Verschärfte Klimaziele Reedereien bereiten den Abschied vom Schiffsdiesel vor
Düsseldorf Unter Reedern galt Klimaschutz bislang als Reizthema. Jahr für Jahr etwa stehen Kreuzfahrtfirmen am Pranger des Umweltschutzverbands Nabu, der ihnen erst vor wenigen Tagen wieder einmal bescheinigte, „keine nachvollziehbare Strategie“ zu besitzen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Der Vorwurf: Noch immer ist die Seefahrt global für den Ausstoß von 1,06 Milliarden Tonnen Kohlendioxid verantwortlich – und damit von 2,9 Prozent der von Menschen verursachten Emissionen. Die Ozeandampfer seien „schwimmende Klimasünder“, tadeln Ökoverbände.
Manche Schiffsbetreiber versprechen sich vom Kampf ums Klima inzwischen sogar ein lohnendes Geschäft. „CO2 als Ware könnte in Zukunft eine neue Fracht für den Transport sein“, erklärte vor wenigen Tagen Erik Hanell, Vorstandschef der schwedischen Tankerreederei Stena Bulk, dem Fachdienst „Splash“. Schon jetzt diskutiere eine ganze Anzahl von Experten darüber, welche Hürden dazu noch genommen werden müssten.
Worauf Hanell anspielt, sind Pläne rund um das sogenannte „Carbon Capture and Storage“ (CCS). Da in Industriezweigen wie der Stahl- oder Zementerzeugung auf absehbare Zeit keine Technologie bereitstehen wird, um den CO2-Ausstoß wesentlich zu verringern, planen Forscher mit einer alternativen Lösung: Kohlendioxid soll stattdessen während der Produktion aufgefangen werden, um das Klimagas anschließend in unterirdischen Kammern zu begraben. Sie könnten, so hofft man jedenfalls in der Seefahrt, durchaus unter dem Meeresboden liegen.
Stena Bulk ist nicht die einzige Reederei, die solche Pläne schmiedet. Auch die japanische Reederei K-Line und das dänische Maritime Development Center tüfteln Medienberichten zufolge an CCS- Konzepten.
CO2-Ausstoß der Schifffahrt ist weiter gestiegen
Die Seefahrt selbst trägt hingegen wenig dazu bei, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern. Zwar feilten Werften und Motorenhersteller in den vergangenen Jahren an Schiffsdesign und Dieseltechnik, der stark gestiegene Schiffsverkehr aber machte die ökologischen Fortschritte am Ende wieder zunichte. Immerhin nahm der Seehandel zwischen 2008 und 2018 um 40 Prozent zu, so berichtet der Verband Deutscher Reeder (VDR).
Unter dem Strich kletterte auf See der Ausstoß an Klimagas zwischen 2012 und 2018 um 9,6 Prozent, wie die vierte „GHG Study 2020“ der Uno-nahen Schifffahrtsorganisation IMO im Juli mitteilte.
Der Anteil der Schiffsemissionen an der gesamten menschengemachten Klimagasproduktion erhöhte sich dadurch in diesem Zeitraum um 4,7 Prozent. Experten des Erdöl-Informationsdienstes rechnen vor, dass der Schiffsverkehr ohne Gegenmaßnahmen im Jahr 2050 rund 130 Prozent der CO2-Menge ausstoßen würde, die 2008 gemessen wurde.
Dazu soll es nach dem Willen der IMO nicht kommen. In einem neulich veröffentlichten Abkommen sieht die 174 Mitgliedsländer umfassende Seeschifffahrtsorganisation mit Sitz in London vor, die CO2-Emission bis 2030 um 40 Prozent zu verringern. Zumindest gemessen am Wert von 2008. Bis 2050 will man sie sogar halbieren.
Außerdem werden ab 2023 sämtliche Schiffe ähnlich wie Haushaltsgeräte in fünf Effizienzklassen von A bis E eingeteilt. Wer ab dann innerhalb von drei Jahren nicht mindestens den Wert „C“ schafft, hat einen verbindlichen Katalog vorzulegen, wie er umfassend CO2 einsparen will. Zudem läuft er Gefahr, das Schiffszertifikat zu verlieren, das einer Betriebserlaubnis gleichkommt.
Außerdem: „Auf dem Chartermarkt können wahrscheinlich mit ‚D‘ oder ‚E‘ klassifizierte Schiffe dann nur noch mit Abschlägen angeboten werden“, erwartet VDR-Sprecher Christian Denso.
Suche nach einem Ersatz für den Diesel
„Bereits ab den 2030er-Jahren werden voraussichtlich kaum mehr mit fossilen Brennstoffen betriebene Seeschiffe vom Stapel laufen“, schwärmt Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, angesichts der neuen Vereinbarungen. Nur: Was den Dieseldampfern folgen wird, steht bis heute in den Sternen.
„Die 2030er-Ziele werden vermutlich noch mit der herkömmlichen Technik zu erreichen sein“, erwartet Denso, „etwa durch optimiertes Bugdesign, langsamere Schiffsfahrten und verbesserte Schiffspropeller.“ Für den nächsten Sprung aber benötige es eine neue Treibstoffart.
Flüssiggas, das sogenannte LNG, auf das viele Reedereien derzeit ihre Schiffe umrüsten, gilt dabei nur als Übergangslösung. Zum einen kommt ein Großteil davon aus dem wenig ökologischen Abbau von Schiefergas. Zum anderen entweicht bei der Verbrennung üblicherweise ein Teil des Methans – als Klimagas rund 20-mal aggressiver als Kohlendioxid. Unter dem Strich, schätzen Forscher, reduziert LNG die Klimaverschmutzung um gerade einmal 25 Prozent.
Doch Alternativen sind von einer Marktreife noch weit entfernt. Zu den größten Hoffnungsträgern der Seefahrt zählt derzeit das überwiegend als Düngemittel genutzte Ammoniak, das als Speicher für Wasserstoff verwendet werden kann. Der Vorteil: Ammoniak lässt sich als Treibstoff in üblichen Verbrennungsmotoren nutzen – und sogar mit Diesel mischen. Der Technikkonzern MAN Energy Solutions, einer der weltweit größten Hersteller von Schiffsmotoren, will angeblich 2024 einen ersten serienreifen Ammoniak-Antrieb vorstellen.
Allerdings müsste der Energieträger in flüssiger Form gelagert werden mit dem Nachteil, dass er giftige Eigenschaften besitzt. Der Preis für nachhaltig hergestelltes Ammoniak, schätzt der dänische Katalysatorenhersteller Topsoe, könnte bis 2040 auf 13,50 bis 16 Dollar pro Gigajoule gedrückt werden – von heute bis zu 45,70 Dollar. Schiffsdiesel ist derzeit für 12,50 bis 15 Dollar zu haben.
Doch Wasserstoff und Ammoniak, so offenbarte jetzt eine Studie der International Chamber of Shipping (ICS), würden wegen der geringen Energiedichte deutlich größere Tanks benötigen – was zulasten des Container-Stauraums ginge. Schlimmer noch: Würden sämtliche 50.000 Seefahrtsschiffe klimaneutral auf diese Energieträger umgerüstet, wären dazu jährlich 750 Gigawatt an erneuerbarer Energie nötig – 60 Prozent der heute weltweit produzierten Menge.
Schiffe könnten wieder durch Wind angetrieben werden
Beim Batterieantrieb gäbe es ähnliche Herausforderungen. Zwar hat Norwegen bereits eine elektrisch betriebene Fähre für 400 Passagiere in Dienst gestellt. Der Akku, der die „Legacy of the Fjords“ durch einen Meeresarm bewegt, reicht jedoch nur für 56 Kilometer. „Ein typisches Containerschiff bräuchte die Kraft von 10.000 Tesla-S85-Batterien“, heißt es in der ICS-Studie, „und das jeden einzelnen Tag.“

Die Reichweite ist gering.
Erfolgversprechender erscheint einigen Forscher deshalb sogar, auf den Antrieb durch Wind zu setzen. Nicht mehr riesige Kite-Drachen, wie sie vor Jahren noch Schiffe der Reederei Beluga unterstützten, stehen dabei im Mittelpunkt, sondern sogenannte „Flettner Rotoren“.
Überdimensionale, senkrecht aufgestellte Zylinder, per Elektromotor in einer Drehbewegung gehalten, sollen den Wind auf den Weltmeeren für den Vortrieb nutzen. Und das nach einem komplizierten physikalischen Prinzip, dem „Magnus Effekt“: Durch die Drehbewegung entsteht vor den Zylindern – senkrecht zur Windrichtung – ein Sogeffekt.
Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert seit über 100 Jahren der Flugzeugauftrieb durch nach oben gewölbte Flügel. Dennoch bremst die ICS-Studie die Erwartungen: „Die Windsysteme könnten höchstens fünf bis zehn Prozent der weltweit benötigten Schiffsenergie liefern“, heißt es dort. Hinzu kommt: Bei Flaute stünden die Schiffe still.
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