Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Autoindustrie Neue Fusionswelle bei den Autozulieferern: Was die Konsolidierung für Bosch, Conti, Mahle & Co. bedeutet

Die Übernahme von Hella war nur der Auftakt: Die Zuliefererbranche steht unter Konsolidierungs-Druck. Vor allem für mittelgroße Unternehmen wird das eine Herausforderung.
18.08.2021 - 15:28 Uhr 1 Kommentar
Studienautor Harald Proff von Deloitte ist sich sicher: Zulieferer, die jetzt nicht handeln, sind in Gefahr. Quelle: Hella
Autozulieferer

Studienautor Harald Proff von Deloitte ist sich sicher: Zulieferer, die jetzt nicht handeln, sind in Gefahr.

(Foto: Hella)

Düsseldorf, Stuttgart Die Hella-Übernahme durch den französischen Konkurrenten Faurecia war erst der Auftakt für eine Fusions- und Konsolidierungswelle in der Autozuliefererindustrie. Die Branche wird sich tief greifend verändern. Und nun wird klar: Viele Zulieferer in Deutschland haben die Transformation der Autoindustrie Richtung Elektromobilität und Digitalisierung verschlafen. Wie eine aktuelle Studie des deutschen Automobilverbandes VDA in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Deloitte zeigt, haben viele Branchenmitglieder hierzulande erst vor drei Jahren mit der eigenen Transformation begonnen.

Studienautor Harald Proff von Deloitte ist sich sicher: Zulieferer, die jetzt nicht handelten, seien in Gefahr. Die aktuelle Transformation sei handlungsdominiert. „Viele Zulieferer müssen entweder Geschäftsteile verkaufen oder neue hinzukaufen, um den Wandel aktiv zu gestalten“, sagt Proff dem Handelsblatt.

Der Druck zur Konsolidierung der Automobilzulieferindustrie ist in der Transformation wohl größer als je zuvor. Konsolidierung gab es in der Branche allerdings auch schon zuvor – in mehreren Schüben. Vor 30 Jahren forderten die Autohersteller eine Just-in-time-Belieferung ans Band. Das verstärkte den Trend zum Systemzulieferer, weil es einfacher war, wenn ein Zulieferer ganze Module ans Band lieferte. Einher ging das mit einer stark steigenden Elektronik-Nachfrage.

Bosch hatte im Vergleich zu anderen großen Autozulieferern den Vorteil, schon seit den 1970er Jahren Erfahrung im Bereich der Elektronik zu haben. Continental rüstete 2007 mit der Übernahme von Siemens VDO für über elf Milliarden Euro auf. Schaeffler versuchte wiederum mit dem Einstieg bei Continental zukunftsfähiger zu werden. Der mit Getrieben und der Übernahme von Sachs groß gewordene Branchendritte ZF hatte extremen Nachholbedarf in der Elektronik. Mit den Großübernahmen von TRW 2014 und Wabco vor zwei Jahren für zusammen fast 17 Milliarden Euro hat auch das Stiftungsunternehmen vom Bodensee gerade noch rechtzeitig den Anschluss geschafft.

Aber auch die Übernahme von Wabco hätte früher kommen müssen. Das wirft wiederum ein Schlaglicht auf die aktuelle Situation: Wer jetzt wie Faurecia bei Hella zum Zug kommt, muss sehr viel Geld auf den Tisch legen, um im letzten Moment den Sprung in die Zukunft noch zu schaffen.

Grafik

Laut der VDA-Umfrage denken 19 der 83 befragten deutschen Zulieferer über einen solchen Schritt nach. Das Problem: Mittelgroße Zulieferer mit wertvoller Technologie sind rar. Und viele Zulieferer leiden unter einer hohen Schuldenlast. Laut Proff würden daher auch vermehrt Finanzinvestoren, die zuvor jahrelang einen Bogen um die Autoindustrie gemacht haben, wieder Interesse an der Branche zeigen.

M&A-Spezialist Nicolas Zintl von der Investmentbank Houlihan Lokey, die unter anderem Autozulieferer in Deutschland berät, sieht eine weitere Schwierigkeit. „Das Problem ist, dass mit dem Verkauf von Verbrenner-Technologien keine attraktiven Preise mehr zu erzielen sind, um das Zukunftsgeschäft zu finanzieren“, sagt Zintl dem Handelsblatt.

Bosch, Conti und ZF betreiben Portfolio-Management

Seit klar ist, dass die Elektromobilität den Verbrennungsmotor verdrängen wird, sacken die Bewertungen von Unternehmen, die nach wie vor stark vom fossilen Geschäft abhängig sind, rapide ab. Gleichzeitig sinkt die Zahl der potenziellen Käufer. „Börsennotierte Unternehmen würden von den Finanzmärkten abgestraft werden, wenn sie Verbrenner-Zulieferer oder neue Verbrenner-Geschäftsteile hinzukaufen. Tier-1-Zulieferer fallen weitestgehend als Käufer aus“, sagt Zintl in Bezug auf die ganz großen Zulieferer.

Bosch, Continental oder ZF gehen stattdessen zur Bereinigung des eigenen Portfolios über. „Große Zulieferer verkaufen unprofitable Bereiche oder Sektoren, die strategisch nicht mehr zu Elektromobilität oder Digitalisierung passen“, sagt Zintls Kollege Niklas Lerche, Restrukturierungsexperte bei Houlihan Lokey.

Bei Continental beispielsweise gibt es noch Einheiten im Industriegeschäft, die stark vom Verbrenner abhängig sind. Bosch sucht derzeit nach Käufern für seine Gießereien. Auch Faurecia überlegt, Geschäftsteile mit einem Volumen von 500 Millionen Euro zu verkaufen. ZF durchforstet alle Bereiche, hat hierzulande aber noch im Rahmen des „Tarifvertrag-Transformation“ eine Standortsicherung bis Ende 2022. Danach könnten auch bei dem Stiftungsunternehmen weitere Schritte folgen.

Die mittelgroßen Zulieferer wie zum Beispiel Eberspächer oder Mann+Hummel können diesen Weg nicht gehen. Sie sind noch stärker vom Verbrenner-Geschäft abhängig, weil ihnen im Gegensatz zu Bosch oder Conti zukunftsträchtige Geschäftseinheiten im Bereich der Elektronik und Software fehlen. Auch Rheinmetall Automotive, Hirschvogel Automotive oder Hoerbiger leiden unter diesem Problem.

Grafik

Bei Mahle kommt rund die Hälfte des Umsatzes von Komponenten für Benzin- und Dieselmotoren. Beim Auspuffhersteller Eberspächer sind es sogar 80 Prozent. Allerdings haben beide eine kritische Größe und wären in der Lage, einen ähnlichen Weg wie Faurecia zu gehen. So hatte auch Mahle für Hella geboten. Nach dem verlorenen Bieterwettbewerb bleibt dem Stuttgarter Zulieferer noch die Hoffnung, in Südkorea zum Zuge zu kommen. Dort bietet Mahle knapp fünf Milliarden Euro für den Konkurrenten Hanon Systems.

Eberspächer wiederum hat seine Abgastechnik vollständig ausgegliedert. Das Ziel: Eberspächer will in der Abgastechnik als Konsolidierer auftreten. Die Geschäftseinheit soll stärker mit anderen Unternehmen auf diesem Gebiet zusammenarbeiten und die Gewinne im Verbrennergeschäft so lange abschöpfen, wie möglich. Diese Strategie ist laut VDA-Umfrage in der Branche aber nur wenig populär. „Wir sehen im Bereich des Verbrenner-Geschäfts bei den Zulieferern noch keine Tendenz zum ‚Last Man Standing‘“, sagte Proff. Lediglich zwei der 83 befragten Zulieferer verfolgen diesen Weg.

Zu optimistische Prognosen

Deutlich beliebter ist die sogenannte „Harvest-Strategie“, die eine interne Transformation vorsieht. Rund 52 der befragten Zulieferer würden die Gewinne des nach wie vor profitablen Verbrenner-Geschäfts nutzen, um das eigene Zukunftsgeschäft aufzubauen. Die „Erntezeit“ dürfte indes kürzer als von vielen erwartet. Und dennoch scheinen noch immer viele Zulieferer zu optimistischen Prognosen bezüglich der Verbrenner-Technologie geneigt zu sein.

Laut VDA-Umfrage gehen 16 Zulieferer davon aus, dass der Verbrennungsmotor erst zwischen 2040 bis 2044 vollständig abgelöst werde. Sieben Zulieferer gehen sogar davon aus, dass das erst 2050 der Fall sein wird.

Außerdem scheinen viele Zulieferer nach wie vor der Meinung zu sein, dass synthetische Kraftstoffe und Hybridfahrzeuge eine langfristige wirtschaftliche Zukunft hätten. Angesichts dessen, dass Automarken wie Daimler und VW mittlerweile voll auf Elektromobilität setzen, erscheinen solche Einschätzungen gefährlich. Und Studienautor Proff warnt, dass Antriebshersteller bei den Erwägungen von Kauf oder Verkauf von Geschäftseinheiten am meisten gefordert sein werden.

Bedeutet: Zulieferer – vor allem kleinere – die jetzt noch einen technologie-offenen Ansatz im Antriebsbereich verfolgen, laufen Gefahr, ihre knappen Investitionsmittel in falsche Technologien zu stecken. Bleiben dann die Gewinne aus, verschärft sich das Verschuldungsproblem, wie Arno Fuchs befürchtet, CEO der auf mittelständische Unternehmen spezialisierten Investmentbank FCF Fox. Er ist der Meinung, dass viele Zulieferer zu zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Wegen der optimistischen Prognosen seien viele Zulieferer bereit zu schuldenfinanzierten Übernahmen, sagt Fuchs mit Blick auf die Hella-Übernahme durch Faurecia. „Sollten sich die Gewinnprognosen für dieses Jahr nicht bestätigen – und angesichts des aktuellen Chipmangels stehen die Ausblicke in Frage –, dann steigt wieder der Druck hinsichtlich der Verschuldungsquoten bei vielen Zulieferern.“

Mehr: Faurecia-Chef nach Hella-Übernahme: „Würde einen völlig neuen Namen befürworten“

Startseite
Mehr zu: Autoindustrie - Neue Fusionswelle bei den Autozulieferern: Was die Konsolidierung für Bosch, Conti, Mahle & Co. bedeutet
1 Kommentar zu "Autoindustrie: Neue Fusionswelle bei den Autozulieferern: Was die Konsolidierung für Bosch, Conti, Mahle & Co. bedeutet"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Noch spannender ist die Frage wie sich BMW aufstellt. Derzeit wird dort ja noch eifrig von Technologieoffenheit getraeumt, mit dem Ergebnis das die Plattformen bis auf Weiteres mit allen Nachteilen einer Verbrennerarchitektur belastet sind. Das Festhalten an der Brennstoffzelle fuer PKw Anwendungen ist da nur noch ein weiterer Sargnagel.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%