Treibhausgasneutralität 2045 Neuer „Klimapakt“: Bundesregierung plant milliardenschweres Sofortprogramm

Klimaneutralität wird nun bis 2045 angestrebt.
Berlin Ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, ein „Investitionspakt mit der Industrie“, ein beschleunigter Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und eine Regelung für die Verteilung der CO2-Lasten im Gebäudesektor sind zentrale Bestandteile des „Klimapaktes Deutschland“, auf den sich die Große Koalition verständigt hat.
Der Klimapakt soll dabei helfen, die im novellierten Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele für die 2020er- und 30er-Jahre zu erreichen. Das Bundeskabinett hat die Gesetzesnovelle am Mittwoch verabschiedet.
Kern des Gesetzes: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß gegenüber dem Stand von 1990 um 65 Prozent sinken. Bislang waren 55 Prozent geplant. Klimaneutralität wird nun bis 2045 angestrebt. Bislang galt hier 2050 als Zieljahr. Die Novelle folgt einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende April sowie der Erhöhung des EU-Klimaziels für 2030 von 40 auf 55 Prozent.
Mit dem Gesetz schaffe man mehr Generationengerechtigkeit, mehr Planungssicherheit und einen entschlossenen Klimaschutz, der die Wirtschaft nicht abwürgt, sondern umbaut und modernisiert, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Das Klimaschutzgesetz setze den Rahmen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.
„Wir beschreiten so die Brücke in ein klimaneutrales Zeitalter“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Wir reichen der jungen Generation die Hand und schaffen gleichzeitig Planungssicherheit für die Wirtschaft.“
Investitionspakt mit der Industrie
Bestandteil des Klimapakts ist ein „Investitionspakt mit der Industrie für klimafreundliche Produktion in Deutschland“, der insbesondere „zur Transformation klassischer Industrien mit hohen Prozessemissionen“ beitragen soll, wie es in dem dreiseitigen Papier heißt. Ausdrücklich genannt sind die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie.

Laut Umweltministerin Svenja Schulze ginge es ihr nicht um eine Verschärfung der Klimaziele, sondern um die Entschärfung der Klimakrise.
Außerdem erklärt das Papier den beschleunigten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu einem vorrangigen Ziel. Die Beschleunigung soll „durch Vorziehen der Planungen für die Bereitstellung und den Einsatz von Wasserstoff in allen geeigneten Bereichen mit dem Ziel umwelt- und klimagerechter Energiegewinnung“ erreicht werden.
Konkret heißt es im Klimapakt: „Ein wichtiges Instrument, um Klimaschutz zu betreiben, ist die bereits zum Jahresanfang begonnene CO2-Bepreisung. CO2-Preise setzen Anreize, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Gleichwohl dürfen insbesondere Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen nicht überlastet werden.“ Weiter heißt es: „Die Kosten des nationalen CO2-Preises werden zu 50 Prozent von den Vermietern getragen.“
Für den Sektor Mobilität ist eine „konzertierte Aktion klimafreundliche Mobilität mit Ländern, Kommunen, Industrie und Energiewirtschaft zur Beschleunigung des Flottenaustauschs“ vorgesehen.
Aus Sicht von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erfordern die verschärften Klimaziele massive zusätzliche Investitionen in Schienennetz und Wasserwege. In einer Protokollnotiz zum neuen Klimaschutzgesetz pocht der CSU-Politiker auf eine klare Zusage, mehr Geld zum Ausbau der Infrastruktur und darüber hinaus für kurzfristige Maßnahmen zu erhalten. „Nur mit einer nationalen Kraftanstrengung können wir die verschärften Klimaziele im Verkehr auch erreichen“, stellte der Minister in seiner Notiz klar. Sie liegt dem Handelsblatt vor.
Scheuer fordert, die bereits laufenden Förderprogramme auszubauen. Das gelte für alternative Antriebe wie die Elektromobilität einschließlich der Wasserstofftechnologie und die Erforschung alternativer Kraftstoffe. Auch ökologische Verbrennerkraftstoffe will Scheuer voranbringen.
Dazu schrieb der CSU-Politiker: „Dafür ist eine Erhöhung der Beimischungsquote von fortschrittlichen Biokraftstoffen in fossilen Otto- und Dieselkraftstoffen erforderlich. Für strombasierte Kraftstoffe ist bei der laufenden Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie die Einführung einer Unterquote sicherzustellen.“ Auch das automatisierte und vernetzte Fahren werde helfen, Emissionen im Verkehr zu senken.
Auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) forderte ein „Extrabudget zur Unterstützung der Branche“. Sie halte die neuen Ziele für ihren Bereich für ambitioniert, aber machbar. Es brauche nun Rechts- und Planungssicherheit zum tierwohlorientierten Umbau der Tierhaltung, weil nur so die Klimagasemissionen aus der Tierhaltung effektiv reduziert werden könnten. Stärker genutzt sollen zudem Potentiale von natürlichen Senken für mehr Klimaschutz etwa durch eine Honorierung von Ökosystemleistungen der Wälder sowie die Erhaltung und Wiedervernässung von Mooren.
Abbau klimaschädlicher Subventionen
Zur Finanzierung eines Teils der Ausgaben für den Klimaschutz kündigt die Koalition den Abbau klimaschädlicher Subventionen an. Bereits innerhalb der nächsten Wochen soll ein „Sofortprogramm 2022“ aufgelegt werden, das „schnell wirksame und hocheffiziente Maßnahmen in den Fokus nimmt“.
Bundesregierung beschließt neues Klimapaket
Die Bundesregierung will dem Papier zufolge über die bereits zur Verfügung gestellten Mittel für Klimaschutzmaßnahmen für die Jahre ab 2022 zusätzlich „bis zu acht Milliarden Euro zur Finanzierung weiterer Maßnahmen unter Einbeziehung der aus den Vorjahren erwirtschafteten Rücklagen des Energie- und Klimafonds“ zur Verfügung stellen.
Deutschland solle auch in den nächsten Jahrzehnten eine erfolgreiche Wirtschaftsnation bleiben, sagte Wirtschaftsminister Altmaier. „Dabei müssen wir die Wirtschaft unterstützen und bereit sein, die nötigen Mittel bereitzustellen, damit die Transformation gelingt. Wir können und müssen zeigen, dass Klimaschutz und Wirtschaft kein Widerspruch, sondern zwei Seiten einer Medaille sind.“
Aus der Wirtschaft gab es indes teilweise heftige Kritik. Die Koalition habe einen „Pakt mit sich selbst“ geschlossen. Es würden ohne Rückkopplung mit massiv betroffenen Branchen tiefgreifende Veränderungen verordnet, für die es keine belastbare Kosten- und Folgenabschätzung gebe, hieß es in Wirtschaftskreisen. Der Pakt bringe den Unternehmen keine konkreten Hilfen.
Auch das Klimaschutzgesetz stößt in Teilen der Wirtschaft auf wachsende Skepsis. „Es fehlt der Plan, mit welchen konkreten Maßnahmen Treibhausgasneutralität verlässlich umgesetzt und gleichzeitig die Industrie vor Wettbewerbsnachteilen geschützt werden kann. Die neuen Klimaziele stehen fest, aber der Weg dahin bleibt im Nebel“, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).
Große Entrup sagte: „Allein unsere Branche benötigt für das neue Ziel mehr Strom, als Deutschland derzeit insgesamt verbraucht. Und zwar als Grünstrom, rund um die Uhr, zu wettbewerbsfähigen Preisen nicht nur an der windreichen Küste, sondern an allen Standorten im Land.“
Kritisch äußerte sich auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA): „Das Klimaschutzgesetz wird sich spürbar auf alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft auswirken – auch auf die Beschäftigten und die Verbraucher. Für die sozialen Konsequenzen gibt es durch den Gesetzgeber in diesem überstürzten Gesetzgebungsverfahren keine ausreichende Folgeabschätzung.“
Mehr: Das teure Gesetz: Was mit den neuen Klimazielen auf die Wirtschaft zukommt
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
nicht nur die Wirtschaft lehnt das ab sondern auch MIllionen Bürger Deutschlands. Österreich, Amerika, England bieten sich als Auswanderungsland an.
"Im Gebäudesektor legt sich die Koalition nun darauf fest, die Kosten des nationalen CO2-Preises für Heizenergie jeweils zur Hälfte auf Vermieter und Mieter zu verteilen."
--> Vermieter erhöht die Kaltmiete --> Mietpreise steigen
"Kern des Gesetzes: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß gegenüber dem Stand von 1990 um 65 Prozent sinken. Bislang waren 55 Prozent geplant. Klimaneutralität wird nun bis 2045 angestrebt. Bislang galt hier 2050 als Zieljahr."
--> Das willkürliche festsetzen von Zielen, wie bspw. vor Jahrzehnten bei den Abgasnormen in der Autoindustrie, ist nicht immer hilfreich. Wenn die Politik mehr fordert als die Technologie leisten kann, kann dies kontraproduktiv sein. Für Planungssicherheit brauchen wir verlässliche Lösungswege um das Ziel zu erreichen.
Andreas Scheuer (CSU) „Nur mit einer nationalen Kraftanstrengung können wir die verschärften Klimaziele im Verkehr auch erreichen.“
"Scheuer fordert, die bereits laufenden Förderprogramme auszubauen. Das gelte für alternative Antriebe wie die Elektromobilität einschließlich der Wasserstofftechnologie und die Erforschung alternativer Kraftstoffe. Auch ökologische Verbrennerkraftstoffe will Scheuer voranbringen."
--> smarte Ampeln mit KI die Stoßzeiten, Pendlerrouten, Schulwege, anonyme Handy GPS Daten etc. berücksichtigen wären ein Anfang.
Den Kommentaren aus der Wirtschaft kann man derweil nur zustimmen.
bei einer derartig chaotischen Regierung wird mir das kommentieren einfach zu blöd