Luftfahrt Flug-Treibstoff: Lufthansa wehrt sich gegen EU-Pläne zum Klimaschutz

Die Luftfahrt ist noch nicht der Pandemie entkommen, da drohen massive Auflagen zum Schutz des Klimas.
Brüssel, Frankfurt Jahrelang wurde sie von Luftfahrtmanagern bekämpft: die im Januar 2011 eingeführte Ticketsteuer oder Luftverkehrsabgabe. Jetzt, zehn Jahre später, entdeckt die Branche plötzlich die Vorteile der Abgabe. „Wir haben immer gesagt, dass wir die Ticketsteuer nicht mögen“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr vor einigen Tagen bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen der Airline-Gruppe: „Aber sie generiert die gleichen Lasten für jeden Passagier. Wir mögen keine Steuern, aber das Instrument ist das einzige, das für ein gerechtes Wettbewerbsumfeld sorgen würde.“
Der Gesinnungswandel hat einen triftigen Grund: die neuen Pläne der EU zur Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990, formuliert in dem Paket „Fit for 55“. Die Luftfahrt soll einen erheblichen Beitrag leisten – mit Maßnahmen, die manchem Airlinemanager Schweißperlen auf die Stirn treiben. Geplant sind die Einführung einer Kerosinsteuer, die Verschärfung des Emissionsrechtehandels und die Pflicht, synthetisches Kerosin (SAF) beizumischen.
Für die von Corona gebeutelte Branche mit ihren teilweise angeschlagenen Bilanzen ist das schwere Kost, zumal die europäischen Airlines massive Wettbewerbsverzerrungen fürchten. Und auf die Passagiere kommen höhere Ticketkosten zu.
Beispielhaft machte Lufthansa-Chef Spohr bei der jüngsten Zahlenpräsentation diese Rechnung auf: Sollten ab 2033 alle Ideen der EU-Kommission realisiert sein, würde ein Passagier, der von Madrid nach Tokio reist, bei einem Flug über Frankfurt 58 Euro mehr berappen müssen.
Fliegt er über das Drehkreuz Istanbul, seien es nur acht Euro mehr. Denn Konkurrenten wie Turkish Airlines müssten diese Lasten nicht tragen. Lufthansa will deshalb lieber eine Ticketsteuer, die auf jeden in Europa verkauften Flug erhoben wird.
EU-Kommission will Pflichtquote für synthetisches Kerosin
Die EU-Kommission setzt auf andere Instrumente: Ein Vorschlag setzt auf eine verpflichtende Quote für synthetisch hergestelltes Kerosin. Jedes Flugzeug, das auf dem Boden der EU betankt wird, soll entsprechend der Flugstrecke fünf Prozent SAF-Treibstoff beimischen. Dazu soll an den größeren Flughäfen die erforderliche Infrastruktur errichtet werden.
Für große Netzwerk-Airlines wie Lufthansa ist das ein Problem. Zwar hat sich Konzernchef Spohr immer für den Einsatz des synthetischen Treibstoffs eingesetzt. Lufthansa beteiligt sich auch an Projekten, die daran arbeiten, SAF im industriellen Maßstab und in der erforderlichen Menge zu produzieren.
Doch eine Quote werde den Wettbewerb gegenüber Anbietern aus dem Persischen Golf oder der Türkei verzerren, fürchtet der oberste Lufthanseat. Denn SAF ist bisher deutlich teurer als herkömmliches Kerosin und zudem kaum verfügbar. Die Rivalen würden ihre Langstrecken aus Deutschland zum Beispiel über Dubai, Doha oder Istanbul lenken, so Lufthansa. Dabei müssten sie die SAF-Quote anders als Lufthansa nur für den Zubringerflug zum eigenen Drehkreuz erfüllen, nicht aber für die deutlich längeren Flüge zu den eigentlichen Zielen in Fernost.
Auch beim zweiten Hebel der EU-Kommission fürchten Lufthansa und andere europäische Netzwerk-Airlines eine Verzerrung des Wettbewerbs: der geplanten Verschärfung des sogenannten Emissionsrechtehandels (ETS). Die Luftfahrt nimmt als einziger Verkehrsträger schon einige Jahre an dem System teil.
Bisher bekommen europäische Fluggesellschaften dabei eine gewisse Menge an Verschmutzungsrechten kostenlos zugeteilt, den Rest müssen sie zukaufen. Im Vorkrisenjahr 2019 musste Lufthansa gut 60 Prozent der benötigten Zertifikate erwerben und gab dafür in der Gruppe 110 Millionen Euro aus.
Nach den Plänen der EU soll die Zahl der Zertifikate künftig verknappt werden, Lufthansa erwartet deshalb deutlich steigende Preise für die Verschmutzungsrechte. Und fürchtet eine Verlagerung der Verkehre an Drehkreuze, die nicht dem ETS-System unterliegen.
Hier setzt Lufthansa-Chef Spohr mit seiner Idee einer Art Gebühr nach dem Muster der deutschen Ticketsteuer an. Diese wird pro Passagier und gestaffelt nach Flugstrecke erhoben, egal mit welcher Fluggesellschaft der Gast fliegt. Ein ähnliches Modell kann sich Lufthansa für die EU vorstellen, als wettbewerbsneutralen Finanzierungsmechanismus etwa für die Produktion und die Bereitstellung von künstlich hergestelltem Kerosin.
In Brüssel hält man wenig von einer Ticketsteuer
Noch stünden die Überlegungen im Konzern am Anfang, heißt es bei Lufthansa. Man sei noch dabei, das gesamte Paket der EU zu analysieren. Klar ist aber schon jetzt: Lufthansa wird noch einiges an Überzeugungsarbeit für den eigenen Vorstoß leisten müssen.
Die Kommission habe bereits geprüft, ob eine solche Ticketsteuer infrage komme, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde dem Handelsblatt. „Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine Kraftstoffsteuer ein besserer Anreiz ist, die Energieeffizienz zu steigern und die Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe zu fördern.“
Aus diesem Grund habe die Kommission bei der Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie vorgeschlagen, Steuerbefreiungen zu streichen, die nicht zu einer kohlenstoffarmen, energieeffizienten Art des Wirtschaftens beitragen – also auch die für Kerosin. „Mit der Überarbeitung würden Kraftstoffe besteuert, die bei Flügen innerhalb der EU genutzt werden, was zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Verkehrsträger beitragen würde“, so der Kommissionssprecher weiter. Denn erklärtes Ziel der EU ist auch, dass die Europäer seltener ins Flugzeug und dafür wieder häufiger in den Zug steigen.
Doch gerade die geplante Kerosinsteuer ist für die europäischen Airlines wie Lufthansa ein Schreckgespenst. Bislang ist das Flugbenzin weltweit von der Steuer befreit, im Gegenzug finanziert die Branche anders als etwa der Autoverkehr ihre Infrastruktur über Gebühren für Flughäfen oder die Flugsicherung. Käme nun nur in Europa eine solche Steuer, würde auch das den Wettbewerb verzerren – auch gegenüber den großen Fluggesellschaften aus den USA.

Der Pilot und CEO prescht mit einer eigenen Idee vor, wie die Luftfahrt wettbewerbsneutral nachhaltiger werden könnte.
So klammern sich viele Airlinemanager in Europa an die Hoffnung, dass die EU zumindest an dieser Stelle mit ihrem Plan scheitern wird. Denn auch innerhalb der EU-Länder ist die Kerosinsteuer umstritten. Es ist offen, ob dem Vorschlag alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen werden.
Andererseits ist der Druck groß, die steuerliche Ausnahme für Kerosin zu kippen. „Wir können die Emissionen des Fliegens nicht reduzieren, solange die Fluggesellschaften fossile Brennstoffe steuerfrei kaufen können“, sagt der Luftverkehrsexperte der Klima-NGO Transport & Environment, Andrew Murphy. Auch er lehnt die Idee einer Art EU-Gebühr ab: „Die Lufthansa hat sich außerdem bereits für eine ehrgeizige Klimapolitik einschließlich eines Ziels von Netto-null-Emissionen ausgesprochen und sollte den Vorschlag der EU-Kommission daher begrüßen und nicht ablehnen.“
Jan-Christoph Oetjen, der für die FDP im Verkehrsausschuss des Europaparlaments sitzt, sieht zudem große Probleme, für eine Gebühr, wie sie Lufthansa vorschwebt, auf EU-Ebene eine Mehrheit zu finden. Gleichzeitig sieht er aber auch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen: „Wir Freie Demokraten würden eine Regelung unterstützen, welche die Wettbewerbsfähigkeit europäischer und nichteuropäischer Airlines gewährleistet“, sagt er: „Und wenn es einheitliche europäische Lösungen gibt, sollte die Bundesregierung ernsthaft überlegen, die Ticketsteuer komplett auf Eis zu legen.“
Mehr: Mit Strom gen Himmel: So weit ist die Entwicklung von Elektroflugzeugen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.