Batterietechnik Diese Gründer wollen ein großes Problem der Elektromobilität lösen

Die Twaice-Gründer haben eine Software entwickelt, mit der ein digitaler Zwilling von Batterien erstellt werden kann. Dieser hilft zu beurteilen, wie leistungsfähig eine Batterie zum Beispiel in einem Elektroauto noch ist.
München In Zeiten der Pandemie ist für viele Start-ups das richtige Timing entscheidend. Twaice aus München konnte seine erste große Finanzierungsrunde abschließen, bevor Corona in Europa so richtig angekommen war. „Manchmal gehört auch Glück dazu“, sagt Gründer Michael Baumann. Mit dem Erlös ist das Unternehmen für die nächsten zwei Jahre solide durchfinanziert – und will eines der größten Hindernisse für den Durchbruch der Elektromobilität aus dem Weg räumen.
Denn noch gibt es zum Beispiel beim Handel mit gebrauchten Elektroautos eine große Unbekannte: die Batterie. Deren Leistungsfähigkeit ist nur schwer zu beurteilen, denn neben Alter und Kilometerstand wirkt sich auch die Fahrweise auf die Lebensdauer aus. „Das größte Problem für eine hohe Marktdurchdringung ist das Alterungsverhalten von Batterien“, ist Baumann überzeugt.
Die Hersteller behelfen sich oft mit besonders langen Garantien oder Mietmodellen. „Wegen der Unsicherheiten überdimensionieren viele Hersteller zudem die Batterie“, sagt Mitgründer Stephan Rohr. Das führe zu höheren Kosten und höherem Gewicht.
Twaice hat nun eine Batterie-Analytiksoftware entwickelt. Das Interesse bei Herstellern, Energieunternehmen und Versicherungen ist groß. Mithilfe eines sogenannten digitalen Zwillings werden die Auswirkungen von Betriebsbedingungen, Fahrweise und Ladeverhalten simuliert, und die verbleibende Qualität der Batterie wird bewertet.
„Man kann mit dem Modell auch in die Zukunft schauen“, erklärt Baumann. Twaice kooperiert auch mit dem Tüv Rheinland und der Autovista Group (Schwacke), um eine Zertifizierung zu entwickeln.
Laut Autovista könnte ein Verkäufer für ein drei Jahres altes, kompaktes Elektroauto bis zu 450 Euro mehr erlösen – hätte er einen Report zum Gesundheitszustand der Batterie. „Daten zur Batterieverwendung und -qualität würden unsere Datensätze wirkungsvoll bereichern, wenn wir die Restwerte für Elektrofahrzeuge analysieren“, sagt Schwacke-Experte Andreas Geilenbrügge.
Die Technologie funktioniert auch bei großen Batterien, die zum Beispiel für die Zwischenspeicherung von Strom aus erneuerbaren Energien genutzt werden. Der Rückversicherer Munich Re nutzt die Twaice-Analytik, um erstmals Leistungsgarantieversicherungen für Lithium-Ionen-Batterien anzubieten. Die Police deckt die Reparatur und Wartung der Batteriespeicher ab und kann auch auf entgangene Umsätze bei einem Ausfall erweitert werden.
Hohe Wachstumsraten
Der 33-jährige Rohr und der ein Jahr jüngere Baumann beschäftigten sich schon während ihres Studiums an der Technischen Universität München mit der Thematik. Die beiden kommen aus Niederbayern und sind nur zehn Kilometer voneinander entfernt aufgewachsen, lernten sich aber erst an der Uni kennen.
Ein Venture-Capital-Geber der UnternehmerTUM, dem Gründerzentrum der Hochschule, war auch einer der ersten Seed-Investoren. Insgesamt hat das Start-up schon mehr als 14 Millionen Euro eingesammelt. In diesem Jahr werden laut Branchenschätzungen siebenstellige Umsätze erwartet. „Wir wollen den Umsatz jedes Jahr verdreifachen“, kündigt Rohr an.
Der Batteriemarkt insgesamt dürfte laut einer Studie der Experten von Marketsandmarkets bis 2025 von 92 auf mehr als 150 Milliarden Dollar wachsen. Der Großteil davon entfalle auf Lithium-Ionen-Batterien. Bei Elektroautos machen diese Batterien einen großen Teil der Wertschöpfung aus. Allerdings kommen die meisten davon aus Asien.
Doch die Twaice-Gründer sehen eine Chance, dass Deutschland zumindest hier eine Rolle spielt. „In Zukunft wird es jemanden geben, der das Asset Batterie überwacht. Wir wollen global dieser Player sein“, sagt Baumann.
Dabei setzt Twaice auf eine breite Aufstellung. „Wir wollen strategisch unabhängig bleiben und die Technologie breit am Markt platzieren“, sagt Rohr. Twaice wolle mit allen Herstellern kooperieren und zudem industrieübergreifend Umsätze machen. Im Energiesektor wird die Software bereits beim Projektentwickler Smart Power angewandt. Twaice hat Zugang zu den Daten der betriebenen Speichersysteme mit einer Kapazität von knapp 30 Megawattstunden und kann so permanent den Zustand der Batterien analysieren.
Doch besonders viel Aufmerksamkeit bekommt die Elektromobilität. Die beiden Gründer sind sich sicher, dass diese sich durchsetzen wird. „Die Elektrifizierung der Branche kann niemand aufhalten“, sagt Rohr. Bei Pkws sei das die effizienteste Lösung. Auch im Unternehmen nutzen sie natürlich Elektrofahrzeuge. „Jeder, der einmal ein Elektroauto gefahren hat, sagt: Ich will auch so ein Ding!“, schwärmt Baumann.
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