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Vitabook und „Meine Patientendaten“ Google entfernt Gesundheits-Apps wegen Corona-Bezug

Mehrere Apps wurden aus dem Play Store genommen, weil sie sich an Covid-19-Patienten richten. Das Start-up Vitabook geht dagegen jetzt juristisch vor.
23.04.2020 - 07:47 Uhr Kommentieren
Gesundheits-Apps sollen die Versorgung verbessern. Noch sind die digitalen Helfer aber kaum bekannt. Quelle: imago images/Westend61
App auf Rezept

Gesundheits-Apps sollen die Versorgung verbessern. Noch sind die digitalen Helfer aber kaum bekannt.

(Foto: imago images/Westend61)

Düsseldorf, Berlin Markus Bönig ist für seine klaren Worte bekannt. Damit scheut er jetzt auch nicht vor einem US-Tech-Riesen zurück. Sein Start-up Vitabook hat eine Abmahnung an die europäische Vertretung von Google in Irland und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen unlauterem Wettbewerb an das Landgericht Köln geschickt. Beide Dokumente liegen Handelsblatt Inside Digital Health vor.

Woher die Aufregung? Bönig hat seine App Patient.Plus, die in ihrer Ursprungsform seit zwei Jahren im Google Play Store gelistet ist, zu einer Art „Quarantäne-Tagebuch“ aktualisiert. Covid-19-Patienten in Quarantäne müssen mehrmals täglich von ihrem Arzt nach ihrem Befinden befragt werden. Für die Behandler ist das ein großer Aufwand.

„Deshalb haben wir mit der Patient.Plus-App eine digitale Lösung entwickelt“, erklärt Frank Heimann, Vorsitzender des Bundesverbands der Pneumologen (BdP). Patient.Plus wird unter anderem am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, im neurologischen und psychiatrischen Ärztenetzwerk NeuroTransData und von Mitgliedern des BdP genutzt.

Nachdem Bönig die Aktualisierung Anfang April fertiggestellt hatte, habe Google nach nur vier Tagen sowohl die neue als auch die ursprüngliche Version der App aus dem Store entfernt. Der Hintergrund: In einem Schreiben von Google an Vitabook, das Handelsblatt Inside vorliegt, heißt es: „Wir erlauben keine Anwendungen, denen es an vernünftiger Sensibilität gegenüber […] einem anderen tragischen Ereignis mangelt oder die daraus Kapital schlagen.“ Bönig erwidert, der Vorwurf sei vollkommen unbegründet, zudem biete er die App kostenlos an.

Auch BdP-Chef Heimann bittet in einem Schreiben an Google, die App wieder im Store anzubieten: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie Ihre Entscheidung auch im Sinne der Covid-19 Patienten kurzfristig rückgängig machen würden.“ Apple hatte an der Aktualisierung keine Beanstandungen.

Google wollte den Sachverhalt nicht kommentieren, da es sich um ein schwebendes Verfahren handele. Grundsätzlich hätten „Web-Entwickler, die gegen die Entfernung ihrer Apps aus Google Play vorgehen wollen, die Möglichkeit, eine erneute Prüfung bei uns einzufordern“, teilte des Unternehmen auf Anfrage von Handelsblatt Inside mit.

In den Richtlinien des Play Stores heißt es, dass nur Covid-19-Apps zugelassen würden, die von einer offiziellen Regierungsstelle oder einer Organisation des öffentlichen Gesundheitswesens veröffentlicht, in Auftrag gegeben oder autorisiert wurden. Außerdem dürften diese „keine Monetarisierungsmechanismen wie Anzeigen, In-App-Produkte oder In-App-Spenden“ enthalten.

Warum werden Entscheidungen über deutsche Apps in Amerika getroffen?

Die Situation ist allerdings nicht einfach für die Techkonzerne, die Apps bereitstellen. In der aktuellen Situation gibt es auch dubiose Anbieter, die mit der Angst von Menschen Geld machen oder Daten sammeln wollen. Google will in der aktuellen Situation sicherstellen, dass niemand die Coronakrise ausnutzt, um schädliche Apps auf den Markt zu bringen. Es engagiert sich mit verschiedenen Initiativen selbst, um zu helfen.

Die Patienten-App von Medizininformatiker Martin Dugas verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie die von Bönig. Im Fall seines Programms „Meine Patientendaten“ hat Google Aktualisierungen mittlerweile stattgegeben – bis dahin brauchte Dugas allerdings viel Geduld. Elf Tage hatte er versucht, Änderungen an dem Mini-Programm vorzunehmen.

Der Vorwurf, den er Google macht: Das Unternehmen schaffe es nicht, Aktualisierungen freizuschalten und behindere damit bessere Abläufe im Corona-Betrieb an zwei Kliniken in Münster. „Ich habe schon alles versucht“, sagte Dugas – vom täglichen Chat mit dem Google-Team, über einen Antrag auf Priorisierung als gesundheitsrelevante App bis zum Unterstützungsschreiben Münsteraner Forschungskollegen.

Die App von Dugas soll unter anderem helfen, die Ansteckungsgefahr in Warteschlangen vor Corona-Teststationen in Kliniken zu verringern. Mit seinem Programm könnten die Patienten datenschutzkonform auf ihrem Handy bereits den Anamnesebogen ausfüllen, also Fragen zu Symptomen und Reisen in Risikogebiete beantworten. Anschließend soll sie wie die von Bönig helfen, die Hausärzte zu entlasten.

Die Aktualisierung der App sei notwendig geworden, weil das Risiko für bestimmte Patientengruppen inzwischen anders eingeschätzt würde und sich die Anamnese-Fragen damit änderten.

Google informiert die Entwickler, dass es derzeit auch länger als sieben Tage dauern kann, bis eine App überprüft wird. Das gilt ebenso für die Freigabe neuer Angebote wie auch für Updates an bereits etablierten Apps. Denn Forscher hatten sowohl Google als auch Apple mit Aktualisierungen an Apps in der Vergangenheit ausgetrickst und vorgeführt, wie sich Datenschutzlücken nachträglich in die kleinen Programme einbauen lassen. Es war Google offenbar eine Warnung.

Dugas hat für derart lange Bearbeitungszeiten dennoch kein Verständnis. Seit zehn Jahren entwickle er bereits medizinische Apps. Für ihn werfen die aktuellen Probleme eine Grundsatzfrage auf. „Wie kann es sein, dass Entscheidungen und Bewertungen über eine App, die in Deutschland online gehen soll, in Amerika getroffen werden?“ Aus seiner Sicht sollte über die Freischaltung in Europa nach den hiesigen Rechtsvorschriften entschieden werden.

Handelsblatt Inside Digital Health

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem exklusiven Fachbriefing Handelsblatt Inside Digital Health. Zweimal in der Woche analysieren wir dort die neuesten Entwicklungen im Bereich digitale Gesundheit.

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Mehr: Streit bei der Entwicklung von Tracing-App für Coronavirus – Die Einführung verzögert sich.

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