Wasserstoff & Kohleausstieg: Griechenland setzt auf grünen Wasserstoff
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EnergieversorgungMit grünem Wasserstoff will Griechenland 2025 aus der Braunkohle aussteigen
Griechenlands Premier Mitsotakis schaltet die Braunkohlekraftwerke früher ab als geplant. Den Kohleausstieg will das Land mit der klimaneutralen Wasserstoff-Produktion flankieren.
Griechenlands größtes Braunkohlerevier liegt in der Region Westmakedonien.
(Foto: Getty Images)
Athen Die letzte Stunde für die Stromfabrik Kardiá beim nordgriechischen Kozani hat geschlagen: Vor Kurzem ging das älteste Braunkohlekraftwerk Griechenlands für immer vom Netz. Mit der Abschaltung kommt das Land dem Kohleausstieg einen weiteren Schritt näher.
Ursprünglich wollte sich die staatliche Publik Power Corp. (PPC), Griechenlands größtes Energieunternehmen, 2028 von der Kohleverstromung verabschieden. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis gab Ende April bekannt, dass der Ausstieg auf 2025 vorgezogen wird.
Der beschleunigte Abschied von der Braunkohle ist Teil einer ambitionierten „Grünen Agenda“ des griechischen Premiers. Mit einem Pilotprojekt will eine Gruppe von Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Griechenlands größtem Braunkohlerevier Westmakedonien demonstrieren, wie ein Übergang von der Kohleverstromung zur klimaneutralen Wasserstoffproduktion aussehen kann.
Das Vorhaben, das unter dem Namen White Dragon läuft, soll zwischen 2022 und 2029 umgesetzt werden und 8,1 Milliarden Euro kosten. Die Initiatoren haben ihre Pläne Ende April der EU-Kommission vorgelegt. Sie hoffen, dass die EU White Dragon als Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCI) einstuft und finanziell fördert. Eine Entscheidung erwartet man Ende Juni.
Grüner Wasserstoff soll eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Klimaziele der Europäischen Union spielen. Er gilt vor allem in der industriellen Anwendung bei der Stahlproduktion, in der Chemieindustrie und in den Transportsystemen als unverzichtbar für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
Idealer Standort für klimaneutrale Wasserstoffproduktion
Griechenland gilt wegen seines großen Potenzials an Solar- und Windenergie als idealer Standort für die klimaneutrale Wasserstoffproduktion. „Wasserstoff ist der Schlüssel zur Dekarbonisierung“, sagt Kostas Skrekas, der griechische Minister für Umwelt und Energie.
Farbenkunde Wasserstoff
Wasserstoff kann auf verschiedene Arten hergestellt werden. Je nachdem, wie viel CO2 dabei ausgestoßen wird, wird er als grauer, blauer, türkiser oder grüner Wasserstoff bezeichnet. Die Details.
…wird aus Erdgas oder Kohle hergestellt. Das kostengünstigste Verfahren ist die Dampfreformierung. Dabei wird Erdgas in der Regel unter Hitze in Wasserstoff und CO2 aufgespalten. Bei dieser Methode entstehen erhebliche Treibhausgas-Emissionen, die in die Atmosphäre gelangen. Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zufolge so rund zehn Tonnen CO2. Wasserstoff wird auch dann als „grauer Wasserstoff“ bezeichnet, wenn er per Elektrolyse aus „Graustrom“ hergestellt wird, der „fossil“ produzierten Strom enthält.
…unterscheidet sich von grauem Wasserstoff dadurch, dass bei seiner Gewinnung aus Erdgas das CO2 abgespalten und in unterirdischen Lagerstätten gespeichert wird. So gelangt das CO2 nicht in die Atmosphäre. Die Wasserstoffproduktion kann damit „bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden“, heißt es vom BMBF. Laut Greenpeace sei blauer Wasserstoff jedoch durch die Förderung und den Transport des benötigten Erdgases „mit einem erheblichen CO2-Fußabdruck belastet.“
… wird wie grauer und blauer Wasserstoff aus fossilem Erdgas gewonnen. Dabei wird Methan thermisch gespalten (Methanpyrolyse). Statt CO2-Emissionen entsteht so ein fester Kohlenstoff, der sich weiter nutzen lässt. CO2-neutral ist das Verfahren daher nur, wenn der feste Kohlenstoff dauerhaft gebunden bleibt.
…wird mithilfe von Ökostrom und damit CO2-neutral hergestellt. Dabei wird Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Der Wasserstoff wird dann in das Gasnetz eingespeist oder direkt vor Ort als Energieträger genutzt.
Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Die Umsetzung der EU-Klimaziele ist für das Land allerdings eine große Herausforderung. Vor 20 Jahren war Griechenland Europas viertgrößter Braunkohleförderer. Damals kamen 70 Prozent des griechischen Stroms aus Kohlekraftwerken. Noch 2019 steuerte die Braunkohle 23 Prozent zur Elektrizitätsproduktion bei.
Nicht nur die Regierung macht Druck. Auch der Stromkonzern PPC will die Braunkohlekraftwerke wegen der rasant steigenden Preise der CO2-Zertifikate möglichst schnell vom Netz nehmen. Im vergangenen Jahr reduzierte die PPC die Braunkohleverstromung bereits von 10,4 auf 5,7 Terawattstunden. Bis Ende 2022 will der Stromproduzent seinen CO2-Ausstoß um weitere 40 Prozent reduzieren.
Eine der großen politischen Herausforderungen ist, den Kohleausstieg ökonomisch und sozial abzufedern. Griechenlands größtes Braunkohlerevier liegt in der Region Westmakedonien. Dort hängen ein Fünftel der Wirtschaftsleistung und 10.000 Jobs an der Braunkohle.
Kohlekraftwerk in Griechenland
Griechenland will die Braunkohlekraftwerke wegen der rasant steigenden Preise der CO2-Zertifikate möglichst schnell vom Netz nehmen.
Das Projekt White Dragon kann nach Berechnungen der Planer direkt 18.000 und mittelbar weitere 29.500 Arbeitsplätze schaffen und dafür sorgen, dass Westmakedonien auch nach der Abschaltung der Kohlekraftwerke seine Rolle als Kernregion der griechischen Energieversorgung behält.
Gesamte Lieferkette
Das Besondere an dem Vorhaben ist, dass es in großem Maßstab die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette darstellt, von der Gewinnung des Solarstroms, der für die Gewinnung des Wasserstoffs benötigt wird, über den Transport und die Lagerung bis hin zur Nutzung beim Endverbraucher. Den Strom für die Elektrolyse des Wasserstoffs soll eine Photovoltaikanlage in den stillgelegten Abbaugebieten liefern.
Koordiniert wird das Projekt vom staatlichen Gasversorger Depa. Beteiligt an dem Konsortium sind unter anderem der Brennstoffzellenspezialist Advent Technologies, die Raffinerieunternehmen Hellenic Petroleum und Motor Oil, der Mischkonzern Mytilineos, das Bauunternehmen Terna, der polnische Bushersteller Solaris, der Gaspipelinebetreiber TAP sowie die griechischen Forschungsinstitute Dimokritos und Certh.
Die Produktionskapazität des Projekts veranschlagen die Planer auf bis zu 320.000 Tonnen jährlich. Über die bestehende Trans Adriatic Pipeline (TAP) könnte der Wasserstoff als Beimischung zu Erdgas nach Italien gepumpt und dort in das europäische Leitungsnetz eingespeist werden.
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Ist doch prima, soviel Zuversicht. Die EU (sprich D) wird die Gelder schicken. Wo die dann wirklich landen -was solls.