Green Tech Klamme Klima-Start-ups: Den Technologien der Zukunft fehlt Kapital

Die Ingenieure des „German engineered Klimaschutz“ klagen über die strenge Risikokultur deutscher Investoren und fordern schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren.
Berlin CO2-Speicherung, synthetisches Kerosin, Ladegeräte für E-Autos – auf den Technologien der Zukunft ruhen viele Hoffnungen der Politik. Den Klimawandel zu bekämpfen bezeichnet das Sondierungspapier von Grünen, FDP und SPD als „eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“. Vor allem die FDP setzt dafür auf Innovationen statt auf Verbote: Parteichef Christian Lindner etwa propagiert den „German engineered Klimaschutz“.
Um das Potenzial der neuen Technologien wirklich auszuschöpfen, bräuchte es aber vor allem viel Geld. Wie viel genau, das hat die Deutsche Energie-Agentur (Dena) ausgerechnet: Bis 2030 müssten mehr als 200 Milliarden Euro an Risikokapital in Klimatechnologien fließen, um die deutschen Klimaziele – die Treibhausgase verglichen mit 1990 um 65 Prozent zu senken – zu erreichen. Jährlich also 22,7 Milliarden Euro für den Aufbau und die Entwicklung von Klimatechnologie-Start-ups.
Aktuell werden davon allerdings weniger als fünf Prozent bereitgestellt. Der „German engineered Klimaschutz“ ist chronisch unterfinanziert. „Das immense Investitionsdefizit zeigt die Herausforderung für die Politik, effektive Anreize und durchdachte Regulierungsrahmen für Dekarbonisierungstechnologien zu setzen“, heißt es im Bericht der Dena.
Die von der Dena berechneten nötigen Investitionen in neue Klimatechnologien sind nur ein Bestandteil der Finanzierung der Klimaziele: Insgesamt sind für die Umsetzung der von der Politik beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen bis 2030 Mehrinvestitionen in Höhe von rund 860 Milliarden Euro nötig - also 100 Milliarden Euro jährlich - wie eine Studie vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Boston Consulting Group (BCG) ermittelte.
Der Bedarf an klimafreundlichen Technologien ist groß, das zeigt auch eine aktuelle repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom, die dem Handelsblatt vorliegt. Die große Mehrheit der befragten Einzelpersonen (86 Prozent) fordert demnach von der Politik ein Förderprogramm zur nachhaltigen Digitalisierung der Wirtschaft. Gleichzeitig vermissen 71 Prozent der Befragten klare politische Strategien, um die Potenziale digitaler Technologien für den Klimaschutz auszuschöpfen.
Dabei hat die Politik die größten Baustellen durchaus erkannt. So will eine mögliche Ampelregierung beispielsweise „den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch beschleunigen“, Solarenergie vorantreiben und auch die Kapazitäten für Windkraft an Land und Offshore steigern. Bereiche, in denen auch die Dena besonders große Investitionschancen erkennt.

Beim Ausbau von erneuerbaren Energien erkennt die Dena besonders große Investitionschancen.
Dazu wollen die Ampelparteien die Investitionssicherheit fördern, um „privates Kapital für Transformationsprojekte zu aktivieren“. Konkretere Pläne, wie der gewaltige Investitionsbedarf gestemmt werden soll, gibt es allerdings noch nicht.
Das Handelsblatt hat bei Start-ups, die mit ihren Geschäftsmodellen zum Erreichen der Klimaziele beitragen, nachgefragt, ob und welche Maßnahmen ihnen tatsächlich fehlen. Das Ergebnis: Die Ingenieure des „German engineered Klimaschutz“ klagen über die strenge Risikokultur deutscher Investoren und fordern schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren.
Torsten Becker ist Geschäftsführer von Carbonauten, die CO2-speichernde Kohlenstoffe aus Biomasse herstellen. Er erzählt, dass die erste industrielle Pilotanlage mit 3,6 Millionen Euro finanziert sei, aber „weiteres Kapital fehlt noch“. Allein für die nächsten vier Standorte würden noch rund 20 Millionen Euro benötigt, „dann können wir aus dem Cashflow die Skalierung ohne externes Kapital selbst finanzieren“.
Risikoscheue Investoren
Becker stört, dass deutsche Investoren nicht gern Risiken eingehen, dadurch würde sein Geschäft länger dauern, sei „improvisierter und stückhafter“. Wenn er ausreichend Kapital hätte, könnte er die Zeit von der Idee zur Umsetzung seiner Anlagen um drei Jahre beschleunigen.
Gerade auf dem Weg von der Idee zur Umsetzung brauchen Klima-Start-ups mehr Starthilfe als andere Neugründungen. Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der Dena, weist auf die Herausforderungen hin, die Klimatechnologie-Start-ups mit der Markteinführung ihrer Produkte haben. „Insbesondere hardwarebasierte Klimainnovationen erfordern hohe Investitionskosten, bereits in der Frühphase, wie etwa für die Errichtung von Demonstrationsanlagen“, betont Kuhlmann.
Dafür sollten Technologien, die sich in der Markteinführung befinden, zielgerichtet gefördert werden. Der Zukunftsfonds, mit dem Start-ups zu mehr Wagniskapital gelangen könnten, solle deshalb umstrukturiert werden. „Dieser sollte zu diesem Zweck auf die Frühfinanzierungsphase ausgeweitet werden“, so Kuhlmann. Ein weiteres sinnvolles Instrument seien sogenannte Matching Grants, bei denen der Staat mit öffentlichen Geldern die privat eingesammelten Investitionen verdoppelt.
Auch Emanuel Heisenberg von Ecoworks, die Gebäude CO2-neutral sanieren, findet, dass es in Deutschland zu wenige Cleantech-Investoren gebe: „Im Fundraising direkt nach der Gründung fehlen hier in Deutschland einfach die Investoren, die mutig genug für Klimainnovationen sind.“ Das Problem bei staatlicher Förderung sieht er darin, dass sie vor allem die Forschung fördere.
Doch nicht nur in der frühen Phase, auch beim Wachstum fehlt das Geld. Das Start-up Ineratec aus Karlsruhe stellt unter anderem etwa in speziellen Anlagen synthetisches Gas und nachhaltiges E-Kerosin für den Luftverkehr her. In einer aktuellen Finanzierungsrunde will das Start-up vor allem Geld für neue Anlagen einholen.
„Bisher auf der Strecke geblieben ist der Aufbau von großen Produktionsanlagen, um den Markthochlauf zu bewältigen“, erklärt Ineratec auf Anfrage. „Dort könnten dann bis zu 10.000 Tonnen CO2 in synthetische Kraftstoffe recycelt werden.“ Um skalieren zu können, würde das Unternehmen 50 bis 100 Millionen Euro benötigen.
Mit ausreichend Kapital könnten die Klimaziele sogar noch ambitionierter formuliert werden – das Ziel, zwei Prozent E-Kerosin bis 2030 etwa. „Wir sind der Überzeugung, dass sich die angestrebten Quoten mit ausreichend Kapital auch schon 2026 realisieren lassen“, heißt es von Ineratec. Außerdem, findet das Start-up, bräuchte es von der Politik erlaubte höhere Beimischquoten für synthetische Kraftstoffe für bereits bestehende Flugzeuge.
Klimainvestoren nähmen keinerlei Einbußen hin
Auch das E-Mobilitäts-Start-up ChargeX spürt, dass zu wenig Geld bei Innovatoren ankommt. Ihr Hauptprodukt ist eine Mehrfachsteckdose für E-Autos, die sie mit einer Pre-Seed-Finanzierung und Crowd-Investment finanzieren. „Leider ist in unserer aktuellen Finanzierungssituation keine Möglichkeit, Innovation um das Produkt herum zu entwickeln“, erklärt Tobias Wagner, CEO und Co-Gründer von ChargeX.
Einerseits finde man in Deutschland nur schwer Investoren für Hardware und IoT (Internet of Things)-Lösungen, andererseits würden Klimainvestoren im Vergleich zu klassischen Investments keinerlei Einbußen hinnehmen, meint Wagner.
Von Politikern wünscht sich der CEO etwa einen einfachen Zugang zu Mitteln von EU-Förderprogrammen für Innovation. „Wenn man 100 Start-ups mit je fünf Millionen Euro schnell und unkompliziert in der späten Frühphase finanziert, ist definitiv mehr erreicht, als etwa einem Automobilkonzern 500 Millionen Euro hinterherzuwerfen, die hinten raus nur an die Shareholder gehen.“ Innovation komme von KMUs, ist der CEO überzeugt.
„Zusätzlich müssen dringend unsere Verwaltungsstrukturen verschlankt werden“, bekräftigt Wagner. „Wegen jeder Kleinigkeit zum Notar, die postalische Kontaktaufnahme durch Behörden, die Liste ist leider sehr lang.“
Insgesamt brauche es eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik der kommenden Regierung, fordert auch Andreas Kuhlmann von der Dena, die Anreize für Investments in klimafreundliche Alternativen setzt, wie etwa über den Emissionshandel und durch Abschaffung von Subventionen für fossile Kraftstoffe.
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