Gesundes Bauen Lehmwände, Holzbau, Stromfreischalter: So schützen Wohnräume Klima und Gesundheit

Die beiden Gebäude im Zentrum der oberfränkischen Stadt wurden in leimfreier Massivholzbauweise errichtet.
Düsseldorf Eigentlich war das Wohnhaus in der Bayreuther Innenstadt als klassischer Bau in Beton und Stein geplant. „Die Baugenehmigung dafür lag uns schon vor – doch dann haben wir umgeplant und auf den Baustoff Holz gewechselt, um ein zukunftsweisendes Gebäude mit den höchsten Ansprüchen an Wohngesundheit und Nachhaltigkeit zu erstellen“, erzählt Torsten Lingott, Geschäftsführer von Vida Holzprojekt GmbH.
Im Sommer wurde das Wohnensemble aus einem drei- und einem fünfgeschossigen Gebäude fertiggestellt, in leimfreier Massivholzbauweise. Lediglich Aufzugsschacht, Tiefgarage und Treppenhaus sind aus statischen und Brandschutzgründen in Stahlbeton ausgeführt.
Dank der weiterentwickelten traditionellen Zimmermannstechnik ist das hölzerne Tragwerk aus massiven Außenwänden sehr langlebig und könnte sogar sortenrein abgebaut und wiederverwendet werden. Zum anderen bleibt der Wand eine ihrer wichtigsten Funktionen erhalten: die Feuchtigkeit im Inneren zu regulieren und so für ein angenehmes und gesundes Raumklima zu sorgen.
Auch der Bauingenieur und Bausachverständige Martin Wirz mahnt Hauskäufer und Wohnungseigentümerinnen, besonderes Augenmerk auf die Luftqualität in ihren Wohn- und Schlafräumen zu legen. „Wir halten uns 80 bis 90 Prozent des Tages in Innenräumen auf“, sagt der Kölner Experte, der auch als Berater bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) akkreditiert ist. „Die Schadstoffbelastung in Innenräumen sollte uns deshalb mindestens so beschäftigen wie die Luftqualität draußen.“
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) nennt in einer Veröffentlichung über ökologische Baustoffwahl unter anderem Flammschutzmittel, Biozide und flüchtige organische Verbindungen (VOC, Volatile Organic Compounds) als Gefahrenquellen.
Welche Gefahrenquellen in Innenräumen lauern
Flammschutzmittel kommen in Dämmstoffen, aber auch in Textilien zum Einsatz. Biozide werden auch im Baubereich zur Bekämpfung von Schädlingen, aber auch gegen Bakterien oder Pilze eingesetzt. Zu den VOC im erweiterten Sinne zählt etwa Formaldehyd, einer der häufigsten Luftschadstoffe, der nicht nur in Spanplatten, Fertigparkett und anderen Holzwerkstoffen vorkommt, sondern als Konservierungsstoff auch in Lacken und Farben.
Dabei können in einem Produkt Chemikalien aus verschiedenen Schadstoffgruppen vorliegen, hält Johanna Wurbs vom Umweltbundesamt (UBA) fest: Eine Farbe etwa könne sowohl problematische Pigmente enthalten als auch Lösemittel, die verdampfen und so zur Belastung der Raumluft mit VOC beitragen. Bei einem Dämmstoff sei es möglich, dass er sowohl mit einem klimaschädigenden Treibmittel geschäumt wurde als auch problematische Flammschutzmittel enthalte.
Unabhängige Kennzeichnungen helfen bei der Auswahl
Eine Entscheidung darüber, ob man ein Produkt beim Bauen oder Modernisieren verwenden wolle, sei daher erst nach einer umfassenden Bewertung möglich, folgert die Expertin. Orientierung könnten dabei etwa Umweltsiegel bieten, deren Kriterien nicht vom Hersteller der Bauprodukte entwickelt und überprüft werden, sondern durch unabhängige Einrichtungen. Dazu zählen:
- der „Blaue Engel“ (www.blauer-engel.de)
- das „Österreichische Umweltzeichen“ (www.umweltzeichen.at)
- die „Umweltblume“ der EU (www.eu-ecolabel.de) oder
- „Nature plus“ (www.natureplus.org)
Informationen zu möglichen Schadstoffen in Baustoffen, aber auch anderen Materialien finden Interessierte zudem auf folgenden Webseiten:
- Wecobis, das ökologische Baustoffinformationssystem des Bundesbauministeriums und der Bayerischen Architektenkammer (www.wecobis.de) bietet ausführliche Informationen zu den Schwerpunktthemen Biozid, SVHC und Formaldehyd.
- Wingisonline, das Gefahrstoff-Informationssystem der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) bietet Informationen über Gefahrstoffe in Bauprodukten und mögliche Alternativen (www.wingisonline.de). Die Suchfunktion ermöglicht die Eingabe konkreter Produktnamen.
Stefan Haas vom BBSR räumt allerdings ein, dass die Planung und Steuerung eines Bauvorhabens mit schadstoffarmen Baustoffen „paradoxerweise gerade aufgrund des umfangreich verfügbaren Wissens immer noch eine große Herausforderung für Bauherren, Planer und ausführende Unternehmen“ darstelle. „Ohne Expertenwissen ist es kaum erfolgreich umsetzbar.“
Bauingenieur und DGNB-Berater Martin Wirz bestätigt den Befund: Bei vielen Architekten und Bauträgern stehe das Thema Wohngesundheit noch nicht auf der Agenda. Anders beim Endkunden: Dort beginne sich das Problembewusstsein hinsichtlich Wohngesundheit zu entwickeln. Es gegenüber dem Verkäufer durchzusetzen sei in der aktuellen Marktsituation allerdings nicht leicht: Aufgrund der hohen Immobiliennachfrage seien Bauträger nicht gezwungen, auf spezielle Kundenwünsche einzugehen.
Wirz rät Haus- und Wohnungskäufern dennoch, gleich zu Beginn der Gespräche mit Architekten und Bauträgern das Thema Wohngesundheit aktiv anzusprechen. „Im Rahmen der Sonderwünsche kann man sich sehr wohl etwa für Boden- und Wandbeläge mit entsprechendem Gütesiegel entscheiden“, sagt der Berater.
Auch ein Upgrade der Elektroinstallation durch geschirmte Stromleitungen oder Netzfreischalter, mit denen sich Elektrosmog reduzieren lasse, hält Wirz gerade in Schlafräumen für sinnvoll und empfehlenswert.
Lehmputz verbessert das Raumklima
Schwieriger umsetzbar ist es für Bauträgerkunden, im Innenausbau Gipskartonplatten durch Elemente in Lehmbauweise zu ersetzen. Denn das noch relativ junge Produkt ist anspruchsvoller in Herstellung und Verarbeitung und daher teurer als die Gipsplatte.
Dabei wäre dies nach Wirz’ Überzeugung aus mehreren Gründen sinnvoll: „Dadurch lässt sich nicht nur die graue Energie beim Hausbau reduzieren – also die Energie, die bei Herstellung, Transport und Lagerung von Produkten anfällt. Auch das Raumklima wird signifikant verbessert.“

Das Wohnhaus erfüllt höchste Ansprüche an Wohngesundheit und Nachhaltigkeit.
Im Holzbauvorhaben an der Bayreuther Ludwigstraße setzt Vida Holzprojekt aus demselben Grund auf den natürlichen Baustoff Lehm. Die Außenwände sind auf der Innenseite mit einem drei Zentimeter starken Lehmputz versehen. Aus zwei Gründen: Zum einen reguliert Lehm Raumluftfeuchte und bindet außerdem Schadstoffe, sogar Formaldehyd oder Nikotin, aber auch Kochgerüche aus der Raumluft, erläutert der promovierte Chemiker Lingott.
Zum zweiten sind die verputzten Wände entscheidender Teil des Heizkonzepts. Statt über Heizkörper die Raumluft zu erwärmen, temperieren unter Putz verlegte Kupferrohre die Wandfläche. Weil der Raum gleichmäßig und flächig erwärmt werde, entstünden weniger Luftverwirbelungen und damit kaum Zugeffekte, erläutert Lingott.
Die Folge: „So wird die Staubbelastung, ein Vorteil vor allem für Allergiker, und die Lufttemperatur gesenkt.“ Ganz nebenbei wird mit Strahlungswärme wesentlich effizienter als klassischerweise über die Raumluft geheizt.
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