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Klimawandel Das dreckige Geheimnis des Bitcoins: US-Kohlemeiler bleiben wegen der Kryptowährung am Netz

Jährlich verbraucht das Geschäft mit den Bitcoin so viel Strom wie ganz Argentinien. In den USA werden deshalb immer mehr alte Kohlekraftwerke reaktiviert.
13.10.2021 - 15:11 Uhr 2 Kommentare
Der Energiehunger der Kryptobranche kennt keine Skrupel. Quelle: dpa
Kohlekraftwerk in den USA

Der Energiehunger der Kryptobranche kennt keine Skrupel.

(Foto: dpa)

San Francisco Die Schornsteine rauchen wieder. Das alte Kohlekraftwerk in Montana war schon längst abgeschrieben und die Abrissbirne fast auf dem Weg, als ein völlig unerwarteter Retter zu Hilfe kam: der Bitcoin. Denn die stromhungrigste aller Kryptowährungen ist auf der ständigen Suche nach den billigsten Energiequellen. Strom ist heute alles andere als billig und schon gar nicht, wenn er umweltschonend produziert sein soll.

Während überall auf der Welt mit für Privatverbraucher und Industrie teilweise teuren Mitteln gegen den Klimawandel gekämpft wird, setzten die Bitcoin-Investoren auf alles, was irgendwie Strom erzeugt, um ihre Profite nicht zu gefährden. Also auch auf die dreckigsten aller Stromerzeugungen: Kohle und sogar Kohleabfälle, die in gigantischen Deponien lagern.

Die Hardin Generating Station in Montana „war einfach eine Anlage im Leerlauf“, so der Chef des börsennotierten Bitcoin-Miners Marathon Digital, Fred Thiel. Seine Firma solle der „größte Bitcoin-Miner Nordamerikas mit den günstigsten Energiekosten“ werden.

Bitcoin werden nicht wirklich mit Hacke und Schaufel „geschürft“, sondern quasi mit Computern errechnet. Mussten dafür zunächst superstarke Grafikprozessoren aus Spielecomputern herhalten, konzentrieren sich die Profis heute auf „ASIC“-Chips („Application-specific integrated circuit“).

Sie bewältigen, anders als normale Computer-CPUs oder Grafikkarten, nur ganz wenige Aufgaben. Aber diese mit höchster Genauigkeit und Schnelligkeit.

Der Tesla-Chef entschied sich gegen den Bitcoin als Zahlungsmittel für seine Elektrofahrzeuge. Als Grund nannte er die Abhängigkeit der Branche von fossilen Brennstoffen. Quelle: dpa
Elon Musk

Der Tesla-Chef entschied sich gegen den Bitcoin als Zahlungsmittel für seine Elektrofahrzeuge. Als Grund nannte er die Abhängigkeit der Branche von fossilen Brennstoffen.

(Foto: dpa)

ASIC-Chips, wie die, die jetzt nach Montana gekarrt werden, werden in großer Zahl zusammengeschaltet und erzeugen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Digital-Coins. Was speziell Bitcoin besonders umweltunfreundlich macht, ist die Art und Weise, wie diese Digitalmünzen erzeugt werden.

Die Miner lösen sinnbefreite, aber hochkomplexe Rechenaufgaben, melden die Lösung dann ins Netzwerk und werden im Gegenzug mit neuen Coins belohnt. Je mehr und stärker die Rechner, desto schneller die Lösung, desto mehr Bitcoin und natürlich höherer Stromverbrauch.

Weltweit, so letzte Schätzungen, verbraucht allein Bitcoin-Mining pro Jahr so viel Strom wie ganz Argentinien.

Noch im Mai hatte Marathon bekannt gegeben, 2022 rund 73.000 seiner Asics in eine neu geschaffene Anlage in Texas zu bringen, die mit erneuerbaren Energien arbeiten werde. Damit komme man dem Ziel des klimaneutralen Minings ein gutes Stück näher. Im September hieß es dann, eine erste Tranche von 21.584 Hochleistungsrechnern der Firma Bitmain wurde bereits ins Kohleland Montana geliefert.

Die Digitalwährung wird zur Belastung für das Klima. Quelle: Reuters
Bitcoin

Die Digitalwährung wird zur Belastung für das Klima.

(Foto: Reuters)

Der plötzliche Run der Bitcoin-Miner auf Kohle in den USA hat seinen Ausgang in der chinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang: Als die Kohlelieferungen dort wegen einer überfluteten Mine ausblieben und der Strom versiegte, verschwand über Nacht nicht weniger als ein Drittel der weltweiten Produktionskapazität („Hashrate“) für Bitcoin.

„Es gab vorher nur Schätzungen, aber dieser Zwischenfall hat das Ausmaß bestätigt“, erklärt Alex de Vries, der die Webseite Digiconomist betreibt. Sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Energieverbrauch der Cyberwährung zu verfolgen.

„Das sollte jetzt eigentlich der letzte Nagel im Sarg der Legende sein, Bitcoin sei irgendwie grün“, hieß es auf Digiconomist Mitte April.

Kurz danach zog auch Bitcoin-Fan und Tesla-Gründer Elon Musk sein Versprechen zurück, Bitcoin für den Kauf seiner Elektroautos zuzulassen. Als Grund nannte er ausdrücklich das Problem mit fossilen Brennstoffen. Das ließ den Bitcoin-Kurs um fast 25 Prozent kollabieren und löste einen Online-Shitstorm gegen Tesla bei Kryptospekulanten aus.

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Doch der Schock währte nur kurz. Der Kurs hat sich seitdem wieder erholt. Dann machte die chinesische Regierung ihre Drohungen wahr und warf alle Cyber-Miner aus dem Land. Die Karawane der Digitalnomaden zog weiter in andere Länder mit hochsubventioniertem Strom, wie die Mongolei oder den Iran.

Doch auch hier wollte sie niemand. Gezwungenermaßen kehrten sie zurück in Hochpreis-Stromländer wie die USA.

Hier entdeckte und nutzte die Fossilbranche schnell ihre Chance. Der Ölstaat Wyoming etwa verabschiedete kurz nach dem Grubenunglück in China ein Gesetz, wonach die Nutzung von Gas, das ohnehin an Ölquellen abgefackelt worden wäre, künftig steuerfrei sein wird. Zum Beispiel, wenn damit Kryptowährungen geschürft werden.

Es ist zwar für das Klima egal, wofür Gas verbrannt wird. Aber Ölgesellschaften können jetzt damit zusätzlich verdienen.

Ameren Missouri aus St. Louis geht sogar noch weiter: Der größte Stromerzeuger des Bundesstaates Missouri hat im April damit begonnen, Bitcoin für sich selbst zu erzeugen, anstatt den Strom dafür zu produzieren und an andere zu verkaufen.

Bitcoin-Computer direkt neben dem Kraftwerk

Neben dem kohlebefeuerten Portage-Des-Sioux-Kraftwerk steht jetzt ein Überseecontainer mit einer Flotte von Mining-Computern, die immer dann die Arbeit aufnehmen, wenn der Strombedarf sinkt und die Energie billig ist.

Nach der Logik der Stromversorger ist das als „Projekt“ deklarierte Vorhaben indirekt sogar gut für die Umwelt, berichtet E&E-News. Denn statt das Kraftwerk bei geringer Last herunter- und danach wieder hochzufahren, könne man es nun einfach gleichbleibend durchfeuern lassen. Dadurch würden die Emissionen im Prinzip gesenkt.

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Warren Wood, Vizepräsident des Stromversorgers, vergleicht das mit einem Tempomaten auf der Autobahn, der durch konstante Geschwindigkeiten den Verbrauch senken hilft.

Ameren wollte die Kosten zur Erzeugung der Bitcoins auf die Verbraucher umlegen, weil man damit ja das Netz stabilisiere, hat den Antrag aber wieder zurückgezogen, als Verbraucherschützer Wind davon bekommen hatten.

Laut Ameren verbrauchen die Miner derzeit  nur ein halbes Megawatt und können binnen 60 Sekunden hochgefahren und, wenn benötigt, in 20 Sekunden wieder zurückgefahren werden. Das ist auf jeden Fall effektiver als Kraftwerkskessel aufwendig herunter- oder anzufahren.

Dabei wäre auch ohne eine Kostenerstattung durch die Verbraucher das Gewinnpotenzial für die Eigner der Kraftwerke gigantisch. Als Faustregel gilt derzeit ein Energieverbrauch um 8000 Dollar pro Bitcoin, der momentan rund 50.000 Dollar wert ist. Für den Erzeuger wäre der Gestehungspreis natürlich dramatisch niedriger.

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Eine generelle Frage wird deshalb noch zu klären sein. Was wird mit den potenziell gigantischen Gewinnen? Werden sie an die Eigentümer ausgeschüttet oder werden sie staatlich umgeleitet , etwa um die restlos veraltete Strominfrastruktur der USA zu erneuern?

Umweltschützer werfen den Bitcoin-schürfenden Kraftwerksbetreibern vor, mit dem Generieren der Kryptowährung nur neue Nachfrage nach Energie zu schaffen, statt Amerikas Energieverbrauch zu senken.

Der Einsatz von Kohle, Kernenergie oder Gas und Öl ist nach Ansicht von Andy Knott von der Umweltschutzorganisation Sierra Club besonders schlimm.

Aber Stronghold Digital Mining Inc., ein selbsternannter „umweltschonender“ Krypto-Miner, geht noch einen Schritt weiter: In Pennsylvania haben sie jetzt 105 Millionen Dollar Kapital von Privatinvestoren und Family Offices eingesammelt, um im Scrubgrass-Kraftwerk Kohleschlamm, die toxischen Überbleibsel der Kohleproduktion, zu verbrennen.

Wegen seiner niedrigen Brennwerte will den sonst niemand mehr haben. Schätzungsweise 500 Millionen Tonnen dieser hochgiftigen Abfälle liegen in ungeschützten Deponien im Westen Pennsylvanias und verseuchen Grund- und Trinkwasser, Flüsse und Böden.

Giftige Altlasten verfeuert

Modernste Technologie soll das Verfeuern der Altlasten aus 200 Jahren Kohleproduktion jetzt umweltverträglich machen. Aber wie, das ist noch unklar. Scrubgrass hat mit dem Verfeuern der giftigen Altlasten laut der Umweltbehörde EPA im Jahr 2019 bereits 400.000 Tonnen CO2 ausgestoßen, weit mehr als jedes vergleichbare konventionelle Kohlekraftwerk.

Es geht aber nicht nur um riesige Kraftwerke mit großen Schornsteinen. Der kanadische Miner Link Global hatte heimlich ungenutzte Erdgasvorkommen angezapft und in einem Vorort von Alberta zwei Kryptofarmen nebst kleineren Stromerzeugern betrieben.

Laut CBC News fanden die wütenden Bürger heraus, dass die Bitcoiner weder die Landeigentümer, noch die Gaseigentümer oder die staatlichen Aufsichtsbehörden informiert hatten, also keinerlei Genehmigungen hatte.

Jetzt sehen sie sich Gerichtsverfahren, hohen Strafen und Schadensersatzforderungen gegenüber. Mit dem verfeuerten Gas hätte man auch schätzungsweise 5000 Haushalte versorgen können.

Wie es gehen könnte, zeigt ein anderes kanadisches Unternehmen, das 2023 ein Elektroauto auf den Markt bringen will, welches in Ruhezeiten, an der Ladesäule, in der Garage oder auf dem Parkplatz Kryptocoins schürft. Daymaks „Avvenire Spiritus“ wird dann, sozusagen im Schlaf, seine Anschaffungs- und Unterhaltskosten wieder hereinholen.

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2 Kommentare zu "Klimawandel: Das dreckige Geheimnis des Bitcoins: US-Kohlemeiler bleiben wegen der Kryptowährung am Netz"

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  • Eigentlich ist der Nutzen der Bitcoins total nutzlos. Ich frag mich wie dumm man sein muss um diesen Schwachsinn als Zahlungsmittel der Zukunft anzusehen.

  • Die Blockchain hat viele gute Anwendungsfälle aber gerade beim Bitcoin wird alles wieder ins Absurde getrieben. Zu sehr bestimmt einfach die Rechenpower, wer die meisten Bitcoins schürft. Der Algorithmus hätte nicht nur so ausgelegt würden, das mehr Rechenleistung zwangsläufig zu mehr Bitcoins führen. So sind die Großen wieder die Gewinner auf Kosten der Umwelt also uns allen. Ich denke nicht, dass dies im Sinne des Erfinders war, wer immer es auch gewesen ist.

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