Online-Enzyklopädie Porno-Vorwürfe gegen Wikipedia

Die freie Enzyklopädie Wikipedia ist in die Kritik geraten.
Wie gut funktioniert die freiwillige Selbstkontrolle bei Wikipedia? Normalerweise soll sich die weltgrößte Online-Enzyklopädie selbst regulieren – dank tausender freiwilliger Helfer, Administratoren und Autoren. Aber können sie alles kontrollieren, jeden Eintrag wirklich dauerhaft im Auge behalten?
Aktuell ist das beliebte Nachschlagewerk jedenfalls in die Kritik geraten: Nach Recherchen der Plattform „News4teachers“, die von Lehrern und Journalisten betrieben wird, finden sich in etlichen Beiträgen der Enzyklopädie Links auf pornografisches Material.
Wer beispielsweise das Stichwort „Penetration“ bei Wikipedia eingibt und auf den Link zu Wikimedia Commons – der Mediensammlung für Bilder, Audio- und Videodateien – klickt, bekommt Fotos von Geschlechtsteilen in Großaufnahme angezeigt. Dazu reißerische Bildunterschriften wie „My penis inside vagina in the doggystyle position“.

Bilder mit pornografischem Inhalt können auch von Minderjährigen angeklickt werden, die bei Wikipedia beispielsweise für die Schule recherchieren, wie dieser Screenshot zeigt.
Auch wer bei Wikipedia nach „Piercing“ sucht und dem Link auf Wikimedia folgt, wird schnell fündig: Unter dem Stichwort „Body Piercing“ sind zahlreiche Fotos weiblicher und männlicher Geschlechtsteile mit den unterschiedlichsten Intimpiercings zu sehen.
Auf der Wikipedia-Seite „Samenerguss“ findet sich ein Bild, das – in vier Phasen – einen erigierten Penis während der Ejakulation zeigt. Auf der zum Artikel gehörenden Diskussionsseite wird das von den Administratoren unterschiedlich bewertet: „Eine gezeichnete Darstellung würde vollkommen ausreichen“, kritisiert einer der Autoren. Er fühle sich von dem Wikipedia-Artikel in der jetzigen Form „belästigt“. „Was ist an der Darstellung einer Ejakulation denn so schlimm?,“ erwidert ein anderer „Wikipedianer“. „Alles, was mit einer natürlichen Sexualität zusammenhängt, ist weder schmutzig noch anstößig.“
„Wikipedia muss entzaubert werden“
Der Deutsche Lehrerverband (DL) sieht das anders. Er zeigte sich von den Ergebnissen der Recherche von „News4teachers“ geschockt. Schließlich werde Wikipedia, so heißt es in einer eilig herausgegebenen Pressemitteilung, „millionenfach” von Schülern genutzt.
DL-Präsident Josef Kraus warnt deshalb Lehrer und Eltern: „Es wird höchste Zeit, dass Wikipedia als Ausweis vermeintlicher Schwarm-Intelligenz entzaubert wird.“ Erziehungsberechtigten müsste dringend klar gemacht werden, dass „Wikipedia als Quelle für Schülerarbeiten völlig unzulänglich“ sei. Die pornografischen Inhalte müssten schleunigst entfernt werden, so Kraus weiter.
Die Forderung scheint wenig realistisch. Denn Wikipedia ist als offene Plattform und freie Enzyklopädie konzipiert: Jeder kann mitarbeiten und – auch anonym – Artikel anlegen, weiterschreiben und korrigieren.
Auf den Diskussionsseiten werden neue Beiträge öffentlich diskutiert, Änderungen, Streichungen und Links für alle sichtbar hinterfragt. Dabei hat laut den Wikipedia-Prinzipien „Bestand, was von der Gemeinschaft akzeptiert wird". „Von oben“ gelöscht oder kontrolliert wird nicht.
„Wikipedia ist kein Unternehmen, sondern besteht allein in der deutschen Sprachversion aus den Beiträgen von 7.000 Freiwilligen, die jeden Monat mithelfen. Sie liefern Artikel, überprüfen Kommata, posten Bilder und beseitigen Vandalismus“, beschreibt Wikimedia-Sprecher Michael Jahn gegenüber Handelsblatt Online. Die freiwillige Selbstkontrolle, auf der Wikipedia basiert, funktioniere dabei gut. Allerdings seien unangemessene Inhalte im Internet immer nur einen Mausklick entfernt, erklärte Jahn auf Heise Online. Der kritische Blick auf die Informationen, die online zu finden seien, gelte für das gesamte Internet. „Da bildet Wikipedia selbstverständlich keine Ausnahme.“
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