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Gastkommentar Sachverständigenrat: Wer CO2 ausstößt, soll dafür bezahlen

Damit Deutschland seine strengeren Klimaziele erreicht, muss der CO2-Preis eine zentrale Rolle spielen, finden Veronika Grimm, Monika Schnitzer, Achim Truger und Volker Wieland.
23.07.2021 - 08:00 Uhr 1 Kommentar
Die Mitglieder Veronika Grimm, Monika Schnitzer, Achim Truger und Volker Wieland (von l. o. nach r. u.) Quelle: Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat

Die Mitglieder Veronika Grimm, Monika Schnitzer, Achim Truger und Volker Wieland (von l. o. nach r. u.)

(Foto: Sachverständigenrat)

Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes erhöht Deutschland seine Klimaambitionen. Bis zum Jahr 2045 soll nun Klimaneutralität erreicht werden. Sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Veränderungen wird dies erheblich beschleunigen. 

Viele Produkte und Geschäftsfelder haben keine Zukunft mehr, während andere an Bedeutung gewinnen werden oder gar neu entstehen. Absatzmärkte und Arbeitsplätze werden sich wandeln und mit ihnen die Grundlage unseres Wirtschaftens und Wohlstands.

Die Transformation wird mit dem Einsatz erheblicher volkswirtschaftlicher Ressourcen verbunden sein. Umso wichtiger ist es, die Erreichung der Klimaziele so effizient wie möglich zu gestalten und die damit verbundenen Kosten möglichst niedrig zu halten.

Deutschland kann von der Transformation auf vielfältige Art und Weise profitieren. Die Innovationskraft von Unternehmen und Forschungseinrichtungen schafft sehr gute Voraussetzungen, um die Technologieführerschaft in wichtigen Zukunftsmärkten zu erlangen sowie die deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit in grünen Technologien auszubauen.

Verlässliche Rahmenbedingungen sind dabei zentral. Eine sozial ausgewogene Gestaltung ist möglich und verdient nicht zuletzt als Grundlage für eine anhaltende, breite Akzeptanz der Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit.

Dafür müssen besonders in der nächsten Legislaturperiode wichtige Weichen gestellt werden. Es gilt, deutlicher als bisher die Stärken marktwirtschaftlicher Instrumente zu nutzen. Eine zentrale Rolle muss die einheitliche und ambitionierte Bepreisung von CO2-Emissionen einnehmen. Sie sollte als Leitinstrument der Klimapolitik zunächst in Deutschland und schnellstmöglich auch auf europäischer Ebene verankert werden.

Mit dem europäischen Emissionshandelssystem und der im Jahr 2021 eingeführten nationalen CO2-Abgabe wurde bereits der richtige Weg eingeschlagen. Um die neuen Klimaziele aber tatsächlich zu erreichen, sind weitere Schritte notwendig.

Ein einheitlicher CO2-Preis ist wichtig

Bis spätestens 2030 sollte der nationale Emissionshandel in den europäischen Emissionshandel überführt werden. Ein einheitlicher CO2-Preis über alle Emittenten, Regionen und Sektoren führt dazu, dass Emissionen dort vermieden werden, wo dies zum jeweiligen Zeitpunkt am günstigsten möglich ist. Dies hält die gesamte Belastung von Unternehmen und Haushalten sowie die notwendigen Ressourcen zur Erreichung der Klimaziele so gering wie möglich.

Eine Klimapolitik, die konsequent auf die Stärkung der Anreizwirkung des CO2-Preises setzt, ist zudem berechenbar und reduziert regulatorische Unsicherheit: Unternehmen müssen dann insbesondere mit weniger Eingriffen der Politik oder neuen Gesetzesinitiativen rechnen. 

Eine glaubhaft angekündigte Emissionsreduktion über die CO2-Bepreisung erlaubt ihnen schon heute, die Kosten der Transformation auch in der längeren Frist zu antizipieren. Dadurch werden frühzeitig Investitionen und Innovationen angeregt, die ganz entscheidend für das Erreichen der Klimaziele sind.

Damit die CO2-Bepreisung ihre Anreizwirkung voll entfalten kann, sollten gleichzeitig mit dem Anheben des CO2-Preises klimaschädliche Subventionen und verzerrende Abgaben abgebaut werden. So würden die Abschaffung der EEG-Umlage und die Absenkung der Stromsteuer auf ein Minimum mit einer dreifachen Dividende einhergehen.

Die Abschaffung der EEG-Umlage würde weniger Bürokratie bedeuten

Die Anreize zur Nutzung von zunehmend erneuerbarem Strom zur Dekarbonisierung der Sektoren Wärme und Verkehr sowie der Industrie würden gestärkt. Zudem würde die Abrechnung der EEG-Umlage – und damit viel Bürokratie – entfallen, was die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung zusätzlich entlastet.

Schließlich wird in den kommenden Jahren die Belastung für Haushalte durch die Klimamaßnahmen steigen. Bei einer vollständigen Abschaffung der EEG-Umlage und der Absenkung der Stromsteuer auf ein Minimum würden die Belastungen für die privaten Haushalte abgefedert; die unteren Einkommensgruppen würden im Durchschnitt netto sogar entlastet. 

Besondere Härtefälle – also Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen, die durch die Strompreissenkung oder den Sozialstaat nicht kompensiert werden – machen lediglich einen sehr kleinen Anteil aus und können zielgerichtet adressiert werden.

Neben der CO2-Bepreisung und der Anpassung von Abgaben und Umlagen sind weitere komplementäre Maßnahmen notwendig. So kann etwa der Ausbau der Forschungsförderung Innovationen beschleunigen. Ein verlässlicher Infrastrukturausbau kann private Investitionen auslösen und Möglichkeiten zur Vermeidung von Emissionen eröffnen.

Mobilität ist ein grenzüberschreitendes Thema

Die Mobilität kann hier als Anschauungsbeispiel dienen. Damit sich Batterie- und Wasserstoffmobilität als Alternative etablieren können, ist ein ausreichendes Lade- und Tankstellennetz Voraussetzung. Investitionen in die Serienproduktion von Pkw und Lkw sind nur zu erwarten, wenn absehbar ist, dass diese auch genutzt – also insbesondere geladen oder mit Wasserstoff betankt werden können.

Dabei muss nicht nur in Deutschland eine verlässliche Infrastruktur etabliert werden. Da Mobilität stets auch ein grenzüberscheitendes Thema ist, muss ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen auf Ebene der Europäischen Union angestrebt werden.

Die Transparenz und Verlässlichkeit der Ausbaupläne sind hier entscheidend. Nur wenn sowohl Autofahrerinnen und -fahrer als auch die Fahrzeughersteller antizipieren können, wie sich die Infrastruktur entwickelt, werden sie ihre Nachfrage beziehungsweise ihr Angebot anpassen.

Der Einsatz von sogenanntem blauen Wasserstoff sollte möglich sein

In der emissionsintensiven Industrie stehen umfangreiche Investitionen an. So geht es in der Stahlindustrie beispielsweise um die Installation von Hochöfen, die mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können. In der nationalen Wasserstoffstrategie sind bereits öffentliche Mittel zur Unterstützung dieser Transformation vorgesehen. 

Um die Transformationskosten gering zu halten, sollte nicht zwangsläufig sofort der heute noch sehr teure grüne Wasserstoff im Fokus stehen. Die Kosten für klimaneutralen grünen Wasserstoff werden zwar perspektivisch stark sinken. Bis sein Einsatz konkurrenzfähig wird, kann und sollte aber auch der Einsatz von Gas oder sogenanntem blauen Wasserstoff möglich sein. Er wird aus Erdgas gewonnen, die resultierenden CO2-Emissionen werden jedoch aufgefangen und gespeichert. Dies könnte die Verfügbarkeit von klimafreundlichen Energieträgern erhöhen und gleichzeitig eine Grundlage darstellen, die Handelsbeziehungen mit den Regionen zu transformieren, von denen wir heute fossile Energieträger beziehen.

Trotz der großen Bedeutung staatlichen Handels und des Einsatzes öffentlicher Mittel werden vor allem private Investitionen die Transformationen tragen. Um Innovationen zum Durchbruch zu verhelfen und zu skalieren, ist ein guter Zugang der Unternehmen zu Wagniskapital entscheidend.

Heute steht in den USA und zum Teil auch in Asien im Vergleich mit Europa ein Vielfaches an Wagniskapital zur Verfügung. Europa muss daher sein Finanzierungsökosystem stärken, damit Klimarisiken und -chancen an Märkten richtig eingepreist werden können.

Wagniskapital könnte bei der Transformation eine wichtige Rolle spielen

Wichtige Komponenten sind belastbare Informationen und Indikatoren zur Nachhaltigkeit, eine echte europäische Kapitalmarktunion sowie eine Vernetzung der Expertise von Finanzwirtschaft, Realwirtschaft und Wissenschaft. Letzteres könnte die Expertise zu Nachhaltigkeitsthemen im Finanzsektor stärken und dadurch Investitionen auslösen.

Für erfolgreichen Klimaschutz ist schließlich eine globale Einigung zur verbindlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen in allen Regionen der Welt die entscheidende klimapolitische Aufgabe. Ein gemeinsamer Klimaklub ist dabei unilateralen Maßnahmen wie einem Grenzausgleich vorzuziehen.

Die EU sollte daher die nächsten Monate nutzen, um den Schulterschluss mit ihren wichtigen Handelspartnern in der Klimapolitik voranzutreiben. Ein gemeinsamer Klimaklub könnte die nationalen Klimaanstrengungen maßgeblich erleichtern, indem er den möglichen Wettbewerbsdruck aufgrund einer weniger ambitionierten Klimapolitik wichtiger Handelspartner abmildert und so eine schnellere Skalierung der entscheidenden Technologien und Innovationen ermöglicht. Denn sie sind es, die Staaten weltweit langfristig nachhaltiges Wachstum ermöglichen.

Veronika Grimm, Monika Schnitzer, Achim Truger und Volker Wieland gehören dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an.

Mehr: Klimapolitik: Schnellere Entscheidungen, weniger Bürokratie.

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1 Kommentar zu "Gastkommentar: Sachverständigenrat: Wer CO2 ausstößt, soll dafür bezahlen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Weder über Deutschland, noch über Europa ist eine Käseglocke, mit der wir uns die gute Luft bewahren.

    Eine CO2 Bepreisung macht nur Sinn wenn sie global eingesetzt wird, z.B. gekoppelt and das BIP pro Kopf, um einen Preis entsprechend der Leistungsfähigkeit festzulegen.

    Alles andere wird weder zur Einhaltung von Emmissionsreduktionszielen anhalten, noch einen Effekt im globalen Kontext erzeugen.

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