Wasserstoff-Auto Warum Toyota, Hyundai und BMW der Brennstoffzelle eine Chance geben

Reifenhersteller Michelin plant den Start mit einem Wasserstoff-Rennwagen.
Köln Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist ein Klassiker: Ein Langstreckenwettkampf der Extreme. Regen, viel PS, viel Drama. In einer der Rennklassen blieb Ende August der führende Wagen in der Schlussrunde einfach liegen. Schließlich holten die Teams des weltweit größten Herstellers Toyota einen Doppelsieg.
Unschwer auf den Bildern zu erkennen: Die Reifen stammen von Michelin. Der französische Reifenhersteller hat große Pläne. Mit dem Motorsportprojekt „Mission H24“ will er 2024 selbst im Hauptrennen von Le Mans an den Start gehen. Dafür entwickelt der Wasserstoff-Brennstoffzellenhersteller Symbio, ein Joint Venture von Michelin und dem französischen Autozulieferer Faurecia, einen Rennwagen-Prototypen.
Es geht um weit mehr als einen Platz auf dem Siegertreppchen. Am Rand von Lyon, in Saint-Fons, beginnen die Partner in diesem Jahr mit dem Bau einer Fabrik, in der Brennstoffzellensysteme für den Massenmarkt produziert werden. „Es ist eine Wette darauf, dass sich neben der Batterie noch eine weitere Antriebstechnik durchsetzen wird“, sagt Peyman Sabet, Vizepräsident für Geschäftsentwicklung in der Region Nordeuropa bei Michelin.
Kann sich die Brennstoffzelle auch in Pkws oder Transportern etablieren? Schon seit Jahrzehnten experimentieren die Hersteller mit der Technik. Den ersten wasserstoffbetriebenen Elektrovan schickte General Motors 1967 auf die Straße. Erst Jahrzehnte später gewannen Brennstoffzellen auch hierzulande an Aufmerksamkeit bei den Autobauern – die damalige Daimler-Benz AG stellte 1994 einen Transporter-Prototypen vor, das NeCar. 2018 folgte mit dem Brennstoffzellen-Batterie-Hybrid Mercedes GLC F-Cell der erste Wasserstoff-Pkw eines deutschen Herstellers. Vergangenes Jahr erklärten die Schwaben dann, das Modell nicht weiterentwickeln zu wollen.
Asiatische Autobauer dagegen geben der Technik eine Chance. Toyota hat den Antrieb beim Mirai verbaut, Konkurrent Hyundai beim Nexo. Nun zieht auch BMW nach und stellt auf der „IAA Mobility“ in München den Geländewagen iX5 Hydrogen mit Brennstoffzelle vor. Im Sommer hatte Vorstandschef Oliver Zipse mit der Aussage überrascht, dass die neue Klasse ab 2025 elektrisch sei, „egal ob mit Batterie oder Wasserstoff“. Der iX5 Hydrogen wird laut BMW zunächst als Kleinserie „mit einer Stückzahl im zweistelligen Bereich“ gefertigt.
Regierung gibt Rückenwind
Rückenwind erhält die Autobranche von der Bundesregierung. So zielt das Verkehrsministerium mit seinem milliardenschweren Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie auch darauf, den Einsatz in Pkws zu forcieren. Besonders für Fahrzeuge der oberen Mittelklasse und Oberklasse könne die Technik „eine wichtige Rolle spielen“, heißt es.
An vier Standorten in Deutschland wird künftig unter dem Dach des Innovations- und Technologiezentrums Wasserstoff mit staatlicher Förderung der Mobilitätseinsatz erforscht. Vorteile der Brennstoffzellen liegen auf der Hand: Sie sind geräusch- und schadstoffarm. Das Problem: Der Wirkungsgrad ist im Vergleich zur reinen Batterie deutlich geringer. Forscher arbeiten nun daran, die Hürden für einen Markterfolg zu überwinden.
Eine Brennstoffzelle wie sie in Fahrzeugen zum Einsatz kommt, besteht aus Hunderten Einzelzellen, die mit sogenannten Bipolarplatten und filigranen Gasverteilerstrukturen abgestimmt und zu einem sogenannten Stack zusammengefügt werden. Noch geht das nicht automatisiert, und das macht es teuer. Der SUV Hyundai Nexo kostet beispielsweise 77.290 Euro.
„Brennstoffzellen standen schon vor 20 Jahren kurz vor der Markteinführung. Damals sind die Zellen an der Verfügbarkeit von Wasserstoff gescheitert“, sagt Markus Hölzle, Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm. Dank staatlicher Hilfe seien die Voraussetzungen besser: „Es ist jetzt Zeit, großserientaugliche Fertigungsverfahren zu entwickeln.“
Gerade untersuchen ZSW-Experten im Projekt „HyFaB“, wie sich die Brennstoffzellen in Großserie produzieren lassen. Dafür bauen sie eine gleichnamige Forschungsfabrik. „Der Markt ist angeschoben. Jetzt müssen Fabriken, Fertigungsmaschinen gebaut und Produktionsstraßen und Qualitätschecks entwickelt werden“, sagt Hölzle.
Der ZSW-Forscher erwartet, dass Brennstoffzellen zunächst verstärkt bei Lkws oder Schiffen zum Einsatz kommen. „Brennstoffzellen-Pkws können dann später durch die Hintertür dazukommen“, sagt Hölzle. Derzeit sei die Batterie für elektrische Pkw-Antriebe die erste Wahl – denn es habe in den letzten Jahren massive Fortschritte bei Lebensdauer, Kosten oder Produktionskapazitäten gegeben.
„Das ist unstrittig in der Verkehrswendediskussion“, bestätigt Christoph Baum, Geschäftsführer des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen. Doch auch die Brennstoffzelle könne ihren Platz finden. „Die Frage ist, wo diese Grenze genau verlaufen wird, ob das schon für einen Geländewagen oder erst für einen Lkw gilt.“
Tankstellenbetreiber baut um
Um die 1000 Pkws und rund 50 Busse mit Wasserstoffantrieb führt das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) derzeit auf. Die Zahlen dürften zunächst nur langsam steigen. So ergab eine Umfrage der Tankstellenkette Aral Ende August, dass 15 Prozent der Befragten ein reines Elektroauto kaufen würden. Auf Erdgas, Autogas und Wasserstoff entfielen zusammen nur zwei Prozent. In einer Umfrage des Technischen Dienstes KÜS dagegen schnitten Brennstoffzellen-Fahrzeuge besser ab: 43 Prozent zeigten Interesse.
Auf einen früheren Durchbruch bei Nutzfahrzeugen stellt sich der Wasserstofftankstellenbetreiber H2 Mobility ein. Eigentlich sind dessen 89 Tankstellen für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge ausgelegt. Derzeit werden sie für Lkws umgebaut.
Welcher Antrieb macht auf lange Sicht das Rennen? Auch das batteriebetriebene E-Auto, das nun seinen Siegeszug startet, wurde lange belächelt. Spott erlebte auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, als er Mitte August auf Wahlkampftour die Gigafactory-Baustelle in Grünheide besuchte und dort Tesla-Chef Elon Musk auf Wasserstoff ansprach. Der fiel ihm ins Wort, winkte ab und lachte: Wasserstoff sei verschwendete Zeit.
Michelin zeigt sich optimistischer. „Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen können für größere Pkw-Flotten, die längere Strecken zurücklegen, eine Rolle spielen“, sagt Sabet und führt als Beispiel Taxis an. Die Mission H24 aber wurde gerade um ein Jahr auf 2025 verschoben. Es wäre nicht der erste Verzug: 2016 startete das Schweizer Unternehmen Green GT mit Brennstoffzellen – unterstützt von Michelin. Damals absolvierte der Wagen genau eine Runde. Beim nächsten Versuch dürfte man leicht weiter kommen.
Mehr: Deutsche Forscher treiben die Aufholjagd der Brennstoffzelle voran
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