Klimaneutralität Die CO2-Speicherung erlebt eine Renaissance

Lange war die Technik tot. Doch die Fronten zwischen Industrie und Umweltschützern beginnen sich aufzulösen.
Berlin Die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 ist in Deutschland seit Langem kein Thema mehr. Doch nun kommt Bewegung in die Debatte. Der BDI geht dabei in die Offensive und kann diesmal sogar mit der Unterstützung von Umweltschützern rechnen.
Umweltschutzorganisationen hatten die Technologie zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 – im Fachjargon „Carbon Capture Utilisation and Storage“(CCUS) genannt – bislang abgelehnt. Insbesondere die unterirdische Speicherung von CO2 sehen sie kritisch. Sie fürchten Leckagen und eine Gefährdung des Grundwassers.
2012 hatte die damalige schwarz-gelbe Koalition zwar ein Gesetz verabschiedet, das die Speicherung von CO2 regelt. Es ist jedoch so ausgestaltet, dass die Technik de facto keine Anwendung findet. Kritiker hatten damals eingewandt, die Technik solle nur genutzt werden, um Kohlekraftwerken längere Laufzeiten zu ermöglichen.
Doch unter den Vorzeichen der Klimaneutralität kommt das Thema wieder auf die Tagesordnung. „In einigen Industrien entstehen Prozessemissionen, für die noch keine realistischen Alternativen zur CO2-Vermeidung verfügbar sind“, heißt es in einem Diskussionspapier des BDI, das dem Handelsblatt vorliegt. „Für einen klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Industriestandort Deutschland braucht es eine technologieoffene und transparente Debatte über den effektivsten Weg zu Emissionsminderungen.
Technologien zur direkten Vermeidung von Treibhausgasemissionen, wie etwa der Ausbau erneuerbarer Energien oder energieeffizienzsteigernde Maßnahmen, reichen für das Ziel der Klimaneutralität allein nicht aus“, sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI. CCUS verspreche für die Industrie wichtige Potenziale zur Emissionsreduktion.
WWF befürwortet Investitionen in die Technik
Die Umwelt- und Klimaschutzorganisation WWF sieht das ähnlich. Zwar stehe die Vermeidung von Emissionen an erster Stelle. „Wenn das nicht möglich ist, sollte geprüft werden, ob die entstehenden Kohlenstoffprodukte im Sinne einer Kreislaufwirtschaft an anderer Stelle klimafreundlich genutzt werden können, oder man sollte die Abscheidung und Speicherung der Kohlenstoffprodukte erwägen“, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.
Es sei richtig, „schon heute in Forschung und Entwicklung von CO2-Entnahme und Speicherungsmethoden zu investieren und praktische Erfahrungen zu sammeln“.
Ähnlich bewertet das der BDI. Der Verband schlägt vor, die Nutzung und Speicherung von CO2 auf die Erfüllung von CO2-Reduktionspflichten anzurechnen. Außerdem müssten Investitionen in entsprechende Projekte erleichtert werden. Darüber hinaus sei der Aufbau einer grenzüberschreitenden Infrastruktur erforderlich.
Das Thema spielt auch im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Wasserstoff-Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle. Denn die Speicherung von CO2 ist Bestandteil der Herstellung von blauem Wasserstoff. Er wird auf Erdgasbasis durch Dampfreformierung hergestellt, das dabei frei werdende CO2 wird abgeschieden und unterirdisch gespeichert.
Nach Überzeugung des BDI ist blauer Wasserstoff als Brückentechnologie unerlässlich. Auch in dieser Frage geht der WWF mit. Zwar setzt der WWF primär auf grünen Wasserstoff. Allerdings sei die Kapazität der Herstellung in Deutschland und Europa begrenzt. „Solange diese Lücke nicht durch importierten grünen Wasserstoff geschlossen werden kann, sollte die Wasserstoffherkunft nicht die klimafreundliche Transformation der Industrie ausbremsen“, sagte Raddatz.
Mehr: Ohne CO2-Speicherung schaffen wir Klimaneutralität nicht.
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