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Geldanlage Warum Investments in Klimasünder für umweltbewusste Anleger interessant sein könnten

Öl- und Minen-Titel müssen kein Tabu für umweltbewusste Anleger sein, argumentieren Fondsmanager. Mit ihrer Strategie erzielten sie im ersten Halbjahr zweistellige Renditen.
23.07.2021 - 12:17 Uhr Kommentieren
Aktien von Ölproduzenten wollen viele Fondsmanager aus Klimagründen nicht besitzen. Quelle: plainpicture/Design Pics
Bohrinsel im Golf von Mexiko

Aktien von Ölproduzenten wollen viele Fondsmanager aus Klimagründen nicht besitzen.

(Foto: plainpicture/Design Pics)

Frankfurt Wer mit seinem Geld etwas für Umwelt und Klima tun will, investiert ins Naheliegende: Firmen mit positiver Nachhaltigkeitsbilanz. Doch es geht auch anders. Jedenfalls dann, wenn man bereit ist, einen Tabubruch zu begehen und bewusst Aktien „sündiger“ Firmen zu kaufen. Die Idee: Anteilseigner können Einfluss auf die Firmenpolitik nehmen und so Druck auf Unternehmen ausüben, sich zum Besseren zu verändern.

Wer dieser Strategie folgt, für den sind möglicherweise Aktien von Ölkonzernen oder Bergbauunternehmen eine bessere Wahl als ein bereits vollgrüner Hersteller von Windturbinen. Und: Die Vorliebe für Umweltsünder auf dem Weg der Läuterung birgt durchaus Gewinnchancen.

So brachte etwa der „Konwave Transition Metals Fund“ für Aktien von Minengesellschaften mit relativ gutem Nachhaltigkeitsprofil im ersten Halbjahr rund 21 Prozent Ertrag, während der im Bereich alternativer Energien aktive „Triodos Energy Transition Europe Fund“ nur knapp vier Prozent schaffte.

Je nach Ausrichtung und Börsenstimmung schwanken die Erträge allerdings enorm. Das zeigen die krassen Unterschiede im Sektor Energie gerade im vergangenen Jahr: Der Ansturm der Anleger auf Trendunternehmen für alternative Energien, bei denen sich die Aktienkurse in der Folge vervielfachten, machte diese Titel sehr teuer, die vermeintlichen Sünder im fossilen Bereich dagegen billig.

So werden Aktien klimaschädlicher Ölkonzerne wie die von BP mit einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis von gerade einmal acht bewertet. Dagegen kommt der dänische Windturbinenhersteller Vestas auf sportliche 38, ist also fast fünfmal so teuer. Und es gibt noch kostspieligere Adressen auf dem Nachhaltigkeitsfeld.

Den Blick nach vorn richten

Bei der Bewertung der Unternehmen und ihrer Aktienperspektiven spielt die Einschätzung der Geschäftsmodelle eine Schlüsselrolle. „Wir brauchen weniger den Blick auf die Gegenwart als den in die Zukunft“, sagt Henrik Pontzen. Der Leiter Nachhaltigkeit bei Union Investment sieht es so: „Wir wollen nicht nur die grünen Unternehmen noch grüner machen, sondern auch die braunen grün.“ Wichtig sei es daher, mit den Firmen in einen Dialog einzutreten, falls sie sich nicht ohnehin bereits auf dem richtigen Weg befänden. Der Verkauf von Aktien sei nur die letzte Option, falls der Dialog nicht fruchte.

Ganz ähnlich arbeitet Hilde Jenssen, Aktienstrategin bei Nordea Asset Management in Kopenhagen: „Wir suchen eher die nicht ganz so grünen Unternehmen, denn hier können wir als Miteigentümer über unsere Einflussnahme einen Unterschied machen.“

Manche Anleger freunden sich durchaus mit solchen Gedanken an. Doch es fehlen Standards. Auch deshalb erweist sich die Auswahl passender Strategien als schwierig. „Jeder Verwalter folgt seinem eigenen Ansatz“, sagt Andre Härtel von Scope Analysis. Die seit März geltende Selbsteinstufung der Produkte in jene Strategien, die einen eigenen Nachhaltigkeitsansatz verfolgen, und jene, die sich zusätzliche Ziele setzen und diese auch verfolgen, helfe nur begrenzt weiter.

Farbenlehre: grün oder braun

Außerdem liegt die Unterscheidung von grünen und braunen Unternehmen häufig im Auge des Betrachters. Scope-Mann Härtel beschreibt das anhand der deutschen Versorger Eon und RWE, die beide noch im Kohlesektor aktiv seien. „Wenn Fondsverwalter unterschiedliche Schwellen beim Umsatzanteil gesetzt haben, dann können solche Unternehmen bei dem einen noch als grün gelten, während sie beim anderen als braun eingestuft werden und nicht investierbar sind.“

Für interessierte Privatanleger heißt das: Die Auswahl ist mit hohem Zeitaufwand verbunden. Einzelne Strategien müssen sie anhand der Beschreibungen in den Fonds-Informationen und der gehaltenen Aktien prüfen. Mit einem einfachen Knopfdruck bei einer Datenbank sind diese Strategien nicht abrufbar. Ein erster Anhaltspunkt kann allerdings im Fondsname ein Begriff wie „Transition“ sein, der möglicherweise einen Hinweis auf die zukunftsgerichtete Auswahl von Firmen gibt, die den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft ermöglichen oder sich selbst noch auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell befinden.

Transition als Schlüsselwort

Momentan gibt es nach Angaben von Scope Analysis zehn Aktienfonds mit einem Mindestkapital von 100 Millionen Euro und dem Begriff „Transition“ im Namen. Wie stark Ansätze und Ergebnisse differieren, illustrieren zwei der Strategien.

Im vergangenen Jahr boomten die Aktien von Batterieherstellern. Der in diesem Bereich stark engagierte „BNP Paribas Energy Transition Classic Cap“ konnte seinen Anteilspreis mehr als verdoppeln und weist einen spektakulären Ertrag von 164,6 Prozent aus. Doch in diesem Jahr verloren die teilweise überhitzten Aktien an Wert, sodass in den ersten sechs Monaten mit 7,9 Prozent ein nur noch moderater Ertrag anfiel.

Das Wechselbad der Gefühle illustriert die größte Position Plug Power. Die Aktie des Wasserstoff-Brennstoffzellenherstellers verzehnfachte sich im vergangenen Jahr, verlor jedoch im laufenden Jahr in der Spitze zwei Drittel an Wert.

Als problematisch gilt unter Umweltgesichtspunkten der hohe Wasserbedarf beim Abbau von Kupfer. Quelle: Fairfax Media/Getty Images
Kupfermine in Australien

Als problematisch gilt unter Umweltgesichtspunkten der hohe Wasserbedarf beim Abbau von Kupfer.

(Foto: Fairfax Media/Getty Images)

Ganz anders lief es beim „Konwave Transition Metals Fund“ des schweizerischen Fondsberaters Konwave. Die Strategie ist auf Bergbauunternehmen und Metallproduzenten ausgerichtet, die den Übergang zu umweltfreundlicheren Technologien ermöglichen sollen. Das reichte im vergangenen Jahr nur für zwei Prozent Ertrag. In den abgelaufenen sechs Monaten dagegen waren es immerhin 21,2 Prozent, getrieben auch von steigenden Rohstoffpreisen. „Wir haben zumindest die schlimmsten Unternehmen beim Stichwort Nachhaltigkeit ausgeschlossen“, sagt Co-Fondsmanager Erich Meier.

Bergbauer Vale fliegt raus

Im Juni habe man sich der UN-Global-Compact-Richtlinie angeschlossen, einer Initiative für nachhaltige Unternehmensausrichtung. Das sei der Anlass zum Verkauf dreier Aktien gewesen. Es traf laut Meier die brasilianische Bergbaufirma Vale, die nach mehreren Dammbrüchen mit vielen Toten in früheren Jahren in den Schlagzeilen gewesen war.

Auch betroffen war die russische Norilsk Nickel, da Umweltfragen in Russland einen geringeren Stellenwert hätten als in anderen Industrieländern. Darüber hinaus stieß der Fonds laut Meier die Bestände am weltgrößten börsennotierten Kupferproduzenten, dem US-Unternehmen Freeport McMoran, ab. Grund seien der Umgang mit den Beschäftigten und die schädliche Entsorgung von Abfällen aus der Metallproduktion gewesen.

Als Positivbeispiele nennt der Manager Horizonte Minerals. Bei einem geplanten Projekt in Brasilien wolle der britische Produzent von Nickel die Energieversorgung durch Wasserkraft sichern. Der Rohstoff sei wichtig beispielsweise für die Batterieproduktion. Auch Aktien der kanadischen Foran Mining sei im Fonds, die bei einem Projekt in Kanada CO2-Neutralität anstrebe.

Für Anleger sollte klar sein: Dieser Fonds unterscheidet sich stark von anderen Nachhaltigkeitsansätzen. Dazu gehört auch eine Erfolgsbeteiligung des Managements an den Anlageerträgen, sodass die jährliche Gesamtgebühr laut Angaben der Ratingagentur Morningstar zuletzt bei hohen vier Prozent lag. Bei den ausgewiesenen Fondserträgen in der Tabelle sind sämtliche laufenden Gebühren berücksichtigt.

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Vertrauen in glaubhafte Ziele

Weniger schwankende Erträge als die beiden beschriebenen Ansätze lieferte bisher Allianz Global Investors mit dem „Allianz Climate Transition“ mit 10,1 Prozent Gewinn im ersten Halbjahr. Hier steht das Thema Klima im Blickpunkt. „Wir suchen weniger die Unternehmen mit schon geringem CO2-Fußabdruck, das ist uns zu statisch“, sagt Manager Christophe Hautin. Der Mann aus Paris geht es anders an: „Wir wollen Firmen, die sich ambitionierte Ziele bei der CO2-Senkung setzen, und das glaubhaft vertreten.“ Ein einfacher Ausschluss von weniger grünen Adressen ist für ihn keine Option: „Wenn wir solche Aktien einfach nicht kaufen, dann können wir auch nichts beeinflussen und im positiven Sinne verändern.“

Als Beispiel für ein passendes Unternehmen nennt Hautin die französische Air Liquide. Der Hersteller von Industriegasen habe sich ehrgeizige Ziele zur CO2-Senkung gesetzt. Außerdem biete er Lösungen für eine grünere Zukunft, etwa durch Wasserstoff-Herstellung oder zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Außerdem gefielen ihm beispielsweise Veolia beim Thema Kreislaufwirtschaft und der niederländische Chemiekonzern DSM mit seinen Lösungen für eine nachhaltigere Landwirtschaft.

Viel Veränderungspotenzial

Einen ähnlichen Ansatz rund ums Klima verfolgt der „LO Funds – Climate Transition“ von Lombard Odier Investment Managers. Christopher Kaminker sucht nach Unternehmen, die Gesellschaft und Wirtschaft unter diesen Einflüssen widerstandsfähiger machen. „Das sind beispielsweise Firmen, die Deiche oder feuerfeste Häuser bauen“, sagt er. Der Nachhaltigkeitsexperte in London mag aber außerdem andere und momentan noch schlecht bewertete Unternehmen. „Die Branchen Stahl und Chemie haben hohe Emissionen, auch der Transportsektor – da kann man mit einer Veränderung wie etwa Elektrifizierung beim Transport viel verbessern“, sagt Kaminker.

Er möchte die entsprechenden Aktien möglichst früh besitzen, „bevor die meisten Investoren darauf aufmerksam geworden sind“. Zu den Toppositionen des Fonds gehören beispielsweise Shimano, der japanische Hersteller von Fahrzubehör, der schweizerische Baustoffproduzent Holcim und mit Carrier Global ein amerikanischer Hersteller von Kältegeräten. Die Strategie von Lombard Odier wird noch nicht lange angeboten. Sie lieferte im ersten Halbjahr 12,4 Prozent Ertrag.

VW auf richtigem Kurs

Henrik Pontzen von Union Investment richtet ausdrücklich den Blick nach vorn. Die Deutsche Post als Dax-Mitglied etwa habe eine schlechte Nachhaltigkeitsbewertung. „Aber die neue Strategie ist hervorragend“, glaubt der Experte. Stichwörter seien CO2-Senkung im Luftverkehr, starke Elektrifizierung des eigenen Verkehrs, bessere Gebäudedämmungen.

Als weiteres Beispiel nennt er das Dax-Mitglied Volkswagen. VW-Aktien seien für die Nachhaltigkeitsfonds bis vor Kurzem nicht investierbar gewesen. „In diesem Jahr sind sie für uns wieder kaufbar, mit den Plänen für die E-Mobilität und Batteriewerke – obwohl die Probleme in der Firmenstruktur bleiben, etwa zu wenige unabhängige Mitglieder im Aufsichtsrat“, sagt Pontzen.

Eine besondere Meinung hat der Fachmann zu den Klimasündern schlechthin, den Ölkonzernen. Er nennt die Beispiele BP und Shell. Sie stünden erst am Beginn der Transformation. „Eine nachhaltige Zukunft werden wir nur erreichen, wenn gerade solche Unternehmen mehr Ernst und Tempo machen. Dann könnten sie auch für uns investierbar werden.“ Der Druck der Eigentümer steigt, wie das Beispiel des US-Konzerns Exxon Mobil zeigt.

Ungeachtet aller unterschiedlichen Ansätze sind sich die Experten einig: Der weltweite Markt für nachhaltige Anlagen wird rasant wachsen. Kamil Kaczmarski von der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman rechnet in fünf Jahren mit einem Anstieg des nach Nachhaltigkeitskriterien verwalteten Kapitals von 2,2 auf 6,5 Billionen Dollar. Genauso wichtig ist für ihn eine andere Verschiebung: „Relativ am stärksten wachsen werden die Ansätze, bei denen die Manager Einfluss nehmen auf die Unternehmen.“

Mehr: Vor allem Privatanleger treiben den Trend zu nachhaltigen Geldanlagen

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