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Pharmabranche Deutsche Biotech-Firma Evotec besiegelt Milliarden-Deal für „Protein-Zerstörer“

Die neue Wirkstoffklasse wird zu einem der heißesten Forschungsfelder der Pharmabranche. Evotec könnte die erweiterte Allianz bis zu fünf Milliarden Dollar einbringen.
11.05.2022 Update: 11.05.2022 - 11:30 Uhr Kommentieren
Das Hamburger Unternehmen spielt inzwischen als Forschungspartner von großen Pharmafirmen eine wichtige Rolle. Quelle: Bloomberg
Evotec-Labor

Das Hamburger Unternehmen spielt inzwischen als Forschungspartner von großen Pharmafirmen eine wichtige Rolle.

(Foto: Bloomberg)

Frankfurt Mit einem neuen Milliardendeal erweitert das deutsche Biotech-Unternehmen Evotec seine bestehende Allianz mit dem US-Pharmariesen Bristol-Myers Squibb (BMS) auf dem Gebiet der „Protein-Zerstörer“. Dabei handelt es sich um eine neue Klasse von Pharmawirkstoffen, die womöglich in vielfältiger Weise eingesetzt werden können und in die Pharmakonzerne derzeit sehr stark investieren.

Evotec erhält im Rahmen der Allianz eine Abschlagszahlung in Höhe von 200 Millionen Dollar und erwartet nach eigenen Angaben in naher Zukunft weitere erfolgsabhängige sowie auch programmbasierte Erfolgszahlungen. Diese können sich zu einem möglichen Gesamtvolumen von fünf Milliarden Dollar addieren. Darüber hat das Hamburger Biotech-Unternehmen Anspruch auf Umsatzbeteiligungen, wenn aus der Allianz zugelassene und vermarktete Produkte hervorgehen.

Gemessen am potenziellen Gesamtvolumen handelt es sich um die größte Forschungsallianz, die Evotec bisher vereinbaren konnte, und auch um einen der größten Deals dieser Art weltweit. In Reaktion legte die Aktie am Dienstagabend um 15 Prozent zu, gab diese Gewinne am Mittwochmorgen aber wieder ab.

Die Partnerschaft untermauert zum einen die starke Rolle, die Evotec inzwischen als Forschungs-Dienstleister und -Partner von großen Pharmafirmen spielt. Zu den Kunden und Partnern des Unternehmens zählen neben BMS auch Pharmakonzerne wie Bayer, Sanofi, Takeda, Eli Lilly, Merck und Boehringer Ingelheim.

Mit 618 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr und einem Börsenwert von 4,3 Milliarden Euro ist Evotec derzeit Nummer drei der deutschen Biotech-Branche hinter Biontech und Qiagen. Im ersten Quartal steigerte das Unternehmen den Umsatz um ein Viertel auf 165 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr erwartet das Evotec unverändert Erlöse von 700 bis 720 Millionen Euro und ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 105 bis 120 Millionen Euro.

Der neue Deal von Evotec mit BMS unterstreicht zum anderen die generell wachsende Begeisterung von Pharmafirmen für das Konzept der sogenannten Protein-Degration. Dabei geht es darum, die zelleigenen Systeme zum Abbau überflüssiger Moleküle gezielt für Pharmatherapien zu nutzen. Dazu werden krankheitsrelevante, schädliche Proteine mit speziellen Molekülen für das Entsorgungssystem der Zellen markiert.

Hoffnungen vor allem in der Krebstherapie

Während viele herkömmliche Arzneimoleküle, insbesondere auch die vielfach eingesetzten Antikörper, darauf zielen, schädliche Proteine in ihrer Funktion zu blockieren, sollen die Protein-Degrader dafür sorgen, dass diese komplett beseitigt werden.

Vor allem in der Krebstherapie, wo es vielfach darum geht, molekulare Wachstumsfaktoren auszuschalten, könnte das von Vorteil sein. Protein-Degrader könnten hier eine länger anhaltende und gründlichere Wirkung entfalten, indem sie den kompletten Abbau der unerwünschten Signalmoleküle auslösen.

>> Lesen Sie auch: Neue Mittel gegen Herzschwäche, Krebs, Schizophrenie: So will Boehringer die nächste Wachstumsphase starten

Zudem sehen Forscher die Möglichkeit, mit der neuen Wirkstoffklasse Zielmoleküle anzugreifen, die bisher als „undruggable“ gelten, also aufgrund ihrer Struktur völlig unzugänglich für klassische Arzneiwirkstoffe waren.

Ein weiterer Vorteil des Ansatzes besteht darin, dass es sich um vergleichsweise kleine, chemisch synthetisierbare Wirkstoffe handelt. Sie sind in der Herstellung deutlich kostengünstiger als etwa Antikörper oder Zelltherapien.

Bisher sind zwar noch keine Protein-Degrader auf dem Markt zugelassen, aber die ersten Vertreter dieser Wirkstoffklasse befinden sich inzwischen in fortgeschrittenen klinischen Tests, darunter zum Beispiel auch mehrere Krebsmittelkandidaten von BMS.

Große Pharmafirmen setzen auf neues Konzept

Das Konzept hat sich angesichts der klinischen Fortschritte und des breiten therapeutischen Potenzials inzwischen zu einem der heißesten Forschungsfelder der Pharmabranche entwickelt. Allein in den vergangenen Monaten gab es neben der BMS/Evotec-Allianz bereits vier weitere Kooperationsvereinbarungen zwischen Big-Pharma-Konzernen und Biotech-Firmen auf dem Gebiet mit einem potenziellen Volumen von jeweils mehr als einer Milliarde Dollar.

Vor wenigen Tagen zum Beispiel vereinbarte der Darmstädter Merck-Konzern eine Allianz mit der britischen Biotech-Firma Amphista, bei der neue proteinabbauende Therapeutika im Bereich Krebs und Immunologie erforscht werden sollen. Die potenziellen Gesamtzahlungen für drei Programme wurden dabei mit rund einer Milliarde Dollar angegeben. Einen weiteren Deal in ähnlichem Volumen konnte Amphista zudem ebenfalls mit BMS abschließen.

Der US-Konzern Amgen engagierte sich Anfang des Jahres über Deals mit den US-Firmen Arrakis und Plexium auf dem Gebiet und will in diese Allianzen im Erfolgsfall mehr als 1,5 Milliarden Dollar investieren. Novartis verbündete sich vor wenigen Monaten in einem gut 1,3 Milliarden Dollar schweren Deal mit der britischen Dunad Therapeutics, um ebenfalls mehrere Wirkstoffe auf Basis von Protein-Degradern zu entwickeln.

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Bayer hat 2021 die US-Biotech-Firma Vividion erworben, die ebenfalls stark auf dem Gebiet engagiert ist. Pfizer, Sanofi und Abbvie hatten sich schon in den vergangenen beiden Jahren mit entsprechenden Allianzen in der Protein-Degrader-Forschung engagiert.

BMS und Evotec arbeiten bereits seit 2018 in dem Bereich zusammen. Die Kooperation habe sich als äußerst produktiv erwiesen und eine vielversprechende Pipeline für „Molecular Glue Degraders“ hervorgebracht, teilten die Unternehmen mit. Aufgrund dieses Erfolgs verlängere man die Partnerschaft um weitere acht Jahre.

Bei den „Molecular Glue Degraders“ handelt es sich nach Beschreibung der Unternehmen um kleine, wirkstoffähnliche Verbindungen, die dazu führen, dass das Protein Ubiquitin an das jeweilige Zielmolekül angeheftet wird. Das wiederum löst den anschließenden Abbau des betreffenden Proteins aus, was nach Einschätzung von BMS zu einer lang anhaltenden therapeutischen Wirkung führt. Der US-Konzern betrachtet sich als führend auf dem Gebiet.

Evotec-Forschungschef Cord Dohrmann zählt die Protein-Degrader zu den spannendsten Innovationen in der Pharmabranche, „da sie hochselektiv und wirksam zum Abbau hochwertiger therapeutischer Zielstrukturen entwickelt werden können und damit sogar molekulare Zielstrukturen erreichen, die mit anderen Mitteln als nicht erreichbar gelten“.

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