Kontrolle über ihr Erbe ab. Auf Geld ist Näder nicht angewiesen. Er betreibt zwar einige Engagements wirtschaftlicher und sozialer Natur, die er mit den Erlösen aus Ottobock speist. Dafür muss er aber keine Anteile verkaufen. Das US-Magazin „Forbes" taxiert sein Vermögen auf rund zwei Milliarden Dollar.

Der Gang an den Kapitalmarkt hat einen anderen Grund. Das Unternehmen aus Niedersachsen könnte zwar in gewohnter Manier wie in den vergangenen Jahren weiter wirtschaften und beim Umsatz die Milliardenschwelle übersteigen. Doch der Markt für Prothesen steht vor gravierenden Veränderungen.

Näder sagt daher: „Ein Börsengang ist für uns vorstellbar, um neue Felder zu erschließen.“ Er denkt an Systemlösungen, mit denen sich Arbeiten etwa auf dem Bau, am Fließband oder in der Logistik erleichtern lassen. Aber auch an sogenannte Neuroorthesen, mit denen sich auch ältere Menschen besser bewegen können. „Diese Ära wird kommen“, sagt Näder dem Handelsblatt. Die neuen Technologien seien sehr teuer.

Dass er nun Ernst macht, bewies Näder Mitte vergangener Woche: Er lud die wichtigsten Entscheidungsträger in die Ottobock-Dependance in Berlin-Mitte ein, die sich in Rufnähe zum Potsdamer Platz befindet. Vertreter der Banken waren da, ebenso die wichtigsten Berater sowie Marcus Brennecke vom Mitaktionär EQT und natürlich Philipp Schulte-Noelle, Vorstandschef von Ottobock.

Klare Aufgabenverteilung zwischen Näder und Schulte-Noelle

Schulte-Noelle wirkt auf den ersten Blick wie ein Gegenentwurf zu seinem Chef. In der Zeitung waren kürzlich Bilder von Näders 60. Geburtstag abgedruckt, den er zusammen mit knapp 200 Gästen auf der griechischen Halbinsel Pilion gefeiert hat. Inmitten einer tanzenden Menge sitzt der Jubilar mit seinem Grauschopf und der markanten schwarzen Brille.

Gegenüber Näders betonter Individualität wirkt Schulte-Noelle mit seinen perfekt geschnittenen Anzügen wie ein Jungspund von einer Business-School. Der 44-Jährige bezeichnet sich selbst als „Performance Manager“. Er ist ambitioniert, hat dank seines Vaters und Ex-Allianz-Chefs Henning Schulte-Noelle ein exzellentes Netzwerk und ist loyal gegenüber dem Großaktionär. Und für Näder auch wichtig: „Er hat sehr gute Manieren.“

Die beiden Männer haben eine klare Aufgabenverteilung. „Näder ist der Radar für neue Technologien, ich setze sie dann um“, sagt Schulte-Noelle im Gespräch mit dem Handelsblatt. Er will Ottobock strategisch neu positionieren. „Wir rücken näher an den Anwender, was über eine digitale Vernetzung leichter wird.“ Gibt es ein Problem mit dem Prothesenschaft oder nähert sich das Nutzungsende, dann kann das Unternehmen Betroffene direkt kontaktieren. „Auf dem Weg können wir schneller im Ernstfall helfen“, sagt der Vorstandschef. Bisher vergehe oftmals ein zu langer Zeitraum, bis Menschen mit Amputationen Informationen über eine Unterstützung durch Prothesen bekämen.

Ein Orthopädietechniker steht neben einer Frau mit einer Unterschenkel-Prothese des Typs „Genium“ der Firma Ottobock. Quelle: picture alliance / Andreas Arnol
Hightech-Prothese

Ein Orthopädietechniker steht neben einer Frau mit einer Unterschenkel-Prothese des Typs „Genium“ der Firma Ottobock.

(Foto: picture alliance / Andreas Arnol)

Groß geworden ist Ottobock mit der Fertigung von Prothesen, mit denen Kriegsversehrte wieder laufen konnten. Inzwischen entwickelt und produziert die Firma auch Produkte, mit denen etwa Bauarbeiter oder Logistiker höhere Lasten stemmen können. Rund 100 Millionen Euro ist dieser Markt bisher schwer – in den kommenden Jahren könnte er sich allerdings auf bis zu 700 Millionen Euro vervielfachen, meinen Experten.

Doch auch andere Bereiche wachsen: Branchenexperten erwarten für den Markt für sogenannte Neuroorthesen, mit denen Schlaganfallpatienten ihre Beweglichkeit zurückerhalten können, ein Wachstum auf rund eine halbe Milliarde Euro. 600.000 Menschen haben alleine in Deutschland jedes Jahr einen Schlaganfall.

Das sind die nüchternen Zahlen. Näder kennt aber auch die Schicksale der Menschen, die ihr Leben lang auf seine Produkte angewiesen sind. Sehr regelmäßig sucht er den Austausch, mit einigen ist er befreundet, wie er sagt. Er mag zwar Milliardär und Jachtbesitzer mit eigener Werft sein, aber ihn hält es nicht in seiner Blase. Er bricht aus. Dies mag auch mit seiner Herkunft zusammenhängen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Familie in Westdeutschland neu anfangen, denn der Stammsitz im thüringischen Königsee wurde von den Sowjets konfisziert. Als ihm sein Vater Max Näder die Firmenleitung im Jahr 1990 auf einer Firmenfeier übertrug, stand der heute 60-Jährige zwischen Würstchenbuden und Bierbänken. Im Hintergrund spielte eine Bigband der Bundeswehr, erinnert sich der Unternehmer. Als er von seinem Vater den Zeiss-Ikon-Generalschlüssel erhielt, arbeiteten 1000 Menschen für Ottobock. Der Umsatz lag bei rund 80 Millionen Euro.

Großes Wachstumspotenzial und starke Marke

Heute erwirtschaften 9000 Mitarbeiter einen Erlös von einer Milliarde Euro. Damit soll nicht Schluss sein. Die Absatzmärkte wachsen, und mit Schulte-Noelle an der Spitze plant die Firma Akquisitionen. Es gebe eine Reihe von möglichen Zielen, betont der Ottobock-Chef. Dafür braucht es das Geld aus dem Börsengang.

In Finanzkreisen wird Ottobock als einer der größten Deals für das kommende Jahr gehandelt. Die Bewertungen schwanken zwischen fünf und sieben Milliarden Euro. „Ausschlaggebend ist das Wachstumspotenzial – und die starke Marke“, sagt ein Banker. Schon im Vorfeld hätten sich viele mögliche Investoren gemeldet, die langfristig engagiert bleiben wollen. Ottobock sei schließlich ein Familienunternehmen mit einem exzellenten Management.

Vor vier Jahren hatte Näder erstmals die Idee eines Börsengangs geäußert, dann aber zunächst den schwedischen Finanzinvestor EQT an Bord geholt. Auf den Zuschlag hatten viele Manager aus der Finanzszene gehofft – KKR, Blackstone und andere boten zum Teil mehr Geld als die Schweden. Den Ausschlag gab Marcus Brennecke, Partner bei EQT.

Besser als andere versteht Brennecke, wie ein Familienunternehmen tickt. Hinter EQT steht auch der schwedische Milliardärs-Clan Wallenberg, der weiß, wie Familien ticken. Mehrfach hatte Brennecke bei Näder vorgesprochen, um sich zu beteiligen. „Ottobock hatten wir lange auf dem Schirm, bevor wir einen Anteil übernehmen konnten“, sagt er.

EQT bringe sich aktiv in die Entwicklung der Firma ein. Ziel sei es, Ottobock auf die nächste Stufe der Entwicklung zu bringen. Dabei sei man auf einem guten Weg. „Seit dem Einstieg wurde das Management verstärkt und das Unternehmen über Akquisitionen in verschiedenen Bereichen verstärkt“, sagt Brennecke.

Mehr: Ottobock verpflichtet Deutsche Bank, Goldman Sachs und BNP Paribas für Milliarden-Börsengang.

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