PPA-Boom Wettrennen um grünen Strom: So wollen sich Konzerne vor steigenden Preisen retten

Unternehmen sichern sich eigenen Grünstrom.
Düsseldorf Die Industrie braucht für die Energiewende immer mehr Strom – besonders grünen. Doch die Strompreise steigen rasant und haben in diesen Tagen zum ersten Mal seit zwölf Jahren die Marke von 70 Euro je Megawattstunde überstiegen – vor allem Ökostrom dürfte in den nächsten Jahren ein knappes Gut werden.
Deswegen sichern sich Unternehmen schon jetzt ihren eigenen Zugang zu Wind- und Solarenergie. Der nächste Mega-Deal könnte nach Informationen des Handelsblatts bald folgen: Der Energiekonzern EnBW berichtet auf Anfrage, dass er für die geplanten Mega-Solarparks im Osten Deutschlands, die größten der Republik, ebenfalls schon mit zahlreichen Interessenten im Gespräch sei. Für das 180-Megawatt-Projekt im Solarpark Weesow in Brandenburg läuft das Ausschreibungsverfahren bereits.
Erst vor wenigen Tagen verkündete der Chemiekonzern BASF einen Mega-Deal mit Energieversorger Vattenfall. Auch der Autobauer Volkswagen und der Werkstoffhersteller Covestro haben sich über spezielle Verträge mit Solar- und Windparkbetreibern einen Teil ihres Grünstrombedarfs gesichert.
„Das Interesse der Unternehmen an direkten Grünstromverträgen ist groß“, sagt Lars Meckenstock, Experte beim Energiekonzern RWE. Dabei waren sie bei deutschen Unternehmen lange eine Seltenheit. Mit der boomenden Erneuerbaren-Nachfrage und den steigenden Preisen werden sogenannte PPA-Verträge (Power Purchase Agreement) jedoch zum neuen Trend unter Industriekonzernen.
„Wir beobachten derzeit einen rasanten Hochlauf im PPA-Markt, und das nicht nur in Deutschland“, sagt auch Peter Heydecker, Handelschef beim Energiekonzern EnBW. Er geht davon aus, dass sich PPAs zu „einem zentralen Instrument der Energiewende“ entwickeln werden.
PPA-Verträge halten die Preise stabil
In den USA und Kanada hingegen gehören die Abkommen schon länger zum Alltag. Spitzenreiter sind die Silicon-Valley-Riesen wie Google, Microsoft, Facebook und Apple. Allein im vergangenen Jahr wurden laut Bloomberg New Energy Finance weltweit PPAs mit einem Volumen von mehr als 23 Gigawatt abgeschlossen, die meisten davon in Nord- oder Südamerika und Asien.
Aber Europa holt auf: „Deutschland ist in Sachen PPA-Markt auf jeden Fall ein Nachzügler. In den letzten zwei Jahren hat das Geschäft damit auch hier deutlich angezogen“, sagt PPA-Experte Meckenstock.
Die Verträge sichern den Unternehmen nicht nur den eigenen Ökostrom. Sie dienen auch als langfristige Absicherung – gegen die steigenden Strompreise. „Mit einem Grünstromvertrag können Unternehmen beides erreichen: Nachhaltigkeit und langfristig ihre Stromkosten stabil halten“, so Meckenstock.
Durch die verschärften Klimaziele der Bundesregierung steht vor allem die Industrie noch mehr unter Druck, sich eigene Quellen für Strom aus erneuerbaren Energien aufzubauen. „Wir beobachten aktuell, dass Unternehmen ihre Klimaschutzambitionen im Zuge der Pandemie massiv verstärken. Das Ergebnis ist eine deutlich höhere Nachfrage nach PPAs“, sagt auch EnBW-Handelschef Heydecker. Treiber dürfte für die Unternehmen aber nicht nur der Nachhaltigkeitsgedanke sein.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie geht davon aus, dass der Strombedarf der Wirtschaft in den nächsten Jahren stark ansteigen wird. „Trotz Effizienzgewinnen braucht Deutschland aufgrund der Elektrifizierung von industriellen Prozessen, der Mobilität und des Wärmesektors künftig mehr Strom“, heißt es auf Anfrage. Allein die Chemieindustrie rechne im Jahr 2050 mit einem Strombedarf, der höher ist als der aktuelle Gesamtstromverbrauch des ganzen Landes.
Laut Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) wird der Stromverbrauch in Deutschland schon bis 2030 auf 685 Terawattstunden (TWh) steigen – von knapp 580 TWh im Jahr 2019. 2020 war der Stromverbrauch zwar um rund 30 TWh niedriger, das lag aber an der Corona-Pandemie. Bei dem aktuellen Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien droht mit dem steigenden Energiebedarf allerdings eine massive Ökostromlücke.
Nach den EWI-Experten wird Deutschland wegen des kräftigen Anstiegs des Stromverbrauchs im Jahr 2030 allerdings nur 55 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken – und damit das selbst gesteckte Ziel von 65 Prozent kräftig verfehlen. Die Lücke entspricht der Leistung fast aller heute in Deutschland installierten Windräder. „Es ist durchaus realistisch, dass es ein Rennen um grünen Strom geben kann“, sagt PPA-Experte Meckenstock.
Das befürchten auch die Unternehmen. „Wir erreichen unser Klimaziel nur mit ausreichend grünem Strom“, hatte BASF-Chef Martin Brudermüller kürzlich betont. Diese Aufgabe sei nur durch eine neuartige und intensive Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie zu meistern. Die muss sich in den Augen des Konzernchefs jedoch noch deutlich verbessern.
Ausbau der Windenergie stockt dramatisch
Denn die steigende Stromnachfrage deckt sich nicht mit den geplanten Ausbauzielen der Bundesregierung. „Wenn man die Klimaziele und den aktuellen Ausbau erneuerbarer Anlagen nebeneinanderlegt, wird es schon eng. Die Nachfrage ist teilweise größer als das Angebot. Das Thema grüner Wasserstoff verschärft dieses Problem noch und treibt die Nachfrage nach grünem Strom weiter nach oben“, erklärt Meckenstock. Der Ausbau erneuerbarer Energien läuft schon seit Jahren deutlich langsamer als geplant.
Der Zubau der Windenergie stockt dramatisch und kommt auch nach den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 nicht so recht voran. Etwas besser sieht es beim Zubau neuer Solaranlagen aus. Das geht aus den Zahlen des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur hervor. Insgesamt wurden von Januar bis Mai 195 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 764 Megawatt (MW) zugebaut. Im Solarsektor hingegen wurden im gleichen Zeitraum Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 2335 MW neu in Betrieb genommen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Plus von 13 Prozent.
Obwohl die Bundesregierung mit dem neuen Klimagesetz Ende Juni die Ziele nachgeschärft hat, kommt vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) scharfe Kritik: „Bis 2030 müssen schätzungsweise 100 Gigawatt Windenergie an Land (2020: 54 Gigawatt), mindestens 150 Gigawatt Photovoltaik (2020: 53 Gigawatt) und 11 Gigawatt für Biomasse installiert sein“, heißt es vom BDEW. Die neue Bundesregierung dürfe keine Zeit verlieren, die richtigen Weichen zu stellen.
„Die Politik muss dafür sorgen, dass Industrieunternehmen ausreichend Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung haben“, moniert auch der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Eine verlässliche, bezahlbare und wettbewerbsfähige Stromversorgung sei ein entscheidendes Kriterium für ein klimaneutrales Industrieland. Aktuell sind die Strompreise allerdings alles andere als bezahlbar.
Am Terminmarkt der Energiebörse EEX kostet eine Megawattstunde (MWh) Strom, die im kommenden Jahr geliefert werden soll, knapp 71 Euro und ist damit so teuer wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Im März 2020, zu Beginn der Pandemie, kostete eine MWh noch 35 Euro. Getrieben wird die Entwicklung vom ebenfalls steilen Anstieg des CO2-Preises. Eine Trendwende dürfte es also mit Blick auf die angekündigte Erhöhung des CO2-Preises erst mal nicht geben. Gleichzeitig sind die Strompreisrekorde der größte Treiber für den derzeitigen Grünstrom-PPA-Boom, weil damit die Stromkosten langfristig stabil bleiben.
Das hat als einer der Ersten der Chemiekonzern Covestro bereits vor anderthalb Jahren erkannt. Ende 2019 schloss das Leverkusener Unternehmen einen PPA-Vertrag mit dem dänischen Energiekonzern Orsted über 100 MW Offshore-Windenergie aus der Nordsee ab. In Deutschland war das der bis dahin bedeutendste Direktstromvertrag eines großen Unternehmens. Denn „der Markt für Direktstromverträge steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen“, sagt BDI-Vize Lösch.
Subventionsfreie Ökostromparks
Lange haben sich die Direktverträge zwischen Energieerzeuger und Industrie nicht gelohnt. Schließlich gab es mit der Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stets eine rentable Vergütung für jede Kilowattstunde und damit auch eine unumstößliche Investitionssicherheit. In den vergangenen Jahren ist die EEG-Umlage aber stetig gesunken und wird für größere Wind- und Solarparks mittlerweile sogar über freie Ausschreibungen ausgelost, in denen nur noch derjenige mit dem niedrigsten Gebot den Zuschlag bekommt. Gleichzeitig sind die Kosten für den Bau von Wind- und Solarparks massiv gesunken, sodass sie sich heute schon oft ohne staatliche Förderung rentieren.
Bisher wurden durch PPAs in Deutschland fast nur alte Windparks nach dem Förder-Aus nach 20 Jahren EEG-Subventionen vor dem endgültigen Abschalten bewahrt. Mit BASF, Covestro und Volkswagen sind nun schon drei große Konzerne in den Gigawattbereich bei neu geplanten Projekten vorgedrungen. Bereits Ende April hatte der Autohersteller Volkswagen eine ähnliche Kooperation verkündet wie BASF. Bis zum Jahr 2025 will der Wolfsburger Konzern insgesamt 40 Millionen Euro in den Bau neuer Solar- und Windparks in Europa investieren.
In der Zeit von 2021 bis 2025 sollen alle von VW geförderten Projekte pro Jahr insgesamt etwa sieben Terawattstunden an grünem Strom erzeugen. Das entspricht der Kapazität von gut 300 neuen Windrädern. Das Besondere: Sowohl Volkswagen als auch BASF und Covestro wollen bei dem Bau der Anlagen auf Subventionen aus der Politik verzichten. Für die Windparkbetreiber bieten die Industriekunden dafür die nötige Sicherheit. Sie versprechen, den Strom abzunehmen, und sichern so die Finanzierung im Voraus und sorgen dafür, dass der Park auch gebaut wird. Die Industrie könnte also durch ihre neu gefundene Begeisterung für PPAs die Ökostromlücke zumindest teilweise selbst verkleinern.
RWE-Experte Meckenstock warnt trotzdem vor unnötiger Euphorie: „PPAs sind nicht in allen Situationen der Schlüssel zum Erfolg. Deutschland braucht mehr Flächen, schnellere Genehmigungsverfahren und ein anderes Ausschreibungsmodell im Bereich Offshore, zum Beispiel Differenzverträge, wie sie auch Großbritannien im Offshore-Bereich nutzt, damit es seine Ausbauziele erreichen kann“, so der Manager.
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Es gibt Hoffnung, die innovativste Neutrinovoltaic wird die Photovoltaic Ergänzen und Ablösen. Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hatte bereits im Januar 2021 in einer von Daimler Benz beauftragten Studie die Effizienz der Technologie und die im Patent deklarierten Eigenschaften der "Neutrino-Voltaik" bestätigt. Informationen zur Neutrino Technologie werden seit 5 Jahren nur zögerlich verbreitet, dabei bietet die Neutrinovoltaic sensationelle Vorteile in der Energienutzung. Der einstige BundesVerkehrsminister a.D., Prof. KRAUSE veröffentlichte dazu kürzlich: "Das ewige Licht - Der Beginn eines neuen Zeitalters" Er begründet eindringlich, die günstigste und sauberste Variante der Energienutzung basiert auf Neutrino Technologie. Eine mobile und dezentrale Energienutzung über die Neutrinovoltaic kann jetzt möglich werden, denn sie wird die Photovoltaik ergänzen und ablösen, denn sie kann auch in vollkommener Dunkelheit Energie wandeln. Die Patente der Berliner Neutrino Energy Group sind bereit. Die Einführung der Neutrinovoltaik zur Gewinnung von elektrischem Strom unter dem Einfluss verschiedener elektromagnetischer Strahlung, einschließlich hochenergetischer kosmischer Neutrinos basiert auf neueste Forschungsergebnisse. Die auf Neutrinovoltaik-Technologie basierenden DC-Neutrinoquellen sind sehr kompakt und wetterunabhängig, erzeugen in einem Grundmodus 24h x 365 Tage Strom und können in Gerätegehäuse oder sogar in Elektroautos eingebaut werden. Mobile, dezentrale Haushaltsenergie und unendliche Reichweite für die Elektromobilität - GENIAL. Die Herstellung und Lieferung von grünem Wasserstoff wird eine zu teure Sache, die unseren Strompreis weiter in die Höhe treibt. Und Wind- oder Solarenergie sind nicht Grundlastfähig. Wir müssen jetzt den Schritt wagen für eine Abnabelung von den Grosskraftwerke, Steckdosen und Kabeln - Step by Step.
Solange der PV-und Windstrom nur einen kleineren Anteil des benötigten Fimenstromes darstellt funktioniert das System. Wenn es aber keine Kohle- und Kernkraftwerke mehr gibt, und es 80-100% EE-Strom sein soll: Was ist in den Nächten, Dunkelflauten etc.? Woher kommt dann der Strom, und vor allem zu welchem Preis? Aus den nicht gebauten nachhaltigen H2-Gas-KW?
Oder aus den Erdgas-KW im klimaneutralen D mit 60% des Steinkohle-CO2- Ausstoßes?