Elektromobilität Deutsche Hersteller nehmen den Kampf um den E-Automarkt in China auf

Das Produktportfolio des Unternehmens in China soll bis 2025 zu rund 35 Prozent aus rein elektrischen Modellen bestehen.
Peking Stephan Wöllenstein, China-Chef von Volkswagen, wählt dramatische Worte zum Auftakt der großen Automesse „Auto China“ in Peking am Samstag. „Wir sind dabei, das Spiel zu verändern“, sagt er auf der großen Bühne am Volkswagen-Stand. VW starte eine neue Ära, so Wöllenstein, eine „voll elektrifizierte“.
Am Montag wird deutlicher, wie ernst Volkswagen das Spiel nimmt. Auf dem „World New Energy Vehicle“-Kongress im südchinesischen Hainan bekräftigte Wöllenstein das Vorhaben, trotz der Corona-Pandemie zusammen mit seinen Joint-Venture-Partnern in China bis 2024 15 Milliarden Euro in E-Mobilität zu investieren – zusätzlich zu den 33 Milliarden Euro weltweit.
Bereits im Mai hatte Volkswagen mitgeteilt, für zwei Milliarden Euro seinen Anteil an JAC Volkswagen, dem chinesischen Joint Venture des Unternehmens für E-Mobilität, zu erhöhen und einen Anteil an dem chinesischen Batteriehersteller Gotion High-Tech zu erwerben.
Chinas E-Auto-Markt ist hart umkämpft – und die deutschen Autobauer bringen sich in Stellung. Volkswagen plant damit, dass bis 2025 15 sogenannte NEV-Modelle, also Nicht-Verbrenner, lokal in China produziert werden sollen. Das Produktportfolio des Unternehmens in China soll bis dahin zu rund 35 Prozent aus rein elektrischen Modellen bestehen.
Derzeit baut Volkswagen elf seiner insgesamt 20 Hybrid- und Elektromodelle bereits in China. Jeder fünfte in China produzierte Volkswagen fährt bereits ganz oder teilweise elektrisch. Damit sind die Wolfsburger in China mit ihrer Elektrostrategie deutlich weiter als in Europa. Auch der Stuttgarter Autobauer Daimler will aufholen und hatte jüngst eine Beteiligung an dem chinesischen Batteriezellenhersteller Farasis Energy verkündet.
Der chinesische Markt habe „enormes Potenzial für weiteres Wachstum“, sagte Hubertus Troska, im Vorstand von Daimler verantwortlich für Greater China. BMW hatte zuletzt ebenfalls seine Batterieproduktion in China ausgeweitet.
Peking hat die Elektroförderung wegen der Coronakrise verlängert
Tatsächlich ist noch viel Luft nach oben. Laut dem deutschen Automobilverband VDA haben die deutschen Autohersteller in China gerade einmal einen Marktanteil von zwölf Prozent. Dabei ist die Volksrepublik der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für BMW, Volkswagen und Daimler
Bislang spielen die deutschen Hersteller auf dem Milliardenmarkt für E-Autos weltweit nur eine untergeordnete Rolle. International ist der amerikanische Hersteller Tesla führender Anbieter von Elektroautos, dann folgt der chinesische Autobauer BYD, erst auf den Plätzen fünf und sechs liegen BMW und Volkswagen laut einer Studie des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.
Auch in China sind andere Marken beliebter, BYD und Tesla haben die Nase vorn. Aufgrund der Coronakrise war der Absatz von sogenannten „New Energy Vehicles“ (NEV), worunter alle alternativen Antriebe zum Verbrennungsmotor zählen, in China zunächst stark eingebrochen. Im ersten Quartal waren die Verkaufszahlen im Vorjahresvergleich um 60 Prozent gesunken. Zwischen Januar und August wurden laut der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) insgesamt rund 26 Prozent weniger NEV-Fahrzeuge in China verkauft.
Peking hatte bereits vor mehrere Jahren in den alternativen Antrieben eine neue Chance für seine Autobauer gesehen, die beim Verbrennungsmotor den Rückstand zu der europäischen Konkurrenz nie aufholen konnten, und die Branche mit üppigen finanziellen Hilfen gepäppelt. Seit 2017 baut Peking die Subventionen jedoch immer stärker ab. Seit 2018 hat sich der Markt daher deutlich abgekühlt.
Wegen der Covid-Krise hat sich die chinesische Regierung entschlossen, die Subventionen später auslaufen zu lassen. Eine eigentlich geplante weitere Reduzierung der staatlichen Hilfen wurde im April um zwei Jahre auf Ende 2022 verschoben. Experten erwarten daher, dass der Markt für E-Autos nach einem Einbruch in diesem Jahr ab 2021 wieder anziehen wird. So schätzt McKinsey, dass der Anteil an vollelektrischen Fahrzeugen in China bis 2025 auf 14 bis 20 Prozent ansteigen wird – was rund vier bis fünf Millionen verkauften Autos entspricht.
Die chinesische Regierung hat sogar das ehrgeizige Ziel ausgegeben, dass bis 2025 25 Prozent der neu zugelassenen Autos in China mit alternativen Antrieben fahren sollen. Im vergangenen Jahr machten sie laut Zahlen der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) gerade mal rund fünf Prozent der verkauften Autos aus. Peking will das 25-Prozent-Ziel mithilfe von massiven Verkaufssubventionen und finanzieller Unterstützung für die Hersteller erreichen. Zudem investiert der chinesische Staat massiv in Ladeinfrastruktur.
Die Deutschen könnten Marktführer bei E-Autos werden
„NEV haben noch immer höchste Priorität für die chinesische Regierung und sind zentrales Element des Post-Coronavirus-Stimulus-Plans“, sagt Wu Ting, Partner bei McKinsey in Shenzhen.
Neben den finanziellen Unterstützungen werden Autohersteller durch ein Emissions-Kredit-System bestraft, wenn sie nicht einen bestimmten Anteil an Elektroautos in ihrer Flotte haben. Seit 2019 gilt in China für die
Autobauer eine Mindestquote von zehn Prozent für den Verkauf von Elektroautomobilen und Hybridautos, wer sie nicht erfüllt, muss Strafe zahlen. Jüngst hat das für die Quoten zuständige Industrieministerium angekündigt, dass man die künftige Quotenregelung angesichts der stark gesunkenen Verkaufszahlen bei den alternativen Antrieben und den Folgen der Coronakrise lockern könnte.
„Die Chinesen haben richtigerweise in der Covid-19-Konjunkturkrise die Schleusen für den Verbrenner wieder geöffnet“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR – Center Automotive Research in Duisburg, dem Handelsblatt. Verbrenner hätten eine Verlängerung erhalten, das sei gut für die deutschen Hersteller. „Aber ab 2022 dürfte das vorbei sein“, so der Autoexperte, „dann brauchen die Deutschen vollelektrische Autos.“
Eines ist klar: Einfach dürfte die Aufholjagd nicht werden. Der Wettbewerb in China hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Vor allem Tesla hat den Markt aufgemischt. Seit Anfang 2020 produziert das Unternehmen an einem Standort in Schanghai, in den kommenden Jahren soll dort die Produktion auf bis zu einer Million Autos pro Jahr hochgeschraubt werden.

Laut dem Automobilverband VDA haben die deutschen Hersteller in China gerade einmal einen Marktanteil von zwölf Prozent.
Auch weltweit ist der Markt heiß umkämpft. Laut der Unternehmensberatung McKinsey haben Autohersteller weltweit bis 2024 600 neue E-Auto-Modelle angekündigt: Chinesische Autobauer liegen demnach mit 169 Modellen vorne, gefolgt von Japan (145) und Deutschland (102). McKinsey schätzt, dass der Anteil deutscher Hersteller an der weltweiten E-Auto-Produktion von 18 Prozent im vergangenen Jahr auf 29 Prozent im Jahr 2024 ansteigen wird.
Bereits 2021, so die Analyse, könnte Deutschland mit mehr als 1,7 Millionen produzierten E-Fahrzeugen China als Weltmarktführer für E-Autos überholen. Bei den chinesischen E-Auto-Produzenten, die eher im unteren Preissegment unterwegs sind und von denen es zeitweise mehrere Hundert gab, haben der angezogene Wettbewerb und die Abkühlung der Kauflust der Chinesen insgesamt bereits Spuren hinterlassen. Bekanntestes Beispiel ist das Start-up Byton, das in diesem Jahr ins Straucheln geraten ist.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Konsolidierung weitergeht. Tesla hatte vergangene Woche angekündigt, dass das Unternehmen in drei Jahren ein Auto für 25.000 Dollar bauen will.
„Gleich zwei große Bretter müssen schnell gebohrt werden“, sagt Autoexperte Dudenhöffer mit Blick auf die deutschen Hersteller in China. „Das vollelektrische Auto muss mit einem breiten Angebot in die Ausstellungsräume der Händler“, so Dudenhöffer, um Tesla und den Chinesen nicht das Feld zu überlassen. „Das zweite Thema ist ganz klar der Autopilot, sprich voll automatisiertes Fahren und IT-Nutzungen im Auto, also eine Art Infotainment“, so Dudenhöffer. Tesla habe da einen deutlichen Vorsprung. Software sei das ganz große Thema im China von morgen.
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