Commerzbank-Studie Der Mittelstand hat Nachhaltigkeit als Thema erkannt – doch Strategien fehlen bisher

Viele Mittelständler sehen Nachhaltigkeit in erster Linie als Image- und Reputationsthema, nutzen jedoch nicht die damit verbundenen geschäftlichen Potenziale.
Frankfurt, Düsseldorf Deutschlands Mittelständler finden das Thema Nachhaltigkeit wichtig, machen in dem Bereich aber noch zu wenig. Das ist das Ergebnis einer zweistufigen Umfrage, die das Marktforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Commerzbank durchgeführt hat. Die erste Befragung fand vor der Pandemie bei rund 2000 Mittelständlern statt, die zweite im Herbst 2020 unter mehr als 700 Befragten.
Die am Dienstag veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass aktuell nur rund ein Drittel der befragten Unternehmen eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt hat. Bei einem weiteren Drittel gibt es entsprechende Planungen, beim letzten Drittel nicht mal diese. Für viele sei der Weg noch weit, wie Forsa-Projektleiterin Aleksa Möntmann erklärt. Dabei gibt es Firmen mit Vorbildcharakter.
Commerzbank-Firmenkundenchef Michael Kotzbauer sieht vor allem bei kleinen Mittelständlern Nachholbedarf. Dort sei Nachhaltigkeit zwar oft Chefsache, „es fehlen aber die Fachabteilungen und Fachkräfte, die sich damit institutionalisiert beschäftigen.“
Die Studie zeigt darüber hinaus, dass viele Mittelständler Nachhaltigkeit in erster Linie als Image- und Reputationsthema sehen. „Geschäftliche Potenziale werden dagegen noch nicht umfassend gehoben“, betont Forsa-Projektleiterin Möntmann.
Tatsächlich sind es derzeit vor allem große Familienunternehmen und Mittelständler, die klare Nachhaltigkeitskonzepte vorweisen können und in neue Geschäftsmodelle investieren. Zum Beispiel gab Viessmann erst am Montag bekannt, sich an Priva, einem niederländischen Spezialisten für Automation und ressourcenschonendem Einsatz von Energie und Wasser vor allem für die wohnortnahe Versorgung von Lebensmitteln, beteiligt zu haben. Wie schon Haniel und Miele will auch der Heizungs- und Klimaspezialist vom Trend zum vertical farming profitieren. Die Idee: weniger Transportvorgänge für die Versorgung der wachsenden Stadtbevölkerung.
Auch beim mittelständischen Technologieunternehmen Schaltbau sieht man Nachhaltigkeit als Megatrend. Eine Konsequenz ist eine neu erdachte Fabrik. Im niederbayerischen Velden baut der Anbieter für Verkehrstechnik ein CO2-neutrales Werk mit eigener Solaranlage, DC-Netz, Energiemanagement und Batteriespeichern auf.
Aus Sicht von Martin Dallmeier, Geschäftsführer der Drogeriekette dm, ist vielen Firmenlenkern die Bedeutung von Nachhaltigkeit noch nicht bewusst. „Meines Erachtens ist der wichtigste Schritt auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft, dass wir vom Müssen ins Wollen und damit ins Tun kommen.“
Nachhaltigkeit müsse für Unternehmen „eine Herzensangelegenheit werden und nicht nur ein weiterer Bestandteil des Geschäftsmodells“, fordert Dallmeier. Das Thema werde auch bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern und Kunden immer wichtiger.
Keine Kredite für umweltschädliche Projekte
Weniger als 20 Prozent der befragten Unternehmen gaben in der Studie an, dass sie den von der EU-Kommission ausgerufenen „Green Deal“ als Chance sehen und bereits neue Geschäftsfelder aufgebaut haben. Als Grund für ihre Zurückhaltung nennen viele, dass Aufwand und Ertrag beim Thema Nachhaltigkeit schwer abschätzbar seien. Zudem seien die Förderprogramme unübersichtlich oder es gebe unsichere gesetzliche Rahmenbedingungen.
Doch der Druck zur Nachhaltigkeit steigt: Finanzinstitute legen ebenfalls immer mehr Wert darauf, dass ihre Kunden nachhaltig wirtschaften, und berücksichtigen dieses Kriterium zunehmend bei der Kreditvergabe und anderen Finanzierungen.
„Für uns als Bank wird es nicht nur darum gehen, selbst CO2-neutral zu sein, sondern auch darum, unser Kreditportfolio zunehmend nachhaltig zu gestalten“, sagt Commerzbank-Vorstand Kotzbauer. Das Frankfurter Geldhaus habe Finanzierungsanfragen aus Nachhaltigkeitsgründen bereits abgelehnt und werde dies auch weiterhin tun. Oberstes Ziel sei es jedoch, Unternehmen bei der Transformation hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften zu unterstützen.
Die Commerzbank zählt zu den größten Kreditgebern des deutschen Mittelstands. Wie viele andere Geldhäuser auch muss das Institut zudem den Aufsichtsbehörden darlegen, wie groß die Klimarisiken in seinem Kreditportfolio sind. Kotzbauer ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit bei der Überwachung von Banken künftig eine noch wichtigere Rolle spielen wird. „Das sehen wir heute schon – und das wird sich in der Zukunft weiter verstärken.“
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