Spanische Grippe Die größte Vernichtungswelle der Geschichte

Patienten, die an der Spanischen Grippe erkrankt sind, liegen in Betten eines Notfallkrankenhauses im Camp Funston der Militärbasis Fort Riley im US-Bundesstaat Kansas. (Aufnahme von 1918).
Berlin Bis sie die Erde umrundet hatte, dauerte es nur wenige Monate – und sie war tödlicher als der Weltkrieg, der noch wütete, als sie vor 100 Jahren erstmals ausbrach: Die Spanische Grippe entwickelte sich in drei Wellen von 1918 bis 1920 zur schlimmsten Grippe-Pandemie der Geschichte. 27 bis 50 Millionen Menschen fielen ihr zum Opfer – manche Quellen gehen sogar von bis zu 100 Millionen Toten aus.
Anders als bei anderen derartigen Katastrophen sucht man Denkmäler und Relikte jener Zeit nahezu vergeblich, selbst Fotos sind eher rar. Einer Art kollektivem Vergessen sei die vielleicht größte Vernichtungswelle der Menschheitsgeschichte anheimgefallen, heißt es in dem Buch „1918 – Die Welt im Fieber“ der Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney, das Ende Januar erscheint. Erst in jüngerer Vergangenheit sei die Spanische Grippe vermehrt ins Bewusstsein der Menschen gerückt, auch weil sie zum Stoff von Büchern, Filmen und Serien wie „Downtown Abbey“ wurde.
Zuvor war die tödliche Krankheit nicht viel mehr als eine Fußnote des Ersten Weltkriegs. Dabei sollen allein im Deutschen Reich einer Studie zufolge rund 426.000 Menschen der Grippe zum Opfer gefallen sein – das entspricht einer mittleren Großstadt.
„Bei unserem heutigen Gesundheitssystem wäre das praktisch nicht vorstellbar“, sagt die Grippe-Expertin Silke Buda vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Gleichwohl: Indien und Südafrika etwa erwischte es seinerzeit sehr viel heftiger als Deutschland. Und längst nicht aus allen Ländern gibt es überhaupt Daten.
Alles begann recht harmlos
Aussagen mit letzter Sicherheit sind daher schwierig. Der Berliner Historiker und Oberarzt der Charité, Wilfried Witte, hat über die Spanische Grippe geforscht. Es habe damals alles relativ harmlos begonnen, sagt der Experte. Während der ersten Ansteckungswelle im Frühjahr 1918 erkrankten zwar sehr viele Menschen, aber relativ wenige starben.
Im Herbst nahm jedoch eine weitere, tödliche Welle ihren Lauf. Gerade dort, wo Menschen geballt aufeinandertrafen, wie in Rekruten- und Kriegsgefangenenlagern, hätten sich auf einen Schlag zahlreiche Menschen angesteckt.
„Die meisten sind an einem akuten Lungenversagen gestorben. Das ging rapide schnell vonstatten“, sagt Witte. Therapien wie invasive Beatmung standen Ärzten noch nicht zur Verfügung. Wenn überhaupt hätten Kranke in der Regel Mittel zur Kreislaufstärkung bekommen. „So etwas hat natürlich nicht geholfen“, so Witte.
Selbst der spanische König soll an dem damals noch unbekannten Erreger erkrankt sein. Das ist ein Grund, weshalb die Pandemie als „Spanischen Grippe“ in die Geschichte einging. Dass sie nicht von dort ihren Ausgang nahm, ist aber relativ sicher.
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