Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Zum The Spark - der deutsche Digitalpreis Special von Handelsblatt Online

Aufsicht Kleinere Banken und Versicherer erhalten Aufschub bei Prüfung von Klimarisiken

Die Finanzaufsicht Bafin verlangt in einem Merkblatt die bewusste Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsrisiken. Wirtschaftsprüfer sollen das aber auch 2021 noch nicht streng kontrollieren müssen.
22.09.2021 - 15:55 Uhr Kommentieren
Klimarisiken im Fokus. Quelle: Reuters
Finanzaufsicht Bafin

Klimarisiken im Fokus.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Viele deutsche Banken und Versicherer dürften aufatmen: Sie müssen auch für das Geschäftsjahr 2021 ihren Wirtschaftsprüfern nicht aufzeigen, wie effektiv sie die Vorgaben eines Merkblatts der Finanzaufsicht Bafin zu Nachhaltigkeitsrisiken aus dem Jahr 2019 bereits umgesetzt haben.

Schon in den kommenden Wochen sollen für diesen weiteren Aufschub finale Gespräche zwischen der Bafin und dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) stattfinden, heißt es in Finanzkreisen.

Schon im Vorjahr hatte die Bafin das so festgelegt. Ein entsprechendes internes Schreiben des IDW, das in Deutschland die Prüfnormen festlegt, liegt dem Handelsblatt vor. Es ging unter anderem an die „Big Four“, die großen Prüfungsgesellschaften EY, PwC, KPMG und Deloitte, und berichtete über ein Treffen von IDW-Vertretern mit der Bafin. Das wichtigste Ergebnis: Die Bafin erwartet für das Geschäftsjahr 2020 „keine weitergehende Auseinandersetzung und Berichterstattung des Abschlussprüfers dahingehend, wie die von der Bafin beaufsichtigten Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen“.

Was technisch klingt, hätte bei strikter Umsetzung ganz reale Implikationen. Verbindliche Anforderungen der Bafin an den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement würden weitergehende Prüfungs- und Berichterstattungspflichten des Abschlussprüfers nach sich ziehen. Für die deutschen Geldhäuser wäre das eine zusätzliche Belastung – nicht nur aufgrund höherer Ausgaben für die Prüfung.

Die deutschen Aufseher beweisen damit trotz der zunehmenden Debatte um Greenwashing, also Schönfärberei bei Nachhaltigkeitsangaben, in der Finanzbranche Langmut. So will die US-Finanzaufsicht SEC klären, ob die Fondstochter der Deutschen Bank, die DWS, bei Angaben über nachhaltige Anlagen geschummelt hat. Auslöser sind Vorwürfe einer früheren Mitarbeiterin, die Fondstochter habe ein zu rosiges Bild über das Ausmaß ihrer nachhaltig verwalteten Anlagen gezeichnet.

„Checklisten“ unerwünscht

Über die Gründe für die Geduld mit den Finanzinstituten schweigt sich die Bafin aus. Doch es ist eher ungewöhnlich, dass eine Regulierungsbehörde einerseits den Banken in Aufsichtsgesprächen auf den Zahn fühlt, aber andererseits die Abschlussprüfer bei der Überwachung bremst.

In Finanzkreisen ist zu hören, die Aufseher wollten den Banken ermöglichen, sich erst einmal eigene Gedanken über geeignete Methoden und Prozesse zur Messung von Nachhaltigkeitsrisiken zu machen. Reine „Checklisten“, die die Wirtschaftsprüfer kurzfristig aufstellen könnten und die dann nur noch „abgehakt“ würden, sieht die Aufsicht kritisch, heißt es.

Offiziell wollte die Bafin das Aussetzen verschärfter Prüfpflichten auch für 2021 nicht explizit bestätigen. Ein Sprecher betonte, dass das Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken rechtlich nicht verbindlich sei, sondern eine Erwartungshaltung der Bafin beschreibe. „Es besteht keine gesetzliche Grundlage für eine Prüfung des Merkblatts und mithin auch keine Prüfpflicht“, sagte er.

Die Bafin habe die Wirtschaftsprüfer gebeten, den Unternehmen „in einer besonders durch die Pandemie belastenden Situation Zeit zur individuellen Umsetzung der Erwartungen“ der Behörde zu geben. Jedoch gelte: „Alle wesentlichen Risiken sind von den Wirtschaftsprüfern zu prüfen und in den Bericht aufzunehmen“, sagte der Sprecher. „Das gilt auch für Nachhaltigkeitsrisiken, sofern diese dazu führen, dass die Wesentlichkeitsschwellen der beaufsichtigten Risiken überschritten werden.“

Heißt im Klartext: Gravierende ESG-Risiken dürfen und müssen die Auditoren sehr wohl überprüfen, zum Beispiel, wenn besonders viele Kredite an „schmutzige“ Unternehmen das Risikoprofil einer Bank belasten.

Erleichterung schon 2020

Was den Banken damit erspart bleibt, zeigte sich schon im Vorjahr. Damals hatte die Verschiebung verschärfter Prüfpflichten für Erleichterung bei den betroffenen Instituten gesorgt. Das besagte IDW-Schreiben trug den Titel: „Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement“ bei Banken und Versicherungen.

Demnach müssten die Abschlussprüfer „nicht zwingend darüber berichten, welche Maßnahmen [Finanzinstitute] im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsrisiken umgesetzt oder eingeleitet haben“, wie es im IDW-Schreiben aus dem Vorjahr heißt. Erneut müssten die Prüfer damit auch nicht „die im Bafin-Merkblatt dargelegten Good-Practice-Ansätze im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken den vom Institut umgesetzten, eingeleiteten oder geplanten Maßnahmen“ gegenüberstellen. Diese sogenannte „Gap-Analyse“ fiele erneut aus.

Komplexe Nachhaltigkeitsanalyse

Den Hintergrund der Entscheidung bildet das Merkblatt von Ende 2019. Damals hatte die Bafin nach Konsultationen mit der Branche eine Handreichung zum Umgang mit Nachhaltigkeits- oder sogenannten ESG-Risiken veröffentlicht. Damit sind Gefahren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung gemeint. Diese sind aus Sicht der Aufsicht unter anderem angesichts des Klimawandels von wachsender Bedeutung.

„Die Bafin erwartet, dass die beaufsichtigten Unternehmen eine Auseinandersetzung auch mit Nachhaltigkeitsrisiken sicherstellen und dies dokumentieren“, heißt es darin.

Das Merkblatt ist allerdings bislang als unverbindliche Handreichung veröffentlicht worden – und nicht als fester Teil der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (Marisk), die die Bafin den von ihr beaufsichtigten Kreditinstituten per Rundschreiben jährlich auferlegt. Dennoch gab die Bafin damit eine Richtung vor: Umwelt- und sogenannte ESG-Risiken sollten künftig von Banken stärker beachtet werden.

Insider erwarten nun frühestens für die Jahresprüfung 2022 verbindliche Anforderungen der Bafin – und damit mehr Arbeit für Deutschlands Wirtschaftsprüfer.

Das bedeutet freilich nicht, dass der Bafin der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken durch die Banken egal wäre. „Die Bafin bezieht Nachhaltigkeitsrisiken in ihre regelmäßige Aufsicht ein, das heißt, sie schaut bereits jetzt nach der Umsetzung der Erwartungen aus dem Merkblatt“, erklärte ein Bafin-Sprecher auf Anfrage. „Darüber hinaus überlegt sie, ob, wann und wie Nachhaltigkeitsrisiken in die jeweiligen Mindestanforderungen einzubeziehen sind.“ Es sei davon auszugehen, dass die EU-Kommission entsprechende Regulierungsvorschläge unterbreiten werde.

Gemischtes Echo

Der Bafin-Vorstoß findet ein geteiltes Echo. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) begrüßt die Verschiebung verschärfter Prüfpflichten um ein weiteres Jahr. „Die Klimarisiken sind in den Fokus des Regulators gerutscht. Das ist gut und richtig, auch die Banken haben ein Interesse an Transparenz“, sagte Torsten Jäger, Leiter Nachhaltigkeit beim BdB. „Aber nun müssen erst einmal neue Verfahren entwickelt werden, um Nachhaltigkeitsrisiken auch ordentlich abzubilden.“

Die Risiken messbar zu machen benötige Zeit und eine gute Datenbasis, so Jäger. „Wir sollten nicht vergessen, wie stark die Banken durch die Corona-Pandemie belastet waren. Dass die Prüfung des Merkblatts aufgeschoben wurde, ist auch vor diesem Hintergrund richtig.“

Mehr Tempo fordert hingegen das IDW. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das erfolgreiche Management von ESG-Risiken für die gedeihliche Entwicklung eines Unternehmens eine entscheidende Bedeutung haben kann“, erklärt IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann. „Das IDW hat sich daher schon seit Jahren mit Umweltrisiken und ihrer Prüfung im Zuge des Jahresabschlusses befasst.“

Es sei gut, dass die Bafin das Thema seit 2019 antreibe – nun müssten die Banken in die neuen Anforderungen hereinwachsen. Dass es immer noch keine Pflicht gibt, Nachhaltigkeitsrisiken vertieft zu prüfen, sieht das IDW vor diesem Hintergrund kritisch.

„Es ist richtig, Finanzinstitute nicht sofort mit allen Anforderungen zu belasten. Hilfreich wäre jedoch eine verpflichtende Gap-Analyse gewesen, um Fortschritte transparent zu machen“, erklärte der IDW-Chef. „Unsere Erwartung ist, dass die aufsichtsrechtliche Prüfung von ESG-Risiken spätestens ab 2022 verbindlich wird.“

Sehr skeptisch geben sich dagegen die Umweltverbände: „Man kann der Bafin eindeutig Versäumnisse vorwerfen“, kritisierte Stefanie Jellestad von der Klimaorganisation Urgewald. „Im europäischen Kontext haben sich Länder wie Großbritannien und Frankreich schon viel früher und konsequenter auf den Weg gemacht.“

Die Bafin tue der deutschen Finanzwirtschaft erneut keinen Gefallen, wenn sie den Banken mehr Zeit gebe, statt Druck zu machen. Die Aufsicht gebe die Devise aus: „freies Lernen, statt Prüfung und Noten“. Das sei angesichts der rasant fortschreitenden Klimakrise fatal. „Sehr zügig“ müsse eine Überprüfung durch die Wirtschaftsprüfer kommen.

EZB fordert mehr Engagement

Wichtig: Die Bankenaufsicht übernimmt die Bafin nur für kleinere Institute, systemrelevante Großbanken beaufsichtigt die Europäische Zentralbank (EZB). Und auch diese beschäftigt sich mit dem Thema.

So veröffentlichte die EZB ein knappes Jahr nach dem ersten Bafin-Merkblatt im November 2020 ihren „Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken“, in dem sie die „Erwartungen der Aufsicht in Bezug auf Risikomanagement und Offenlegungen“ formuliert. Dessen Anforderungen hat die EZB erst im August 2021 erneut konkretisiert: „Die Uhr tickt für die Banken, um Klima- und Umweltrisiken zu managen“, mahnte die EZB in ihrem Aufsichts-Newsletter.

Die von der EZB beaufsichtigten Institute müssen daher bereits handeln mit Bezug auf Klima- und ESG-Risken. „Nach der Veröffentlichung des Leitfadens forderte die EZB-Bankenaufsicht die Banken auf, sich selbst anhand der 13 formulierten Erwartungen zu beurteilen (…) und Aktionspläne vorzulegen, in denen detailliert beschrieben wird, wie sie ihre Geschäftspraxis in Einklang zum Leitfaden bringen“, schreibt die EZB. Analog handelt auch die deutsche Bafin.

Und die EZB machte den nationalen Aufsichtsbehörden eine klare Vorgabe: Diese müssten die dargelegten Erwartungen „auf proportionale Art und Weise“ auch in der Aufsicht über die weniger bedeutsamen Institute anwenden, heißt es im Leitfaden.

Mehr: Wie Anleger mit pseudogrünen Investments hintergangen werden

Startseite
Mehr zu: Aufsicht - Kleinere Banken und Versicherer erhalten Aufschub bei Prüfung von Klimarisiken
0 Kommentare zu "Aufsicht: Kleinere Banken und Versicherer erhalten Aufschub bei Prüfung von Klimarisiken "

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%