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CO2-Grenzausgleich Warum die Sorge vor einem grünen Handelskrieg wächst

Die EU plant Klimazölle zum Schutz europäischer Firmen. Handelspartner und Wirtschaftsvertreter sind alarmiert. Sie fürchten Klima-Protektionismus.
23.04.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Quelle: dpa
Klimaziele

Brüssel, Berlin Es war ein ungewöhnlicher Termin für Frans Timmermans. Normalerweise muss der Vizepräsident der EU-Kommission dem Europaparlament Rede und Antwort stehen. Doch am Dienstag erklärte sich der niederländische Sozialdemokrat vor einem Unterausschuss des US-Kongresses.

Ein Grund für das Interesse der Amerikaner an der Stellungnahme des europäischen Spitzenpolitikers: die wachsende Beunruhigung in den USA über die Brüsseler Pläne, die ehrgeizigen Emissionsziele der EU mit neuen Klimazöllen zu flankieren.

Timmermans bestätigte bei der Anhörung, dass die EU an einem „CO2- Grenzausgleichsmechanismus“ arbeitete – versicherte aber: Dieser solle „vorzugsweise“ nie zum Einsatz kommen. Dafür müssten sich die anderen Länder nur an ihre Emissionsversprechen halten.

Im Pariser Klimaschutzvertrag von 2016 hat sich die Staatengemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die EU hat ehrgeizige Klimaziele formuliert, um ihren Beitrag dazu zu leisten. Sie fürchtet aber um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie, sollten andere Wirtschaftsmächte weniger ambitioniert vorgehen.

Der Grenzausgleich soll dieses Problem lösen – und verhindern, dass europäische Unternehmen in Länder abwandern, die weniger strenge Emissionsauflagen vorgeben. Das würde nicht nur den Volkswirtschaften der EU, sondern auch dem Klima schaden. Im Juni will die Kommission ihren Vorschlag für die Abgabe präsentieren.

Im Kern geht es darum, außerhalb der EU hergestellte Produkte bei der Einfuhr mit einer Abgabe zu belegen. Diese soll in ihrer Höhe den bei der Herstellung auftretenden CO2-Emissionen entsprechen. Das soll Klima-Dumping verhindern. Denn mit hohem CO2-Ausstoß produzierte Güter könnten sonst importiert und hierzulande günstiger angeboten werden können als diejenigen, die innerhalb der EU mit geringeren Emissionen entstehen.

USA und China sind beunruhigt

So einleuchtend das Konzept in der Theorie klingt, so heikel ist es politisch. Die USA warnen, dass die EU den globalen Konsens im Klimaschutz gefährdet, wenn sie ihre Pläne unilateral vorantreibt. Auch China ist beunruhigt: Staats- und Parteichef Xi Jinping mahnte erst vor Kurzem bei einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass der Kampf gegen den Klimawandel „nicht zu einem Vorwand für Geopolitik, Angriffe auf andere Länder oder Handelsbarrieren werden“ sollte.

Brüssel steht ein Balanceakt bevor: Einerseits muss die EU ihre eigenen Wirtschaftsinteressen schützen, andererseits kann sie kein Interesse daran haben, einen grünen Handelskrieg auszulösen. Man befinde sich daher im „sehr engen Austausch“ mit den internationalen Partnern, betont die EU-Kommission. Doch wird Brüssel noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, die Vorbehalte gegen das europäische Vorgehen sind groß.

„Wir befürchten, dass daraus sehr leicht protektionistische Handelshürden werden“, sagte etwa der australische Handelsminister Daniel Tehan dem Handelsblatt. Australien hat viel zu verlieren. Das Land ist der größte Kohleexporteur der Welt und hat sich noch nicht darauf festgelegt, seine Emissionen bis 2050 netto auf null zu reduzieren.

Dass die Sorgen verständlich sind, räumt auch Bernd Lange, Vorsitzender des handelspolitischen Ausschusses des EU-Parlaments, ein: „Man muss sehr vorsichtig sein mit diesem Instrument“, sagt er. Die neuen Einfuhrbestimmungen dürften niemanden diskriminieren und keine Eskalation auslösen. „Wir brauchen Dialog“, betont Lange. Der SPD-Politiker weiß, dass auch in der deutschen Wirtschaft die Vorbehalte überwiegen.

„Gerade die deutsche Industrie befürchtet bei Grenzausgleichsmaßnahmen erhebliche Nachteile bei Exporten und sogar Handelskonflikte“, stellt Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), klar.

Ein CO2-Grenzausgleich müsse WTO-kompatibel und international abgestimmt sein, sonst drohe eine Sanktionsspirale. Davor warnen auch Ökonomen: „Gelingt es nicht, hinreichend viele weitere Länder in eine ambitionierte Klimapolitik einzubinden, droht ein solcher Ausgleichsmechanismus neue Handelsstreitigkeiten auszulösen und die Effektivität der EU-Klimapolitik zu untergraben“, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des IfW Kiel.

Europäische Klimazölle könnten sich gegen Amerikaner wenden

Die USA wollen die EU von einem Alleingang abbringen, befinden sich aber ihrerseits in einer schwierigen Position. Präsident Joe Biden will sich einerseits als couragierter Klimaschützer inszenieren, andererseits muss er Industrieinteressen im Blick halten.

Europäische Klimazölle könnten sich schnell gegen die Amerikaner wenden. Denn ob es Biden gelingt, seine politischen Klimaversprechen in ein Gesetz zu übertragen, ist angesichts der innenpolitischen Lage in den USA fraglich. Die oppositionellen Republikaner haben weiterhin viele Klimawandel-Skeptiker in ihren Reihen und können Gesetze im Senat verhindern.

Das Bundeswirtschaftsministerium wirbt um Verständnis für die EU-Position und versucht zugleich, Sorgen im Ausland zu zerstreuen: Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit müssten gemeinsam betrachtet werden, damit es nicht zu einer Verlagerung von CO2-Emissionen in Länder mit geringeren Umweltstandards komme. Ambitioniertere Klimaschutzziele erforderten einen entsprechend angepassten Schutz. Man setze sich aber „für einen WTO-rechtskonformen Ansatz ein“.

Die CO2-Grenzsteuer ist eines der wichtigsten Projekte der EU, um ihre Einsparziele zu erreichen, aber bei Weitem nicht das einzige. Die Kommission will im Juni ganze zwölf Gesetzesvorschläge dazu vorlegen, die gemeinsam das „Fit for 55 Percent Package“ bilden. Dazu zählen die Vergrößerung von natürlichen CO2-Speichern wie Wäldern und Mooren, der Ausbau erneuerbarerer Energien, schärfere Emissionsvorgaben für Autos und eine neue Definition, was als nachhaltiges Investment angesehen werden kann.

Der wichtigste Punkt in dem Paket ist die Reform des Emissionshandelssystems, das seine Klimaschutzwirkung bisher nicht richtig entfalten kann. Denn große klimaschädliche Bereiche erfasst das System bisher nicht: den Verkehr, die Gebäude und die Landwirtschaft. Die erlaubte Gesamtmenge CO2 sinkt schon heute im Handelssystem von Jahr zu Jahr, wird aber deutlich schneller sinken müssen.

„Jetzt kommt es entscheidend darauf an, eine Brücke zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie zu schlagen“, sagt die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler. „Wir brauchen marktwirtschaftliche Lösungen, beispielsweise die Weiterentwicklung des Emissionshandels. Allein durch schärfere Regulierung und höhere Grenzwerte werden wir nicht erfolgreich sein.“ Auch deshalb will die EU-Kommission schon bald eine neue Industriestrategie vorlegen und sie mit dem Klimaschutz verbinden.

Mehr: USA melden sich im Kampf gegen Erderwärmung zurück

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1 Kommentar zu "CO2-Grenzausgleich: Warum die Sorge vor einem grünen Handelskrieg wächst"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Man kann es drehen und wenden, wie man will: Solange Europa deutlich ehrgeizigere CO2-Reduktionspläne verfolgt als der Rest der Industrieländer, riskieren wir Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit.
    Zwar wäre eine CO2-Grenzabgabe durchaus sinnvoll, um Staaten nicht zu bestrafen, die beim Klimaschutz besonders entschlossen vorangehen. Es müssten allerdings Hilfen für Exporte in Länder, die deutlich weniger Umweltauflagen haben, hinzukommen. Aber solange dieser Grundansatz international auf Ablehnung stößt und Handelskonflikte heraufzubeschwören droht, können wir ihn nicht umsetzen.
    Wollten wir dennoch klimapolitischer Vorreiter bleiben, könnten wir den dann eintretenden Wettbewerbsnachteil der einheimischen Industrie mit Subventionen kompensieren. Doch auch dieser Weg würde direkt oder indirekt zu Wohlstandseinbußen führen.
    Wären wir dazu nicht bereit, müssten wir unsere Vorreiterrolle aufgeben. Globaler Klimaschutz im notwendigen Tempo wäre auch in diesem Fall nicht zum Scheitern verurteilt - vorausgesetzt, China und die USA würden einen offensiveren Kurs in ihrer Klimapolitik einschlagen. Doch ist das derzeit zu erwarten? Wohl kaum!
    Wird am Ende die CO2-Grenzabgabe doch die „grüne Gretchenfrage“?

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