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Treffen der Finanzminister Klimaziele der EU setzen Stabilitätspakt unter Druck

Die EU-Finanzminister beraten darüber, Klimainvestitionen von den Schuldengrenzen auszunehmen. Kanzlerkandidat Scholz kommt dies vor den Wahlen ungelegen.
10.09.2021 - 04:10 Uhr 2 Kommentare
Macht die EU das Schuldenmachen durch ihre Klimapolitik hoffähig? Quelle: dpa
Windpark in Mecklenburg-Vorpommern

Macht die EU das Schuldenmachen durch ihre Klimapolitik hoffähig?

(Foto: dpa)

Brüssel, Berlin Am Freitag und Samstag legt Olaf Scholz eine Wahlkampfpause ein. Der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat reist nach Slowenien, ein Treffen mit seinen europäischen Kollegen steht an – und eine heikle Diskussion zur Zukunft der EU-Schuldenregeln.

Zwar dürften sich seine Amtskollegen davor scheuen, kurz vor den Bundestagswahlen eine öffentliche Kontroverse anzustoßen; sie wissen um die Befindlichkeiten der Deutschen. Doch hinter verschlossenen Türen wird die Schuldenfrage sehr wohl thematisiert.

Am Samstag will die slowenische Ratspräsidentschaft ein Papier der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zur Diskussion stellen. Die Experten schlagen darin eine Ausnahmeklausel für grüne Investitionen vor: Alles, was der klimafreundlichen Transformation der Wirtschaft dient, soll von den Schuldengrenzen ausgenommen werden.

Einen „grünen Fiskalpakt“ nennen die Autoren ihr Konzept. „Wir sprechen uns nicht dafür aus, die Regeln des Stabilitätspakts generell zu lockern“, erläutert Brügel-Direktor Guntram Wolff. „Die Tragfähigkeit der Schulden bleibt weiterhin zentral.“ Es gehe darum, eine spezifische Frage zu beantworten: „Wie kann es uns gelingen, die Haushalte zu konsolidieren und andererseits Investitionen zu erhöhen?“

Vor allem in Südeuropa wird der Vorschlag auf Wohlwollen treffen. Viele Länder wollen die starren Grenzen des Stabilitätspakts in ihrer jetzigen Form nicht wieder in Kraft setzen. In Deutschland aber erfreuen sich die Vorgaben hoher Beliebtheit, sie gelten als Garant dafür, dass andere Länder es sich nicht auf Kosten Deutschlands gut gehen lassen.

Scholz wird sich deshalb bei dem Treffen zu einer möglichen Reform der Maastricht-Regeln bedeckt halten. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl kann er eine solche Diskussion nicht gebrauchen. Es gebe in der Sache „nichts Neues“, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Es gilt weiterhin, was Scholz auch schon in den vergangenen Monaten gesagt hat: Die Regeln hätten sich in der Krise bewährt, und sie hätten bewiesen, dass sie flexibel seien.
Die Aussage ist geschickt, suggeriert sie doch, dass Scholz eigentlich keine Reform wünscht.

Gleichzeitig werden aber Änderungen auch nicht ausgeschlossen. Der SPD-Kandidat muss die Sorgen vieler Wähler genauso berücksichtigen wie die Ansichten seiner Partei, die sich weitergehende Schritte vorstellen kann. „Wir werden den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu einem Nachhaltigkeitspakt weiterentwickeln“, heißt es im SPD-Wahlprogramm.

Wenn die EU ihr Ziel erreichen will, bis 2030 den CO2-Ausstoß um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren, müssen gewaltige Summen in die Transformation der Wirtschaft fließen, so viel ist klar.

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Die EU-Kommission kalkuliert damit, dass die jährlichen Investitionen dafür auf mehr als 1000 Milliarden Euro steigen müssen. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren betrug die Gesamtsumme der Investitionen in der EU nur 683 Milliarden Euro pro Jahr.

Doch der Stabilitätspakt schränkt den finanziellen Spielraum der Regierung bewusst ein. Er soll einer übermäßigen Staatsverschuldung entgegenwirken.

Das Budgetdefizit der Mitgliedstaaten darf maximal drei Prozent der nationalen Wirtschaftskraft betragen, die Gesamtverschuldung die Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. So war es einmal gedacht – vor Corona, der Finanzkrise und vor dauerhaften Niedrigzinsen.

Inzwischen hält kaum noch ein Euro-Staat die Regeln ein. Viele Ökonomen argumentieren, dass der Schuldenpakt der veränderten Realität Rechnung tragen muss. Auch die EU-Kommission dringt auf eine Reform, hält sich mit Vorschlägen aber zurück. Erst nach der Bundestagswahl will die Brüsseler Behörde eine öffentliche Konsultation beginnen.

Die Beamten wissen: Die Hürden für eine Reform sind hoch, die Schuldenregeln sind in den europäischen Verträgen festgeschrieben.

Es gibt drei Optionen, mit den Schuldenregeln umzugehen

Grundsätzlich gibt es drei Optionen, damit umzugehen. Die erste lautet: beide Augen zudrücken. Die bisherigen Regeln würden weitergelten, aber von der EU-Kommission mit noch mehr Flexibilität angewendet. Die zweite Option wäre es, die Gesetze zu verändern, die den Stabilitätspakt konkretisieren.

Diese Variante präferiert EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni. Theoretisch gibt es die Möglichkeit, die EU-Verträge neu auszuhandeln, was aber unrealistisch ist.
Derzeit existiert der Stabilitätspakt nur auf dem Papier. Die EU hat ihn ausgesetzt, um den Mitgliedstaaten finanziellen Spielraum zur Bekämpfung der Coronakrise zu lassen.

Erst 2023 sollen die Regeln wieder greifen. Wenn es bei den Vorschriften bleibt, müssten die Regierungen dann tiefe Einschnitte in den Haushalt vornehmen – was nicht nur die Konjunktur gefährden könnte, sondern auch die Klimapolitik.

„Wir wissen, dass die EU-Länder nach der Pandemie sparen müssen – aber die Erfahrung zeigt, dass bei einer Sparpolitik öffentliche Investitionen sehr stark zurückgefahren werden“, mahnt Bruegel-Ökonom Wolff. „Es ist in Demokratien kaum möglich, Sozialausgaben zu kürzen, gleichzeitig jedoch Klimainvestitionen hochzutreiben.“

Das ordoliberale Argument, der Staat solle lieber Privatkapital mobilisieren, als selbst Geld in die Hand zu nehmen, überzeugt Wolff nicht: „Natürlich ist es wünschenswert, privates Kapital für Klimaschutzausgaben zu mobilisieren. Doch es gibt Grenzen dessen, was der Privatsektor leisten kann.“

Die SPD lobt das Konzept: „Wir brauchen in Deutschland wie in Europa eine deutliche Steigerung öffentlicher Investitionen, um den klimaneutralen und digitalen Wandel unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen“, sagt Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten.

Auch Lucas Guttenberg vom Berliner Jacques Delors Centre begrüßt die Debatte: Nötig sei ein „neuer fiskalpolitischer Konsens, der die Schuldentragfähigkeit nicht aus dem Blick verliert, aber mehr Raum für Investitionen lässt und sicherstellt, dass der Aufschwung nicht abgewürgt wird“.

Chancen für eine prinzipielle Verständigung unter den EU-Staaten gebe es durchaus, sagt Guttenberg: „Niemand kann ein Interesse an Regeln haben, die nicht sinnvoll eingehalten werden können.“

Warnungen vor einem Linksbündnis

Die in Umfragen kriselnde Union versucht indes, ihre Warnung vor einem Kanzler Scholz und einem möglichen Linksbündnis auf die Europapolitik auszudehnen: Mit diesem drohe die Spaltung Europas.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf Scholz in einem Interview vor, er würde eine dauerhafte gemeinsame Schuldenhaftung in der EU unterstützen: „Wenn Olaf Scholz in die Lage käme, so etwas umzusetzen, dann zerreißt es Europa.“ Die SPD weist die Angriffe scharf zurück.

Die Grünen und die SPD wollen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds ein „permanentes Investitions- und Stabilisierungsinstrument“ machen. Union und FDP wenden sich strikt dagegen. Die Schuldenaufnahme sei „befristet und einmalig“, heißt im Programm von CDU und CSU. „Sie ist kein Einstieg in eine Schuldenunion – und darf es nie werden.“

Gegen eine „voreilige“ Reform des Stabilitätspakts sträubt sich die Union. „Der Weg, den wir finden müssen, muss im doppelten Sinne nachhaltig sein, sowohl im Hinblick auf Klimainvestitionen als auch mit Blick auf finanzpolitische Solidität“, mahnt Daniel Caspary, Vorsitzender der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament.

Mehr: Verschärfte Klimaziele verlangen größtes Sofortprogramm der BRD-Geschichte

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2 Kommentare zu "Treffen der Finanzminister: Klimaziele der EU setzen Stabilitätspakt unter Druck"

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  • @Hr. Berchtold: wirklich nichts zu ergänzen, danke!!
    Und ein schönes Wochenende!

  • Das ist der Lacher des Tages. Ohne hohe Investitionen, die Schulden bedingen, die Klima-Investitionen zu stemmen, ist wie das Beten in Kirchen u. Moscheen. Die Idee beruhigt zwar, bringt aber in der Praxis rein gar nichts. Es werden Schulden gemacht werden müssen auf Biegen und Brechen, oder man hat noch höhere, also dramatische Schäden durch den Klimawandel. Nur dass, wie allseits bekannt, bei Schäden viele Werte untergehen werden, aber durch Klima-Investitionen bestehende und schon bezahlte Werte erhalten bleiben. Was hat die letzte große Überschwemmung gekostet, was wurde an Werten vernichtet? Wir haben jetzt die Wahl, wohl aber keine Qual, denn wir haben das moderne Geldsystem und keine dümmliche Golddeckung. Die anstehenden Mega-Investitionen schaffen bekanntlich jede Menge hochqualifizierter Arbeitsplätze, darauf sollte man zukunfts-optimisch schauen.

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